Eigentlich reicht schon eine Szene, um zu erklären, weshalb Erik Karlsson als guter, ja vielleicht bester Verteidiger der NHL gilt. Zugetragen hat diese Szene sich in der Nacht auf Freitag, beim ersten Spiel des Conference-Halbfinals zwischen den Ottawa Senators und den New York Rangers.
Der Schwede trifft aus eigentlich unmöglichem Winkel gegen den sonst bärenstarken Henrik Lundqvist – im letzten Drittel, wenige Minuten vor Schluss, als es 1:1 stand. Karlsson trifft also nicht nur, er trifft auch dann, wenn es wichtig ist. Seine offensive Klasse ist aber nicht die einzige Stärke des Verteidigers. Obwohl es Leute gibt, die das anders sehen, bringt Karlsson das komplette Paket für den Erfolg mit.
Der 26-Jährige ist einer der besten Skater der ganzen NHL. Er kann den Puck in der eigenen defensiven Zone aufnehmen und ihn scheinbar mühelos ins Angriffsdrittel befördern. Auch an der gegnerischen blauen Linie kann er die Scheibe zu jedem Zeitpunkt kontrollieren und etwas Produktives damit anstellen.
Das macht es für die gegnerischen Teams extrem schwierig, gegen ihn zu verteidigen. Einem Spieler von Karlssons Format darf man keinen Zentimeter zu viel Platz schenken. Des Weiteren kommt Karlsson dadurch auf extrem viel Puckbesitz.
Karlssons Übersicht und seine Qualität, den perfekten Pass zu spielen, sind wohl weltweit unerreicht. Der 26-Jährige sieht immer irgendwo einen Mitspieler und schafft es, diesen tatsächlich auch einzusetzen.
Karlsson hat so mehr «primary points» – also Tore und Pässe, die direkt zum Tor führen – angesammelt als alle anderen Verteidiger in der NHL. 296 direkte Punkte sind es insgesamt und damit 34 mehr als bei seinem nächsten Verfolger Brent Burns, der ebenfalls ein absoluter Weltklasse-Verteidiger ist. Karlsson dirigiert und orchestriert das Spiel der Senators von der blauen Linie aus.
Bei den Schüssen aufs Tor liegt der Schwede «nur» auf Rang 30 der Liga. Wenn man aber alle Schussversuche zusammenrechnet, ist Karlsson auch da mitten in der Ligaspitze. Seit er in der NHL spielt, hat er nämlich knapp 3750 Schussversuche zu verzeichnen. Nur Alexander Owetschkin, Phil Kessel und Brent Burns haben da noch bessere Werte.
Dafür ist Karlsson am besten bekannt. Er ist der Verteidiger in der NHL, der über die letzten sechs Saisons die meisten Punkte gesammelt hat. Oder in Zahlen ausgedrückt: Seit 2011 skorte Karlsson in 421 Regular-Season-Spielen 385 Punkte. Das sind 98 Skorerpunkte mehr als der zweitbeste Verteidiger in dieser Zeitspanne, Dustin Byfuglien.
Rechnet man das runter, kommt der Schwede auf 0,91 Punkte pro Spiel. In einer Periode über fünf Saisons. Als Verteidiger. In einem Team, das während dieser Zeit nicht zu den besten der Liga gehörte. Das ist schon beeindruckend.
Entgegen der einschlägigen Meinung vieler NHL-Fans überzeugt Karlsson auch in der eigenen Zone. In seiner gesamten Karriere haben sich beim Schweden über 400 Puckeroberungen angehäuft. Mit diesem Wert ist er in den Top Ten der gesamten Liga. Bei den geblockten Schüssen mischt er nicht ganz so weit vorne mit (ist aber immer noch unter den besten 50 Verteidigern klassiert), was aber auch daran liegt, dass ein Verteidiger, der den Puck so oft selbst führt, auch weniger Schüsse blocken muss.
Als Verteidiger kann Karlsson natürlich ab und an auch die Brechstange auspacken und kernige Checks austeilen. Er kann ausserdem auch einstecken. So hat der 26-Jährige erst gerade bekannt gemacht, dass er seit Ende März mit zwei Haarrissfrakturen in seiner linken Ferse spielt.
Der Name Erik Karlsson steht auch immer wieder für brillante Ideen und Tricks. Jüngstes Beispiel ist der hohe 40-Meter-Pass, mit dem er ein Tor seines Teamkollegen Mike Hofmann ermöglicht.