Dass ein Eishockeyklub aus der dritten Liga an einem gewöhnlichen Mittwochabend gleich mit 50 Fans an ein Auswärtsspiel reist, ist ungewöhnlich. Beim HC Fischbach-Göslikon ist das aber in den Playoffs Tradition. Für das letzte Halbfinalspiel reisen die Fans mit einem vollen Car nach Wichtrach im Kanton Bern.
Der Altersdurchschnitt im Car ist höher als etwa bei einer Fahrt des Schweizer Meisters ZSC Lions. Viele der «FiGö»-Fans sind pensioniert, ihre Leidenschaft für Eishockey aber genau so gross wie beim Jungspund der Zürcher Lions.
Die Fans im Car sind gut gelaunt. Schliesslich kann ihr Hockeyklub heute Abend nichts mehr verlieren. Dank einem Torfestival im letzten Spiel ist der Finaleinzug nur noch Formsache. Obwohl alle gemeinsam an ein Eishockeyspiel reisen, gross Thema ist der Sport während der Fahrt nicht. Viel mehr sprechen die Fans über den Seniorenmittagstisch oder teilen Fotos ihrer Enkel.
Wer hier Fangesänge erwartet, der sucht vergeblich. Doch laut wird es bei den Fans noch später.
«Wohin wir wirklich gehen, wissen nicht alle», sagt einer. Er habe aber vorgängig die Karte studiert. Das Ziel der «FiGö»-Fans ist das Sportzentrum in Wichtrach. Das liegt zwischen Bern und Thun und ist an diesem Abend Spielstätte für die Partie zwischen dem HC Fischbach-Göslikon und dem SC Freimettigen.
125 Kilometer lang ist die Strecke, und vor allem die letzten zehn haben es in sich. Weil die Hauptstrasse gesperrt ist, muss der Car über Land und durch Quartiere. Als plötzlich ein Auto mit einem Pferdeanhänger entgegenkommt, bleibt der Car kurz stecken. «Jetzt können wir die letzten zwei Kilometer laufen», witzelt einer. Sein Sitznachbar korrigiert ihn nach einem Blick auf das Navi: «Es sind aber noch vier Kilometer.»
Dennoch schaffen es die Fans pünktlich ins Stadion. Ebenso wie 235 andere an diesem Abend. «FiGö»-Fan Daniel Seiler trägt eine Tasche mit sich. Darin hat er nicht etwa Rauchpetarden versteckt, sondern ein Trikot und eine Fahne. Zuerst klebt er einen Stock zusammen, dann hängt er das grosse Stück Stoff daran. Später wird er bei jedem der sechs Tore die Fahne schwingen. Seiler ist seit Kindsalter Fan des HC Fischbach-Göslikon. Sein Vater sei 1952 Gründungsmitglied gewesen, erzählt er stolz.
Unter den Fans sind Mütter von Spielern, ehemalige Hockeyaner des HC FiGö oder andere Sympathisanten aus dem Dorf. Da der Verein keine Schals verkauft, haben zwei Frauen selbst für die Fans gestrickt.
Als das Spiel beginnt, wird es laut. Die «FiGö»-Fans schütteln wie wild die mitgebrachten Kuhglocken und wollen ihre Spieler mit Zurufen zu einem Sieg peitschen. Der Start in die Partie ist aber alles andere als erfolgreich. So gehen die Freiämter in Rückstand. Die Fans schütteln enttäuscht den Kopf, als wäre das Spiel bereits verloren.
Die «FiGö»-Unterstützenden sind sich anderes von der Saison gewöhnt. Nur zweimal verlor ihr Team in dieser Saison. Bei allen anderen Partien gingen die Freiämter als Sieger vom Eis. Dass das Team so gut ist, habe auch mit dem Kader zu tun, sagt Daniel Seiler. Dass es mit diesem Kader auch für einen Aufstieg reicht, liegt auf der Hand. «Mir ist egal, ob wir in der zweiten oder dritten Liga spielen», sagt er aber. Auf seine Unterstützung kann der Verein sowieso zählen.
Und Seiler weiss nach zwei verhaltendem Dritteln: «Im dritten Drittel drehen sie auf, das ist immer so.» Er täuscht sich nicht. Der HC FiGö trifft gleich dreifach im letzten Spielabschnitt und gewinnt schliesslich mit 6:2. Ein älterer Mann mit Krücken sagt: «Bei so vielen Toren habe ich die Schmerzen vergessen.»
Zum 70-Jahr-Jubiläum wurde der HC FiGö 2022 zum ersten Mal Schweizer Meister. Nun steht der Verein erneut im Final und bestreitet diesen gegen den EHC Münchenbuchsee-Moosseedorf. «Jetzt müssen wir singen», sagt ein Herr bei der Rückfahrt im Car und stimmt gleich selbst an: «Finale, oh oh!»
Dass das erste von möglichen drei Finalspielen bereits heute Samstag startet, erfahren die Fans erst am nächsten Morgen. Aber träumen tut jeder davon, vor allem als pünktlich zur Ankunft daheim in FiGö die Schweizer Hymne im Radio ertönt und einer fragt: «Haben wir den Final jetzt bereits gewonnen?»