39 Sekunden vor dem Ende der regulären Spielzeit stürzt Adam Jecho Kanada ins Verderben. Der 18-jährige Stürmer trifft zum 4:3 für Tschechien und sorgt dafür, dass Kanada zum zweiten Mal in Serie den Halbfinal an der U20-Eishockey-WM verpasst. Das ist in der über 50-jährigen Geschichte des wichtigsten Nachwuchsturniers erst einmal vorgekommen: Zwischen 1979 und 1981 verpasste Kanadas U20 gar dreimal in Folge die Halbfinals.
So richtig überraschend ist das vorzeitige Out allerdings nicht. Die Ahornblätter verloren in der Gruppenphase schon gegen Lettland und waren gegen die Erzrivalen aus den USA quasi chancenlos. Fehlen dem Mutterland des Eishockeys etwa die Talente? Nein. Die Krise ist zwar hausgemacht, aber für die Fans und Experten gibt es klare Sündenböcke – und die sitzen in der Führungsetage des Verbands.
Das begann schon mit der Zusammensetzung des Teams. Die Management-Gruppe um Peter Anholt und Brent Seabrook entschied sich dafür, auf defensives Gewissen und Physis statt auf Talent zu setzen. Mit Michael Misa und Beckett Sennecke wurden zwei der besten Skorer der kanadischen Nachwuchsliga OHL zuhause gelassen. Auch Michael Hage durfte nicht mitmachen, mutmasslich weil er ein US-College den kanadischen Juniorenligen vorzog. Stattdessen wurden weniger talentierte Energiespieler für das Turnier in Ottawa aufgeboten.
So war es keine Überraschung, dass Kanada Mühe hatte, Tore zu schiessen. Mit 13 Treffern waren die Ahornblätter nur einmal mehr erfolgreich als die Schweizer, die im Viertelfinal sang- und klanglos ausschieden, oder die Deutschen, die sich in der Abstiegsrunde gegen Kasachstan retteten. Zudem hatte die Mannschaft mit grossen Disziplinproblemen zu kämpfen und nahm von allen Teams an der WM mit Abstand die meisten Strafminuten mit.
Auch bei den Verteidigern verzichtete der Verband auf gute Offensivspieler (zum Beispiel Carter Yakemchuk oder Zayne Parekh), die ein Powerplay dirigieren können. Und als dann Matthew Schaefer ausfiel, ein Top-Prospect für den Draft im kommenden Sommer, hatte Kanada plötzlich keinen Erfolg mehr in Überzahl.
Grosse Kritik gibt es für den Verband auch wegen der Trainerwahl. Der 66-jährige Dave Cameron schaffte es einfach nicht, die jungen Spieler zu einer Mannschaft zu formen. Kein Wunder, zwischen der Gruppen-Niederlage gegen die USA am 28. Dezember und dem Viertelfinal-Out gegen Tschechien haben sie kein einziges Training abgehalten. «Wir waren zu erschöpft», begründet Cameron die kuriose Entscheidung. Andere Teams, die gleich viele Spiele absolviert hatten, hielten durchaus Trainings ab.
All das zeigt: Ein Talentmangel herrscht in Kanada definitiv nicht. Aber man müsste die besten verfügbaren Spieler dann auch an die Turniere mitnehmen und einen Trainer anstellen, der das Beste aus ihnen rausholen kann. Die kanadischen Fans fordern jedenfalls, dass der Verband bei der Team-Zusammenstellung auf allen Leveln gründlich über die Bücher geht – auch im Ausblick auf die Olympischen Spiele von 2026.