Auf dem Papier sind die ZSC Lions die bessere Mannschaft als Genf-Servette. Eine Tatsache, die – vom kleinsten Hockey-Experten bis zum grössten Wettanbieter – ein jeder absegnen kann.
Bekanntlich entscheidet im Sport aber nicht das Papier. Die Tagesform, der Austragungsort, die Zuschauer, im Teamsport Einzelleistungen und, nicht zuletzt, das Glück sind Faktoren. Und manchmal treten auch diese allesamt in den Hintergrund und zwei Minuten und zwei Männer entscheiden über Sieg oder Niederlage.
In der Serie zwischen den Lions und Genf läuft bis gestern Abend um 20.30 Uhr alles nach Papierform: Erst gewinnt der amtierende Meister am Dienstag das Auftaktspiel im Hallenstadion, dann hauen Luca Cunti und Morris Trachsler auch auf fremden Gefilden in den ersten zehn Spielminuten den Topchancen-Zähler nach oben und drücken auf den Führungstreffer.
Dann folgen die matchentscheidenden 94 Sekunden mit den matchentscheidenden zwei Aktionen der matchentscheidenden zwei Männer.
Erst wird ZSC-Goalie Lukas Flüeler mit diesem Löffel-Weitschuss aus der gegnerischen (!) Zone düpiert – ein Patzer der Extraklasse. Wenn alles nach Papierform läuft, hält Flüeler diesen Schuss.
Dann folgt der Personal-Fauxpas von Marc Crawford: Nach dem 2:0 durch Matt D'Agostini, bei dem Flüeler die Sicht verdeckt ist, wechselt der Zürcher Bandengeneral zum Erstaunen aller nach nur elf Spielminuten Ersatzgoalie Urban Leimbacher ein, der keine einzige Spielminute in den Playoffs und nur gerade knappe 200 in der gesamten Saison für die Lions in den Beinen hat.
19 Sekunden später ist auch der zum ersten Mal geschlagen und die Lions liegen mit 0:3 zurück. Crawford wechselt Flüeler wieder ein, der fünf Minuten später prompt den dritten persönlichen Gegentreffer kassiert.
Crawford hat mit seinem Entscheid den Untergang eingeleitet: Ein Torhüter vom Format eines Flüeler kann sich von zwei Rückschlägen erholen, zumal einer – aus Crawfords Sicht scheinbar der entscheidende – unverschuldet ist. Ein Torhüter vom Format eines Leimbacher dagegen kann einen verunsicherten ZSC nicht aus einem 0:2-Rückstand auf die Siegerstrasse hexen.
Der Lions-Coach erkennt seinen Fehler zu spät – und macht den Schlamassel noch grösser mit der erneuten Einwechslung seines mental angeschlagenen ersten Goalies.
Wenn alles nach Papierform läuft und Flüeler auf dem Eis bleibt, hält er seinen Kasten nach dem 0:2 sauber und seine Vordermänner drehen die Partie in den verbleibenden 50 Minuten. Doch den 0:3-Rückstand kann auch ein Top-Team gegen ein taktisch einigermassen auf der Höhe agierendes Servette nicht mehr drehen.
So bleibt auch die anschliessende Aufholjagd der Zürcher vom 0:5 zum 3:5 fruchtlos. Immerhin bleibt den Lions-Fans der Trost: Wenn alles nach Papierform läuft, zieht der ZSC trotz dieses Rückschlags in den Playoff-Final ein.