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Was bewirken sechs Ausländer in der National League? Eine erste Bilanz

Geneve-Servette's forward Teemu Hartikainen #70 celebrates his goal with teammates Geneve-Servette's forward Linus Omark #67 and Geneve-Servette's defender Henrik Toemmernes, right, pas ...
In Genf dominierten die Ausländer wie Teemu Hartikainen, Linus Omark und Henrik Tömmernes.Bild: keystone
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Was bewirken sechs Ausländer in der National League? Eine erste Bilanz

Mehr Ausländer machen die Liga und die Nationalmannschaft besser. Kurzfristig – aber eben nur kurzfristig – geht die sportliche Rechnung auf. Aber wer soll das Spektakel bezahlen?
14.11.2022, 06:4915.11.2022, 04:03
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Kein Thema hat uns in den letzten zwei Jahren so umgetrieben wie die Erhöhung der Anzahl Ausländer von vier aus sechs pro Team. Nun können wir nach gut einem Drittel der Qualifikation und dem ersten Auftritt der Nationalmannschaft die Chancen und Risiken der neuen Ausländerregelung ein wenig einschätzen.

Eine positive Wirkung ist die unübersehbare Verbesserung des Niveaus. Die weltpolitische Lage hat unserem Hockey in die Karten gespielt: Die KHL ist auf dem Spielermarkt keine Konkurrentin mehr. Nie zuvor hatten wir in unserer höchsten Liga so viele Weltklassespieler, so viele Weltmeister und Olympiasieger im besten Alter.

Und weil es nicht mehr nur vier, sondern sechs pro Team sind, ist es möglich, dass sie eine nominell schwächere Mannschaft zu tragen vermögen. Nie war deshalb die Ausgeglichenheit grösser. Wir müssen uns erst noch richtig daran gewöhnen, dass jeden Abend in jedem Spiel jedes Resultat möglich ist.

Das vielleicht typischste Spiel für die neue Ausgeglichenheit war bisher die Partie Zug gegen Kloten in der letzten Runde vor der Nationalmannschaftpause am 5. November. Der Aufsteiger spielte jederzeit auf Augenhöhe mit dem Meister. Kloten erlitt nach fünf Siegen hintereinander wieder eine Niederlage (4:5).

Aber diese Niveau-Steigerung hat auch Nebenwirkungen. Eine davon haben die jungen Spieler zu tragen. Die zwei zusätzlichen Ausländer kommen pro Partie auf rund 40 Minuten Eiszeit. Diese Eiszeit fehlt jetzt den jungen Spielern.

Ambris PostFinance Top Scorer Michael Spacek, rechts, und Biels Noah Delemont in Aktion, im Eishockey Meisterschaftsspiel der National League zwischen EHC Biel und HC Ambri-Piotta, am Sonntag, 16. Okt ...
Noah Delémont (links) erhält bei Biel nur wenig Eiszeit.Bild: keystone

Ein Beispiel für diese Nebenwirkung: Biel hat zwei ausländische Verteidiger. Luca Christen (24) war letzte Saison in der Swiss League einer der besten Verteidiger. Nun steht er bei Biel unter Vertrag. Aber den Herbst verbringt er erst einmal bei seinem alten Team in Langenthal. Kein Platz in Biel. Für seine Entwicklung ist jedes Spiel in der Swiss League eine verlorene Partie. Und Spektakelverteidiger Noah Delémont (20) hätte mehr Auslauf, wenn Biel eben nicht zwei ausländische Verteidiger hätte. Mit nicht ganz 10 Minuten ist er im Eiszeit-Ranking der Schweizer Verteidiger bloss die Nummer 83. Er hätte Talent, Wille und Mut für doppelt so viel Eiszeit.

Und die Nati?

Eine weitere Frage: Wie wird sich die neue Ausländerregelung auf die Nationalmannschaft auswirken? Wir können davon ausgehen, dass die Ausländerfrage als Ausrede für eine allfällige Enttäuschung bei künftigen WM-Turnieren vorgebracht werden wird.

Es wäre eine billige Ausrede: Die besten Schweizer (also die Nationalspieler) werden durch die ausländische Konkurrenz nicht verdrängt. Sondern stärker gefordert. Auf den ersten 40 Positionen der Liga-Skorerliste finden wir aktuell nur zwei Schweizer weniger als letzte Saison. So gesehen hat die neue Ausländerregelung eine belebende Wirkung auf die Nationalmannschaft. Die Nationalspieler werden besser.

