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National League: So haben die SCRJ Lakers den Aufstiegsblues überwunden

SC Rapperswil-Jona Lakers Torhueter Melvin Nyffeler nach dem Eishockey-Meisterschaftsspiel der National League zwischen den SC Rapperswil-Jona Lakers und dem EV Zug am Dienstag, 24. September 2019, in ...
Auf ihn ist fast immer Verlass: Rappi-Torhüter Melvin Nyffeler.Bild: KEYSTONE

Eine Frage des Charakters – wie die SCRJ Lakers den Aufstiegsblues überwunden haben

Die Rapperswil-Jona Lakers zeigen sich im zweiten Jahr nach dem Wiederaufstieg in die National League wesentlich konkurrenzfähiger. Das ist nicht zuletzt eine Frage des Charakters.
10.10.2019, 15:4510.10.2019, 17:28
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Der Gang ist eng, links vom Eingang stapeln sich in einem Abstellraum ohne Tür Kartonschachteln. Die Geschäftsstelle der SC Rapperswil-Jona Lakers ist nichts für Blender. Sie macht gleich klar: Hier zählt solide Arbeit mehr als eine noble Erscheinung. Das passt zu einem Verein und einer Mannschaft, die kleine Brötchen backt, aber über sich hinauswachsen will. Nach gut einem Fünftel der aktuellen Meisterschaft ist man am Obersee dem Ziel Playoffs schon mal deutlich näher als vor einem Jahr.

ZUM BEGINN DER NATIONAL LEAGUE SAISON 2019/20 AM FREITAG, 13. SEPTEMBER 2019, STELLEN WIR IHNEN FOLGENDE PORTRAITS VON JEFF TOMLINSON, HEADCOACH SC RAPPERSWIL-JONA, ZUR VERFUEGUNG --- Jeff Tomlinson,  ...
Auch in der Garderobe der Lakers ist es eng.Bild: KEYSTONE

In der Aufstiegssaison wiesen die Lakers nach zehn Spielen nur gerade einen Sieg (drei Punkte) und eine Tordifferenz von 9:32 auf. Nun haben die St. Galler zum gleichen Zeitpunkt fünf Siege und zwölf Punkte auf dem Konto. Sie liegen nur einen Zähler hinter dem Titelverteidiger Bern auf dem 9. Platz, haben 22 Treffer geschossen und 27 erhalten. Die Bilanz ist also in allen Belangen besser als letzte Saison, als man am Ende nur deshalb um die Ligaqualifikation herum kam, weil Swiss-League-Meister Langenthal verzichtete.

«Wir sind in etwa da, wo wir es uns erhofft haben», sagt Sportchef Janick Steinmann. Doch er schiebt sofort nach: «Wir sind dennoch unter dem Strich, wir haben noch nichts Weltbewegendes erreicht.» Egal, ob man Zürich, Bern, Rapperswil oder Langnau sei, der Anspruch müsse immer der gleiche sein. «Im Sport musst du immer gewinnen wollen», betont der ehemalige Center von Zug, Davos, Kloten und Lugano mit 496 NLA-Spielen.

Cervenka und Rowe sind der Schlüssel

Zwei Spieler sind für Coach Jeff Tomlinson der wichtigste Grund, warum sein Team in dieser Saison öfter gewinnt als vor einem Jahr: Roman Cervenka und Andrew Rowe. Der Tscheche, einer der begabtesten Spieler auf Schweizer Eis, war bei den ZSC Lions nach einer verletzungsgeplagten Saison nicht mehr erwünscht. Bei den Lakers fand er seine Treffsicherheit wieder. Cervenka erzielte in drei Spielen in Folge in der Verlängerung das Siegestor. Wie wertvoll er ist, zeigt sich aktuell: Seit er sich erneut verletzt hat, hat der SCRJ nur eines von fünf Spielen gewonnen.

Andrew Rowe war vor dieser Saison einer der grossen Unbekannten. Der Amerikaner aus dem Hockey-Staat Michigan («Wir sind so nahe an der Grenze, dass wir fast schon Kanadier sind.») war mit Mora aus der schwedischen SHL abgestiegen und suchte eine neue Herausforderung. Er hätte ohne Probleme einen anderen Klub in Skandinavien gefunden. Lachend erinnert sich Tomlinson an ein Gespräch mit dem General Manager eines schwedischen Klubs: «Holt ihn weg von hier», habe dieser gesagt. Er wolle nicht mehr gegen Rowe spielen.

Rapperswiler Andrew Rowe freut sich im Eishockeyspiel der National League zwischen den Rapperswil-Jona Lakers und dem ZSC Lions am Samstag, 21. September 2019, in der St. Galler Kantonalbank Arena in  ...
Andrew Rowe hat sich in Rappi in kürzester Zeit als Leader etabliert.Bild: KEYSTONE

Tatsächlich hinterliess der 31-Jährige auch in Rapperswil sofort einen nachhaltigen Eindruck. «Er ist ein Charakter-Typ, ein geborener Leader», schwärmt Tomlinson. «Wenn er in einen Raum tritt, spürt jeder seine Aura.» Das Team wählte den Neuen prompt zum Captain. Eine Wahl, die natürlich vom Coach bestätigt werden musste, was dieser noch so gerne tat. «Ich bin super begeistert über die Wahl.»

