Der watson-Eismeister Klaus Zaugg blickt auf die neue National-League-Saison voraus, die am 14. September beginnt. In umgekehrter Reihenfolge seiner Prognose nimmt er alle Klubs der Liga unter die Lupe. Heute der vierte von 14 Teilen – der Lausanne HC.
Wundertüten enthalten billigen Ramsch. Daher stimmt der Vergleich nicht ganz. Lausanne ist zwar eine Hockey-Wundertüte. Aber mit sehr teurem Inhalt. Der charismatische, unberechenbare Petr Svoboda, Boss aller Bosse, ist die Hockey-Antwort auf Christian Constantin. Mit dem Unterschied, dass er – anders als Constantin in Sion – nur das Geld anderer Leute verpulvert. Lausanne ist das einzige Hockey-Unternehmen in ausländischem Besitz mit dem russisch-amerikanischen Doppelbürger Gregory Finger als Mehrheitsaktionär.
Seit Petr Svoboda im Frühjahr 2020 das Kommando übernommen hat, sind ein Sportchef, zwei Trainer und zwölf Spieler aus gültigen Verträgen verabschiedet und gemäss einer Aussage von Petr Svoboda (in der Lokalzeitung «24 Heures») 40 Millionen investiert worden. Aber über den Halbfinal ist die Mannschaft noch nie hinausgekommen.
Kein anderes Hockeyunternehmen hat in den letzten zwei Jahren so viel Geld ausgegeben. Die Mannschaft ist trotzdem nicht besser als 2020. Sie funktioniert, weil in der Kabine die Hockey-Romantik lebt und die Spieler durchaus ihren Spass haben. Schliesslich wird nirgendwo in der Schweiz so viel Geld bezahlt und so wenig Leistung gefordert. Die Mannschaft mag nicht stark genug sein, um Meister zu werden.
Aber sie ist gut genug für erstklassige Unterhaltung und man weiss – wie bei einer Wundertüte – an keinem Abend, was auf dem Eis zum Vorschein kommen wird, und jeden Tag muss mit einer wundersamen Personalentscheidung in Petr Svobodas Büro gerechnet werden: Knallgas in der Wundertüte.
Das gilt ausgerechnet auch für die zentrale Position der Torhüter. Tobias Stephan und Ivars Punnenovs wären – wenn sie ihr bestes Hockey spielen – eines der besten Torhüterduos der Liga. Aber beide waren in der letzten Saison so lotterig wie noch nie in ihrer Karriere. Die Fragen sind, ob Ivars Punnenovs robust genug ist, um erstmals eine ganze Saison lang die Verantwortung einer Nummer 1 zu schultern. Und wie gut Tobias Stephan bei seinem Ritt in die untergehende Sonne seiner Karriere noch im Sattel zu sitzen vermag.
Zu viele personelle Wechsel auf allen Ebenen, horrende Kosten und letzte Saison ein Verlust von 14 Millionen Franken. Vielleicht vermögen wir monetär nicht gross genug zu denken und es mag sein, dass wir nicht würdig sind, die Weisheit von Petr Svoboda zu erkennen. Aber mit nüchternem Verstand betrachtet, kommen wir zum Schluss: Der HC Lausanne ist mehr Kasino als Hockey-Firma, lebt auf zu grossem Fuss und inzwischen hat auch der Ruf gelitten. Wer vom deutschsprachigen Kernland nach Lausanne wechselt, tut das oft des Geldes und nicht des sportlichen Ruhmes wegen.
Kein Wunder, konnte Christoph Bertschy, der wichtigste Schweizer Einzelspieler, nicht gehalten werden. Der HC Lausanne kann die Mittel für den wilden Ritt nicht aus eigener Kraft erwirtschaften und ist komplett von Mehrheitsaktionär Grégory Finger abhängig. Ein Ausstieg des amerikanisch-russischen Doppelbürgers kann nie ausgeschlossen werden.
Das wäre zwar nicht das Ende: Die Stadt Lausanne und die umliegenden Gemeinden würden nach Wehgeschrei den Klub retten. Aus den formidablen Voraussetzungen – hochmodernes Stadion, ein loyales, fachkundiges, begeisterungsfähiges Publikum und eine starke Wirtschafts-Region – müsste es möglich sein, eine der sportlich und wirtschaftlich erfolgreichsten Hockey-Firmen aufzubauen. Das gelingt sei Jahren nicht.
Die Mannschaft ist wegen des unberechenbaren Managements schwierig einzuschätzen. Eine signifikante Verbesserung ist auf dem Transfermarkt nicht gelungen und es gibt Fragen um die Goalies: Der zerbrechliche Ivars Punnenovs und der Veteran Tobias Stephan sind wahrscheinlich das zweit- oder drittschwächste Goalie-Duo der Liga. Wenn Manager Petr Svoboda auf dieser Position bei Bedarf erfolgreich mit ausländischem Personal nachrüsten sollte und die Autorität von Trainer John Fust weiterhin nicht in Frage gestellt wird, dann kann Lausanne in die obere Tabellenhälfte klettern. Aber eine Verbannung in die Kellermeisterschaft können wir keineswegs vollständig ausschliessen.