Sven Senteler, centre, of Switzerland celebrates with teammates Gregory Hofmann, left, and Dean Kukan, after scoring during the ice hockey Euro Hockey Tour EHT Karjala Cup match between Czech Republic ...
Die Schweiz hat am Karjala Cup überzeugt.Bild: keystone

Eine Nebenwirkung gibt es auch hier: Wer jetzt schon dazu in der Lage ist, eine tragende Rolle zu spielen, wird tatsächlich besser. Der erste Auftritt der Nationalmannschaft unter der neuen Ausländerregelung war jedenfalls vielversprechend: Siege gegen Finnland (3:2 n.P) und Tschechien (3:2 n.V) und eine Niederlage (2:3 n.V) gegen Schweden.

Für jene, die das Talent zum Nationalspieler haben, aber noch keine Nationalspieler sind, wird es hingegen schwieriger. «Entwicklungs-Eiszeit» wird ein rares Gut. Das kann sich fatal auswirken: Keine andere grosse Hockey-Nation hat so viele Talente, die sich erst mit 22, 23 oder gar 24 auf höchster Stufe durchzusetzen vermögen.

Die bange Frage daher: Wie viele Talente verlieren wir durch die Erhöhung der Anzahl Ausländer? Andere grosse Hockeynationen haben keine vergleichbare Ausländerbeschränkung und in Finnland gibt es sogar keine. Aber die grossen Hockeynationen bringen Jahrgang für Jahrgang viel mehr Talente heraus. Wir müssen unsere Talente viel mehr hegen und pflegen und ihnen eine zweite und dritte Chance geben.

Was passiert bei den Goalies?

Ein Problem wird sich mittelfristig auf der Torhüterposition ergeben. Ohne Weltklassetorhüter hat die Schweiz bei der WM keine Chance auf ein Vorrücken in die Medaillenränge. Ein Nachfolger der WM-Medaillentorhüter Martin Gerber, Reto Berra und Leonardo Genoni ist (noch) nicht in Sicht.

Der beste junge Schweizer National-League-Goalie des Herbstes ist Philip Wüthrich (24), der sich in Bern in einer schwierigen Situation als Nummer 1 behauptet. Sandro Aeschlimann (27) hat sich soeben in Finnland beim Spiel gegen Schweden bewährt (2:3 n.V).

Der talentierteste junge Goalie in der Liga ist Joren van Pottelberghe (25). Biel hat die Erwartungen in einem goldenen Herbst weit übertroffen. Mit einem ausländischen Torhüter. Kann Joren van Pottelberghe, wenn er nach seiner Verletzungspause zurückkehrt, Harri Säteri (32) verdrängen? Er wird 2026 nur ein WM-Goalie sein, wenn er – wie Philip Wüthrich und Sandro Aeschlimann – im Klub die Nummer 1 ist.

Noch verdrängt kein Ausländer einen Schweizer Goalie mit WM-Format. Aber die Gefahr ist erheblich, dass mittelfristig talentierte Schweizer wie Joren van Pottelberghe keine Chance zur Bewährung in der höchsten Liga und damit zur Entwicklung zum WM-Goalie erhalten. Das gehört zu den Risiken der neuen Ausländerregelung.

Akira Schmid feierte unlängst seinen ersten Sieg in der NHL.Video: YouTube/Devils Fan

Leonardo Genoni wird bei der WM 2026 39 Jahre alt sein. Patrick Fischer ist darauf angewiesen, dass sich in der Liga Schweizer zum WM-Goalies entwickeln können. Wenn er die Hockey-Götter auf seiner Seite hat, wird Akira Schmid (22) bis 2026 ein NHL-Star sein und für die WM zur Verfügung stehen.

Kurzfristig – aber nur kurzfristig – hat die neue Ausländerregelung sportlich mehr positive als negative Auswirkungen. Wenn bei der WM die Ausländerregelung als Ausrede vorgebracht werden sollte, dann müssen alle Alarmglocken läuten. Dann nämlich liegt das Problem an einem anderen Ort.

Die mittel- und langfristigen Auswirkungen kennen wir noch nicht. Und erst im nächsten Sommer ist es möglich, die finanziellen Auswirkungen zu erkennen.

