Er ist Stammspieler beim besten NHL-Team (Anaheim). Er hat sich in über 250 NHL-Partien bewährt, ist im besten Alter (24) und hat die ideale Verteidiger-Postur (188 cm/93 kg). Noch vor zehn Jahren hätte ein Nationaltrainer die Kosten aus eigener Tasche bezahlt, um so einen Spieler einzufliegen.
Aber Sean Simpson will Luca Sbisa hier in Sotschi nicht in seinem Olympiateam haben. Er verzichtet freiwillig auf den NHL-Verteidiger. Warum nur?
Sean Simpson sagt, er werde die offene Verteidigerposition intern besetzen. Will heissen: Mit einem der in Sotschi als Ersatzspieler angereisten Abwehrspieler. Beispielsweise mit den WM-Silberhelden Eric Blum oder Patrick von Gunten. Simpsons einfache Begründung: «Wir haben hier einige sehr gute Verteidiger.» Luca Sbisa ist durch und durch ein Profi. Er beklagt sich nicht.
Es ist nicht so, dass Sean Simpson generell auf NHL-Verteidiger verzichtet. Im WM-Silberteam standen zwei (Roman Josi, Raphael Diaz) und hier in Sotschi sind sogar vier dabei (Josi, Diaz, Yannick Weber und Mark Streit).
Luca Sbisa wird zum Verhängnis, dass er unter Sean Simpson keine gute Vergangenheit hat. Er stand in den Versager-WM-Teams von 2011 und 2012. Beide Male reichte es nicht für die Viertelfinals und Simpson geriet in die Kritik.
Luca Sbisa ist ein solider Abwehrspieler nach nordamerikanischem Zuschnitt. Kein typisch europäischer Lauf- und Tempoverteidiger, der sich je nach Situation in einen vierten Stürmer verwandelt und in gegnerische Angriffszone stürmt.
Sean Simpson aber setzt auf Lauf- und Tempohockey. Zudem spielt Luca Sbisa seit 2007 ununterbrochen in Nordamerika. Zu weit weg um im Umfeld der Nationalmannschaft eine Lobby zu haben.
Es stimmt: Luca Sbisa spielte noch nie eine überragende WM. 2011 war er solid, 2012 mit einer Plus/Minus-Bilanz von -6 statistisch ungenügend. Aber auf der anderen Seite steht ein gutes Olympisches Turnier 2010 unter Ralph Krueger.
Sean Simpson setzt auf die WM-Finalhelden. Lieber Patrick von Gunten oder Eric Blum, die sich bei der Silber-WM bewährten als den an den WM-Turnieren glücklosen Luca Sbisa. Lieber den NLA-Spatz in der Hand als die NHL-Taube auf dem Dach. Silbernes Selbstvertrauen.
Reist Sean Simpson als Verlierer aus Sotschi ab, dann war der Verzicht auf Luca Sbisa ein fataler Irrtum. Für Sotschi können die Grossen, anders als bei der WM, auf alle NHL-Stars zurückgreifen. In den entscheidenden Spielen in werden sich hier unsere Verteidiger fast ausschliesslich mit NHL- Stürmern auseinandersetzen müssen. Bei dieser Ausgangslage auf Luca Sbisa zu verzichten, auf einen der sich seit vier Jahren Abend für Abend gegen die besten NHL-Stürmer im Kampf Mann gegen Mann bewährt – das ist wahrlich ein mutiger Entscheid.