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National League: Neu 2 Jahre Stadionverbot bei Wurfgegenständen auf dem Eis

Fanartikel und Becher liegen nach dem sechsten bzw. letzten Eishockey Playoff-Finalspiel der National League zwischen den ZSC Lions und dem EV Zug am Freitag, 29. April 2022, im Zuercher Hallenstadion ...
Becher, Münzen und Feuerzeuge fliegen im Schweizer Eishockey besonders gerne aufs Eis.Bild: keystone
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Hockey-Sicherheit – Probleme bloss mit Bier, Urin, Geld und einem toten Fisch

Die Sicherheit in den Stadien ist gross. Aber unsere Hockeykultur leidet wie keine andere an einer Unsitte: Gegenstände werden aufs Eis geworfen. Sogar aus den VIP-Logen. Besonders unangenehm: Urin- und Bierduschen.
16.09.2022, 12:2717.09.2022, 08:32
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Ambri ist ehrlich. Der Klub bekennt sich per offizieller Medienmitteilung zur Sünde:

Werfen von Gegenständen in der Gottardo Arena

In der Saison 2021/2022 erhielt der Hockey Club Ambri-Piotta insgesamt 21'365 Franken an Bussen für das Werfen von Gegenständen auf die Eisfläche durch seine Fans.

Der HCAP erhielt die höchste Strafe aller Klubs in der National League. Aus diesem Grund beobachtet der Verband die Situation, und der HCAP gehört zu den Sonderbeobachteten für die nächste Meisterschaft.

Ausserdem ist ab der Saison 2022/2023 ein neuer Artikel über das Werfen von Gegenständen eingeführt worden: Art. 18 besagt: «Das vorsätzliche Werfen von Gegenständen auf Schiedsrichter, Spieler, Spieloffizielle, Fernsehpersonal oder andere Zuschauer wird mit einem zweijährigen Stadionverbot geahndet.»

Der HC Ambrì-Piotta appelliert ausdrücklich an seine Fans, keine unnötigen Geldstrafen zu provozieren, deren Betrag für die Juniorendarbeit verwendet würde. Darüber hinaus werden ab dieser Saison alle Personen, die als Werfer von Gegenständen identifiziert werden, mit zwei Jahren Stadionverbot belegt. Der HCAP teilt mit, dass die Videokontrollen noch strenger sind, um die Verantwortlichen für das Werfen von Gegenständen auf die Eisbahn zu ermitteln und zu bestrafen.

Liga-Manager Denis Vaucher sagt, die Sicherheitslage in den Stadien sei gut. «Aber bei uns ist das Werfen von Gegenständen aufs Eis eine Unsitte, die es so in keiner anderen Liga der Welt gibt.» Und so ist das Bekenntnis von Ambri ganz in seinem Sinne. Man wolle diese Saison gegen diese Unsitte vorgehen. «Deshalb ist es neu möglich, bei Gegenstandwürfen gegen Personen ein zweijähriges Stadionverbot auszusprechen.»

Eine besondere Unsitte seien die Bier- und Urin-Duschen. Urin? Der Liga-Manager bestätigt: «Ja, es kommt vor, dass nicht mit Bier, sondern mit Urin gefüllte Becher aufs Eis fliegen.» Stossend sei vor allem, dass es solche «Bier»-Angriffe gegen Schiedsrichter, Spieler, Coaches, Spieler und Kameraleute gebe. «Wir wissen, dass es letzte Saison im Stadion Wettbewerbe zwischen den Fangruppierungen gegeben hat: Wer kann TV-Kameraleute besser mit Bierbechern bewerfen.»

Das Werfen von Gegenständen ist ein Antragsdelikt: Ausgelöst wird das Strafverfahren in der Regel durch den sog. BESO, den «Rapport über besondere Vorkommnisse» der Schiedsrichter. Aber auch Sicherheitsbeauftragte oder angegriffene Offizielle eines Klubs können Antrag stellen.

Bleibt noch aufzuschlüsseln, was eigentlich neben Bierbechern mit Flüssigkeit noch aufs Eis geworfen wird. Am häufigsten Feuerzeuge. Dann folgen Münzen. Was gefährlich ist: Die Münzen frieren auf dem Eis sofort ein und wenn sie nicht entdeckt werden, können sie Verletzungen bei Spielern verursachen, die wegen der eingefrorenen Münzen zu Fall kommen.

Juristisch ist nicht geregelt, wem das Geld gehört, das aufs Eis geworfen wird. Schiedsrichterchef Andreas Fischer sagt, es sei Brauch, dass die aufgesammelten Münzen in der Schiedsrichtergarderobe auf dem Tisch zurückgelassen werden. Als Trinkgeld fürs Putzpersonal. Am höchsten seien die Einnahmen in … Ambri.

Einmal ist auch schon der Wurf eines toten Fisches rapportiert worden. Und aus einer VIP-Loge ist ein teurer Designer-Schuh aufs Eis geflogen. Was gar nicht so ungewöhnlich ist: Der sowjetische Regierungschef Nikita Chruschtschow war auf der Weltbühne einst in Äusserungen und Gesten eher noch impulsiver als die Hockey-Manager und -Präsidenten in den VIP-Logen.

Nikita Chruschtschow nimmt den Schuh zu Hilfe.Video: YouTube/dominevola

Am 12. Oktober 1960 begann Chruschtschow bei der UNO-Vollversammlung während der Rede des philippinischen Delegierten mit seinem Schuh aufs Pult zu schlagen, um seine Wut zum Ausdruck zu bringen. Was einem der mächtigsten Männer der Welt damals recht war, kann heute einem Hockey-Geldausgeber oder Funktionär nur billig sein. Zudem sind in arabischen Ländern das Zeigen und Werfen von Schuhen seit den Zeiten des Osmanischen Reiches ein Symbol für Protest und Ausdruck grosser Verachtung.

Es gibt eigentlich nur eine charmante Form des Protestes, der keine Strafe nach sich zieht: der Papierflieger. Ab und an segelt ein wohl aus einer Seite des Programmheftes gefalteter Papierflieger aufs Eis. In der Regel gibt es deswegen keinen Schiedsrichterrapport.

Den originellsten Protest der Geschichte hat es – wie könnte es denn anders sein – in Ambri gegeben: Ende September 2010 warf ein erboster Sitzplatzzuschauer einen alten Koffer in hohem Bogen aufs Eis. Er gab damit seinen Unmut über Trainer Benoit Laporte Ausdruck. Und tatsächlich musste Ambris Trainer am 11. Oktober 2010 seine Koffer packen und Kevin Constantine Platz machen.

Laporte Koffer Teleclub
Bild: screenshot teleclub

Sollten Trainer diese Saison den Unmut des Publikums wecken – was ja durchaus da und dort vorkommen könnte – so gibt es eine etwas elegantere Form des Protestes als den Kofferwurf: ein zum Papierflieger gefaltetes Flugticket aufs Eis segeln lassen.

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29 Kommentare
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Steven86
16.09.2022 12:51registriert März 2016
Wer Bier weg wirft sollte sowieso bestraft werden.
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cotton
16.09.2022 13:51registriert August 2021
Nun ja, es gibt ja sogar Trainer die sowas vormachen. Kriegt euch mal ein und bündelt die Energie und Emotionen besser ins Positive.
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Apfelmus
16.09.2022 14:05registriert September 2022
In Ambri? Kann nicht sein. Die haben doch so eine coole Fankultur. Dort ist es sogar Fankultur, wenn Pyros gezündet werden…
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