Wie steht es um die Kosten?

Das wichtigste Argument bei der Erhöhung der Anzahl Ausländer: Geld sparen.

Bereits im November haben Gottéron, Ajoie, Ambri, Lugano, Bern, Langnau und die ZSC Lions sieben Ausländerlizenzen eingelöst, Lausanne sogar schon acht. Keiner dieser zusätzlichen Ausländer ist ein «Billigarbeiter» für weniger als 50'000 Franken netto aus Dänemark, Norwegen oder der Slowakei. Nur Langnaus 7. Ausländer Cody Eakin ist kostenneutral: Er ersetzt Alexandre Grenier, der sofort nach Berlin wechselte.

Es zeichnet sich bereits ab, dass die Rechnung mit der neuen Ausländerregelung nicht aufgeht und jedes Team erheblich teurer wird.

Wer soll das Spektakel bezahlen? Die Fans? Nein, eine Erhöhung der Ticketpreise liegt nicht drin. Die Klubs müssen froh sein, wenn sie wieder die Stadionauslastung der Vor-Corona-Zeit erreichen.

Die Fans der SC Rapperswil-Jona Lakers begruessen ihr Team zum Eishockey-Meisterschaftsspiel der National League zwischen den SC Rapperswil-Jona Lakers und dem HC Ambri-Piotta am Samstag, 5. November  ...
Eine Preiserhöhung bei den Tickets kommt nicht in Frage.Bild: keystone

Die TV-Stationen beim nächsten TV-Vertrag? Nein. Die Klubs müssen froh sein, wenn sie in vier Jahren zu gleichen Bedingungen (rund 30 Millionen für die Liga) verlängern können.

Die Werbepartner? Nein, die Klubs müssen froh sein, wenn sie ihre Werbebudgets halten können.

Also gilt für die Manager: Verpflichte heute die guten, teuren Ausländer, bezahle das Minus morgen oder übermorgen. Sport mag ein Business geworden sein. Aber die Gründe für den Einstieg ins Hockeygeschäft sind bei Investoren nicht rationale Überlegung und Gewinnerwartungen. Sondern Emotionen.

Die Hoffnung, dass schon jemand die Rechnungen bezahlen wird, komme da, was wolle, mag ein wenig frivol sein.

Aber sie ist nicht ganz unberechtigt.

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HC Davos: 31 Titel, 6 seit 1986; zuletzt Meister: 2015.
quelle: keystone / ennio leanza
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60 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Dan Rifter
14.11.2022 07:19registriert Februar 2015
Swiss League ist halt nicht National League.
Wenn Luca Christen mit 24 nicht besser ist als Beat Forster mit ca. 53 - dann ist er halt nicht so gut, wie der Eismeister meint.

Im Grundsatz trifft die Kritik natürlich zu.
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Steve21
14.11.2022 08:16registriert Januar 2020
2x14 gibt etwas mehr als 1 Team und ja, es spielt genau 1 Team mehr in der NL als letztes Jahr. geht also auf. mehr dürfen es aber auf keinen Fall werden !
und zu den Jungen, es braucht einfach mehr Eisfläche (Bsp. Rappi!), mehr "Sommereis", mehr Möglichkeiten, damit Junge Eishockey spielen, dann komen auch mehr Talente, pure Mathematk (gemäss eines sport.ch Artikels aus 2018, hat Finland z.b. 39k, die CH nur 15k Junioren). dazu braucht es profisionellere Unterstützung, die besten Coaches sollten die Jungen trainieren (wer bezahlt das?) und es brauch mehr Kooperation mit den Schulen
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Molson
14.11.2022 09:11registriert Juni 2014
Sehe ich leider sehr ähnlich 😔
Ich habe seit 30 jahren ein saisonabo und war ganz klar gegen die 6 Söldner. Positiv: Die Liga ist ausgeglichener als auch schon und das Niveau m.M. höher. Negativ: Die Jungen bekommen kaum Eiszeit. Letzte Saison spielte z.B. deNisco bei Zug fast immer. Aktuell kommt er nur noch in der vierten Linie zum Zug und auch nur wenn jemand Verletzt ist. Wenn Suri zurück ist hat es für Ihn keinen Platz mehr. So verlieren wir Talente und das ist Himmeltraurig!
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