Sportchef Steinmann hört den Begriff Königstransfer allerdings nicht gerne. Er erwähnt zum Beispiel Nico Dünner, der aus der Swiss League von Langenthal kam. «Was er in jedem Einsatz leistet, ist beeindruckend und extrem wichtig für die Mannschaft.» Auch bei ihm fällt das Wort «Charakter» mehr als einmal. «Wir sind ähnlich wie Ambri oder der SCL abhängig von guten Charakteren. Wir brauchen alle, um zu gewinnen.» Es ist kaum Zufall, dass Steinmann Ambri und die SCL Tigers als Beispiel nennt. Die beiden Teams schafften im letzten Jahr mit relativ bescheidenen Budgets überraschend die Playoffs und sind damit ideale Vorbilder für Rapperswil-Jona.

Die SC Rapperswil-Jona Lakers Spieler feiern mit den Fans nach dem 4-3 Sieg in der Verlaengerung im Eishockey-Meisterschaftsspiel der National League zwischen den SC Rapperswil-Jona Lakers und dem EV  ...
Einen solch ordentlichen Saisonstart hat den Lakers kaum einer zugetraut.Bild: KEYSTONE

Dass es dies noch immer mit Jeff Tomlinson an der Bande tut, passt zur unaufgeregten Art am Oberen Zürichsee. Er hätte die letzte Saison mit 46 Niederlagen in 61 Spielen wohl in keinem anderen Klub überstanden. «Chapeau. Es ist stark vom Management, dass es ihm immer den Rücken gestärkt hat», sagt Steinmann, der daran noch nicht beteiligt war. Er trat seinen Job erst im Mai dieses Jahres an.

«Ja und nein», meint Tomlinson selber auf die Frage, ob ihn das überrascht habe. «Es ist nicht normal, aber sie kannten auch die Umstände.» Er findet auch, dass die Medien sehr objektiv über die sportliche Situation berichtet hätten. Das unterscheide die Schweiz von Deutschland, wo er einen grossen Teil seiner Spielerkarriere verbracht und in Berlin, Düsseldorf und Nürnberg als Trainer gearbeitet hatte, ehe er vor gut vier Jahren nach Rapperswil wechselte. «Die Schweiz ist eine Hockey-Nation, die Leute verstehen viel mehr von Hockey.»

Den Aufstiegs-Blues überwunden

Der gebürtige Kanadier mit deutschem Pass glaubt, im ersten Jahr nach dem Wiederaufstieg einiges dazu gelernt zu haben. «Letztes Jahr hatten wir eine Art Aufstiegs-Blues», erklärt er. «Weil wir im Cup (die Lakers waren im Aufstiegsjahr auch Cupsieger) viele A-Teams zum Teil deutlich geschlagen hatten, dachten viele, das gehe so weiter. Der Alltag ist aber viel härter.» Daran haben er und seine Spieler sich nun besser gewöhnt.

Rapperswils Cheftrainer Jeff Tomlinson gibt seinen Spielern vor der Verlaengerung Anweisungen im Eishockey Meisterschaftsspiel der National League zwischen dem EHC Biel und SC Rapperswil-Jona Lakers,  ...
Tomlinson will seine Mannschaft mit ehrlicher, harter Arbeit Tag für Tag weiterbringen.Bild: KEYSTONE

Übermütig wird beim SCRJ aber keiner. «Wir werden nie der Liga-Krösus sein», ist sich Sportchef Steinmann im Klaren. Deshalb investiert man bei den Lakers auf allen Ebenen lieber in Charakter als in Glamour und schönen Schein. (pre/sda)

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15 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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scotch
10.10.2019 16:02registriert September 2018
Sehr objektiver Bericht über den SCRJ, coole Sache 👍
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Steven86
10.10.2019 16:21registriert März 2016
Seit dem Abstieg geht es mit kleinen Schritte vorwärts. Das gefällt mir. Wenn man so weiter macht sehen wir vielleicht in der nahen Zukunft wiedermal ein Play Off Spiel.
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Pegi9999
10.10.2019 16:52registriert November 2016
Nur durch weitere gute, harte Arbeit kann Rappi in der Zukunft mit den Playoffs liebäugeln.
Es macht freude, dass die Geschäftsleitung sich dessen sehr wohl bewusst ist und bisher keine nerven gezeigt hat.

Mit dem neuen Sportchef Steinmann scheint man bisher ein glückliches Händchen gezeigt zu haben.

Ein Kränzchen muss man einfach Jeff binden.
Mit seiner schweren Krankheit trotzdem noch genug Energie und engagement für die Familie und die 1. Mannschaft zu haben... unglaublich. Das können nur die wenigsten.
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