Wenn ein Klub mit einem Spieler, Manager oder Trainer verhandeln will, der bei der Konkurrenz noch einen weiterlaufenden Vertrag hat, so gibt es eine Anstandsregel: Vor dem ersten Gespräch wird beim Präsidenten angefragt, ob man verhandeln dürfe.
Was nicht geht und gegen alle Hockey-Sitten, Regeln und geschriebenen und ungeschriebenen Gesetze verstösst: Verhandlungen hinter dem Rücken der Verantwortlichen. Das hat SCB-Manager Marc Lüthi getan und Davos Sportchef Raëto Raffainer in einer Geheimaktion ausgespannt.
HCD-Präsident Gaudenz Domenig ist stocksauer. Und das will etwas heissen. Der kluge Anwalt lässt sich nicht zu einer Polemik hinreissen. Das ist nicht sein Stil. Aber der Ärger ist aus seiner Stimme herauszuhören und sein vornehmer, leiser Groll kann unheilverkündend sein wie fernes Donnergrollen hinter dem Horizont. Er sagt: «Wir haben vom Wechsel zum SCB erst erfahren, als Raëto Raffainer die Kündigung eingereicht und erklärt hat, er gehe nach Bern.» Und wie lange ist das her? «Ein paar Tage.» Das passt: Vor ein paar Tagen hat der SCB Chris McSorley abgesagt und dann «panikartig» nach einem neuen Mann gesucht – und ihn gefunden.
Das Problem in dieser Sache: Auch nach der ordentlichen Kündigung läuft Raëto Raffainers Vertrag in Davos noch über das Saisonende hinaus. Gaudenz Domenig macht seinem abtrünnigen Sportchef keinen Vorwurf. «Die Schweizer Transfers und die Vertragsverlängerungen sind gemacht. Wir haben etwas Zeit mit der Neuorganisation der Sportabteilung. Aber wir haben nicht viel Zeit und sind alles andere als erfreut, dass wir so unverhofft eine unserer wichtigsten Führungskräfte verlieren.»
Gaudenz Domenig muss in der Sache keinen Anwalt konsultieren. Er ist selber einer. Klar ist: Eigentlich müsste Raëto Raffainer seine Arbeitszeit in Davos bis zum Ende des gekündigten Vertrages absitzen. Ohne Freigabe durch den HCD darf er nicht für den SCB arbeiten. So will es der Anstand, so will es das Gesetz. Und das würde bedeuten: über diese Saison hinaus in Davos bleiben.
Gaudenz Domenig sagt, es mache keinen Sinn, Raëto Raffainer Steine in den Weg zu legen. Der HCD wird seinem scheidenden Sportdirektor zeitnah erlauben, die neue Stelle in Bern anzutreten. Aber nicht gratis.
Gaudenz Domenig führt aus: «Wir sind durch die Kündigung überrascht worden und machen uns nun daran, die Situation zu analysieren.» Was seine Laune nicht verbessert: Der SCB hat zwar offiziell angefragt, ob mit Johan Lundskog, dem Assistenten von Cheftrainer Christian Wohlwend Gespräche über eine Anstellung als Cheftrainer für die nächste Saison geführt werden dürfen. Was der HCD erlaubt hat. Das man mit Raëto Raffainer verhandelt, ist hingegen sorgsam verschwiegen worden. Wahrlich, schlechter Stil.
Der HCD-Obmann offenbart wohlweislich nicht in welcher Form und Höhe der HCD vom SCB Kompensation und Genugtuung für die formelle Freigabe seines Sportchefs fordern wird. Aber er lässt unmissverständlich durchblicken, dass in dieser Sache noch lange nicht das letzte Wort gesprochen ist. Und am Ende wird es eine Medienmitteilung geben, man habe sich in konstruktiven Gesprächen gütlich geeinigt. Und die Kompensation vornehm verschweigen.
Marc Lüthis schlechter Stil wird den SCB womöglich sechsstellig Geld kosten. Bereits jetzt hat der SCB die teuerste Sportabteilung unserer Hockeygeschichte – neben dem neuen Sportchef werden weiterhin die «abgesetzten» bzw. neu ins Organigramm eingefügten Vorgängerinnen und Vorgänger (Florence Schelling, Alex Chatelain) gelöhnt. Und nun noch eine Ablöse für den neuen Sportchef, die bei stilvollem Vorgehen hätte vermieden werden können. Eine solche Verschwendung lässt ohne jede Boshaftigkeit eigentlich nur einen Schluss zu: Der SCB schwimmt offensichtlich im Geld.
Allerdings hat Marc Lüthi den neuen Sportchef nicht mit Geld, nicht mit einem überrissenen Salär geködert. Raëto Raffainer erklärt freimütig: «Ich verdiene beim SCB nicht mehr als beim HCD.» Was hat ihn dann zum Wechsel motiviert? «Ich kann beim SCB mehr strategisch tätig sein und muss mich nicht mehr um alle Details im sportlichen Alltag kümmern.» Was er nicht sagt: Die Sportabteilung beim SCB zu führen ist halt schon cooler als der gleiche Job in Davos oben.
Der neue Chef der Sportabteilung wird allerdings in Bern vorerst nicht darum herumkommen ins Tagesgeschäft einzugreifen. Der SCB braucht gerade im sportlichen Alltag – Scouting, Vertrags- und sonstige Gespräche – dringend Hilfe. Er legt seine Vorstellungen vom neuen Job so dar: «Natürlich werde ich Spiele besuchen und ab und zu auch in der Swiss League vorbeischauen.» Aber die tägliche Arbeit werde Florence Schelling machen. Und wer entscheidet? «Wenn beispielsweise ein Spieler verpflichtet oder ein Vertrag verlängert werden soll, dann frage ich Florence Schelling warum und will die richtigen Argumente hören. Und natürlich muss alles in den vorgegebenen Budgetrahmen passen.» Leute beschäftigt der SCB in der Sportabteilung wahrlich genug, um diese Argumente zusammenzutragen.
Wie es in Davos weitergehen wird, kann Gaudenz Domenig noch nicht sagen. Bei der Aufarbeitung des «Falles Raffainer» ist er nach allen Seiten offen. «Wir wissen noch nicht, wie wir die Nachfolge regeln, ob wir einen Sportchef oder eine Sportchefin verpflichten…»
Jedenfalls beste Unterhaltung wenn schon auf dem Eis nix los und neben der Corona & Trump Artikel-ohne-Inhalt Schwemme. 🤩
Fragt sich halt, ob das die involvierten Parteien möchten. Meiner Meinung nach wäre McSorley für jeden NL-Club ein Gewinn.
in der tat, schlechter stil.