Es ist ein lustiges Bild, das sich zum Abschluss des Trainings am Mittwochmorgen im Rahmen des Prospect Camps des Nationalteams in Cham bietet. Der 1.95 m grosse Senn muss in voller Goalie-Montur auf dem Eis Purzelbäume schlagen. Das gehöre nach einer Niederlage dazu. «Bei mir sah es nicht so filigran aus, aber der Wille war da», sagt der 24-Jährige schmunzelnd.
Ein deutlich bessere Figur machte Senn in seiner ersten Saison in Nordamerika beim AHL-Team Binghamton Devils, dem Farmteam der New Jersey Devils, die ihn 2017 als Nummer 129 gezogen hatten. Und zwar eine solch gute, dass er bei seinem Team zum «Rookie des Jahres» gekürt wurde. «Es ist eine schöne Wertschätzung», erklärt Senn.
Pretty obvious!@GillesSenn won 13 of his last 15 starts. pic.twitter.com/y3Sk5TQwHT
— Binghamton Devils (@BingDevils) July 23, 2020
Dabei missriet ihm der Start gründlich. In den ersten beiden Ernstkämpfen für Binghamton kassierte er nicht weniger als neun Gegentore. Er benötigte Zeit, um sich an das kleinere Eisfeld, die anderen Winkel, die anderen Wege zu gewöhnen. Zwar lief es ihm im Training und den Trainingsspielen nach seinem Gefühl gut, «dennoch war ich im ersten ‹richtigen› Spiel etwas überfordert. Es war vom Speed her nochmals etwas anderes.»
Er hatte jedoch sehr gute Leute um sich herum, die ihm halfen. «Sie sagten mir, dass es kein Problem sei, wenn ich am Anfang Fehler machen würde, ich keine Angst haben dürfe, solche zu machen», so Senn. «Je länger die Saison ging, desto besser lief es mir.» Am Ende betrug die Abwehrquote 90.1 Prozent, in 13 seiner letzten 15 Einsätzen verliess er das Eis als Sieger. Insofern kam der Abbruch der AHL-Saison aufgrund der Coronavirus-Pandemie umso ungelegener. «Ich hätte noch viel mehr zeigen können.»
Das Ziel ist selbstredend die NHL. In dieser Saison konnte er bei den New Jersey Devils immerhin schon zweimal in der besten Liga der Welt schnuppern – einmal spielte er von Anfang an. «Dort ist die Genauigkeit im Spiel schon noch viel höher, und sie schiessen so oft wie möglich aufs Tor, wollen etwas kreieren. Da musst du als Goalie vielmehr dagegenhalten, darfst du nie den Fokus verlieren.» Es sei jedoch in jeder neuen Liga ein Prozess. Mit der Zeit falle es einem leichter, die Spieler zu lesen.
Bezüglich NHL setzt er sich allerdings nicht unter Druck, auch wenn er sich in der nächsten Saison selbstredend für mehr Einsätze empfehlen will. So oder so ist er froh, bei den New Jersey Devils einen Vertrag über zwei Jahre unterschrieben zu haben. «Sie (die Verantwortlichen) sind immer ehrlich mit dir. Sie waren zufrieden, wie ich mich steigern konnte.» Inwiefern hat er sich in seinem ersten Jahr in Nordamerika entwickelt? «Ich bin etwas reifer geworden, weiss nun, dass es noch viel mehr braucht, um ganz oben mitzuspielen.»
Damit weg von zu Hause zu sein, hatte er kein Problem. Schliesslich verliess er schon mit zwölf Jahren das Elternhaus und wohnte bei seiner Cousine – vor dem Wechsel zu Visp hatte er für Saastal gespielt. Mit 15 Jahren zog er nach Davos. Wie gefiel ihm das Leben in den USA? «Das passte mir gut. Es war mal etwas anderes. Ausserdem half die Organisation, wo sie konnte. Die Lebensqualität ist aber schon nicht die Gleiche wie hier in der Schweiz. Und die Amerikaner sind etwas oberflächlicher, deshalb war ich viel mit anderen Europäern zusammen.»
Wann genau die neue Saison in der AHL beginnt, ist Senn nicht bekannt. Er weiss lediglich, dass die Camps frühestens am 17. November starten können. «Vielleicht gehe ich schon im September rüber und trainiere dort, wenn es möglich ist.» Seit Anfang April ist er in Davos, wo er sich auch auch nach dem Prospect Camp nach den Plänen eines eigenen Konditionstrainers fit hält. Zudem hat er die Möglichkeit, mit dem HCD aufs Eis zu gehen. Einer guten zweiten Saison sollte also nichts im Weg stehen. (pre/sda)
Saisonstart-Weihnachten 2019
9 Siege, 17 Niederlagen, 4 Overtime-Niederlagen
Weihnachten 2019-Saisonabbruch
25 Siege, 7 Niederlagen und keine OT-Niederlage
Ja, Senn hatte definitiv nicht den optimalen Saisonstart erwischt. Das gilt aber für seine ganze Mannschaft. Nach den Festtagen kam aber der Turnaround und man hatte sich vom Liga-Keller bis zu einem sicheren Playoff-Platz hinaufgekämpft (St. Louis 2.0 quasi) und hätte wohl in der Postseason ein ernsthaftes Wörtchen mitreden können.