Freunde des taktischen Eishockeys hatten am Dienstagabend während des ersten Halbfinal-Duells zwischen dem EV Zug und dem HC Lausanne ihre helle Freude. Während sich die Waadtländer zurückzogen und die Angriffe des Gegners oft mit drei Mann auf der roten und zwei Mann auf der blauen Linie erwarteten, gingen die Zuger ihrerseits nur wenige Risiken ein.
So dauerte es bis zu Carl Klingbergs Treffer zu Beginn des zweiten Drittels, ehe sich das Spiel öffnete, weil auch die Lausanner gezwungen waren, etwas für die Offensive zu tun.
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— MySportsCH (@MySports_CH) March 26, 2019
Trotzdem glich das zähe Ringen auf dem Eis über weite Strecken eher einer langatmigen Schachpartie als einem aufregenden Hockeymatch – besonders im Vergleich zur spektakulären Serie gegen Lugano. Am Ende durfte das den Zugern herzlich egal sein. Sie gewannen das Spiel mit 3:1 und bleiben damit in den Playoffs unbesiegt.
Sie bewiesen damit auch, dass sie nicht nur wildes Tempohockey zelebrieren können, sondern auch auf disziplinierte Art und Weise zu ihrem Ziel kommen können. «Wir liessen uns nicht frustrieren, weil wir nur wenige Chancen hatten. Es war wichtig, dass wir geduldig bleiben», freute sich EVZ-Verteidiger Jesse Zgraggen
Es war in der Tat bemerkenswert, dass sich die Zuger nicht aus dem Konzept bringen liessen. Das Team, das in der Qualifikation am zweitmeisten Strafen aller zwölf National-Ligisten kassiert hatte, musste in diesem ersten Halbfinalduell nur einmal in Unterzahl agieren. «Wir wissen, dass Lausanne ein sehr gutes Powerplay hat. Deshalb haben wir uns vorgenommen, sehr diszipliniert zu agieren. Das haben wir ziemlich gut hingekriegt», lobte Zgraggen den smarten Auftritt der Mannschaft
Der Schweiz-Kanadier mit Urner Wurzeln war der überraschende Schütze des «Game-winning-Goals», des entscheidenden Treffers. Sein Schuss segelte an Freund und Feind vorbei ins Lausanner Tor zum 2:0. Ausgerechnet der Mann, der zuvor in der Meisterschaft in 54 Anläufen nie ins Schwarze getroffen hatte, durfte sich als Torschütze feiern lassen.
«Es hat lange gedauert», sagte er lächelnd. «Aber gerade jetzt brauchen wir die Tore, egal wer sie schiesst. Ich bin natürlich zufrieden, dass ich der Mannschaft so helfen konnte.»
Ja, Jesse Zgraggens Playoff-Erfolgserlebnis hat geradezu historische Dimensionen. In den bisherigen vier Saisons, die er in der Schweiz (bei Ambri-Piotta) gespielt hatte, durfte er gar nie eine Playoff-Partie bestreiten, weil er mit der Mannschaft seines letzten Arbeitgebers den Sprung unter die besten acht Teams nie schaffte.
Der Zufall will es, dass sein letzter Playoff-Treffer auf den Tag genau fünf Jahre zurückliegt. In einem PlayoffSpiel seines damaligen Junioren-Teams Regina Pats, in der kanadischen Western Hockey League, am 26. März 2014 hatte Jesse Zgraggen letztmals getroffen. Das ist so lange her, dass sich der 25-Jährige, der mit seinem PlayoffBart wie ein waschechter kanadischer Holzfäller aussieht, gar nicht mehr daran erinnern kann.
Erst, nachdem man ihm auf die Sprünge hilft, kommen die Bilder zurück: «Jetzt sehe ich es wieder vor mir. Es war, glaub ich, ein Ablenker.» Ein Blick ins Zeitungsarchiv bestätigt Zgraggens Vermutung. Der Verteidiger befand sich vor dem gegnerischen Tor und lenkte dort einen Handgelenkschuss eines Teamkollegen entscheidend ab.
Ansonsten sind die Erinnerungen an jene Playoff-Serie für Jesse Zgraggen wenig erfreulich. Er schied mit seinem Team mit 0:4 Niederlagen aus, ehe er sich in Richtung Schweiz verabschiedete.
Jetzt sind die Erfolgsaussichten mit dem EV Zug ungleich vielversprechender. Zgraggen hat sich in der Zuger Defensive zu einem sicheren Wert entwickelt. Man darf davon ausgehen, dass heute Abend in Lausanne ein anderer Wind weht. Und Jesse Zgraggen wieder dort seine Spuren hinterlässt, wo er eigentlich zu Hause ist: vor dem eigenen Tor.