Im exakt richtigen Moment in bester Verfassung zu sein, ist ein untrügliches Merkmal einer Equipe mit ausgeprägter Winner-Mentalität. Den Sinn für das perfekte Timing haben die Lions in ihrer Dynastie über Jahre hinweg geschärft. Sie waren gedanklich zwar auch in der diesjährigen Knock-out-Phase nicht immer vollumfänglich bei der Sache, aber unter Druck ausnahmslos am besten, fast schon unantastbar.
Und die ZSC Lions sind auf hohem Niveau anpassungsfähig und offenbar in jeder Lage zur imposanten Anhebung ihrer Schubkraft befähigt. Dem High-Energy-Modus der Bündner entgegneten sie ihrerseits mit einem Tempo, das selbst beim früheren Stanley-Cup-Sieger Marc Crawford einen Wow-Effekt auslöste: «Oh mein Gott, war das schnell.» Seit seiner Ankunft in der Schweiz habe er kaum etwas Vergleichbares gesehen.
Im Gegensatz zum SC Bern liess sich der Titelhalter ohne falsche Zurückhaltung auf das «Speed-Date» ein – für Crawford keine Überraschung: «Man muss immer auf alles vorbereitet sein – auf enge Spiele, auf Rückstände, auf Wenden. Dafür ist dieser Klub inzwischen bekannt.» Das Team des früheren NHL-Trainers fand beim makellosen Auftakt gegen den HC Davos tatsächlich auf allen Ebenen die richtige Lösung.
Innerhalb von etwas mehr als vier Wochen nahm der ZSC in seinem (Meister-)Drehbuch spürbare Korrekturen vor. Turbulenzen wie im teilweise fahrlässigen «Sparring» gegen den krassen Aussenseiter Biel (4:3) waren schon im Duell mit dem unbequemen Genève-Servette (4:2) nicht mehr zu beobachten. Seit die Lions die Komfortzone verlassen haben, ist der Spielraum der Konkurrenz markant kleiner geworden.
Bei der Final-Ouvertüre spielten die Stadtzürcher die Vorzüge ihres gesamten Repertoires aus. Auf den forschen Beginn der Gäste reagierten sie mit unaufgeregter Puckkontrolle. Die Härte von Arno Del Curtos beträchtlicher Checker-Fraktion um Dino Wieser perlte an ihnen ab. Und im Zusammenhang mit den Muskelspielchen von Dick Axelsson wählte Zürichs Abwehr-Bodyguard Henrik Tallinder die gleiche Sprache.
«Wir haben ihnen praktisch nichts zugestanden», bilanzierte Keeper Lukas Flüeler. Matchwinner Reto Schäppi, der kurz vor der zweiten Pause mit seinem ersten Playoff-Treffer auf 2:0 erhöht hatte und so die Davoser Energiezufuhr endgültig kappte, wertete die Performance mit taktischem Blick auf die Fortsetzung als solid – keine Spur mehr von der Genügsamkeit der Viertelfinals.
Im Team der Lions legt offiziell zwar niemand Wert auf statistische Eckpunkte, im Hinterkopf dürften die beeindruckenden Zahlen gleichwohl verankert sein. Gegen den HCD zelebrierte die erfolgreichste Hockey-Organisation der letzten 15 Jahren in der dritten Endspielserie seit der erfolgreichen Wende gegen Bern 2012 den achten Sieg in Folge – drei gegen den SCB, vier gegen Kloten und nun das überzeugende 3:0 im ersten Rendez-vous mit dem Rekordchampion.
Noch ist es selbstredend verfrüht, Davos im Klassiker der erfolgreichsten Klubs seit der Jahrtausendwende einen ungemütlichen Verlauf zu prognostizieren. Die Faktenlage hingegen spricht nicht für Del Curtos Ensemble. Seit bald eineinhalb Jahren bemüht es sich nahezu vergeblich um die Entschlüsselung des ZSC-Passworts.
Die Bilanz der aktuellen Saison spuckt aus Sicht der Bündner tiefrote (ZSC-)Zahlen aus. Fünfmal in Folge verliessen sie den Rink als Verlierer, nur eine von sieben Partien endete wunschgemäss. Vor allem das deprimierende Torverhältnis von 5:18 wirft Fragen auf. Gegen keine andere Equipe fiel der Output derart enttäuschend aus.