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«Lieber René …» – Eismeister Zaugg schreibt dem Neo-Russen Fasel

epa09189431 IIHF (International Ice Hockey Federation) President Rene Fasel attends a meeting with Russian President Vladimir Putin at the Bocharov Ruchei residence in Sochi, Russia, 10 May 2021. EPA/ ...
René Fasel wartet 2021 bei einem Treffen in Russland auf Wladimir Putin.Bild: keystone
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«Lieber René …» – Eismeister Zaugg schreibt dem Neo-Russen Fasel

Der langjährige Präsident des Internationalen Eishockeyverbands, der Schweizer René Fasel, soll die russische Staatsbürgerschaft angenommen haben. Diese Meldung der staatlichen russischen Nachrichtenagentur dementiert Fasel nicht, kommentieren will er sie auch nicht. Der Vorgang irritiert.
16.02.2023, 07:0317.02.2023, 08:47
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Lieber René

Nun bist du also gemäss der offiziellen Mitteilung der russischen Nachrichtenagentur russischer Staatsbürger geworden. Sozusagen ein «Papier-Russe». Dass du zu diesem Thema lieber nichts sagen möchtest, kann ich gut verstehen. Es ist fast wie bei einem Verhör im Krimi, wenn dem Verdächtigen erklärt wird: Alles, was Sie sagen, kann gegen Sie verwendet werden.

Schon viele Schweizer sind in Russland heimisch geworden oder haben den russischen Herrschern gute Dienste geleistet. Aber das waren andere Zeiten. Als russische Herrscher helvetische Uhrmacher, Käsermeister oder Offiziere holten. Um ihr Land zu entwickeln oder in den grossen Kriegen gegen König Karl und Kaiser Napoleon zu bestehen.

Später haben selbst kluge Leute den wahren Charakter russischer Herrscher nicht erkannt. Denken wir nur an den ehemaligen Nationalrat Léon Nicole. Kürzlich habe ich sein Buch «Meine Reise nach der Sowjetunion» aus dem Jahre 1939 gelesen. Darin beschreibt er das despotische Regime von Väterchen Stalin schon fast als demokratische «Wohlfühloase» der Arbeiter und Bauern. Ich will damit keine unzulässigen historischen Vergleiche machen. Sondern bloss sagen: Du bist in deinem Irrtum über den wahren Charakter russischer Gewaltherrscher in nobler Gesellschaft.

Russian President Vladimir Putin, right, and International Ice Hockey Federation President Rene Fasel attend the opening ceremony of the 2019 Sirius Junior Club World Cup ice hockey tournament in Soch ...
René Fasel (links) und Wladimir Putin 2019 bei einem Nachwuchsturnier in Russland.Bild: AP

Du verdankst deine grandiose Karriere zu einem schönen Teil deinen russischen Freunden. Loyalität zu Freunden, denen du so viel verdankst, den Wert dieser Freundschaften über den Zeitgeist zu stellen, das ehrt dich. Aber es gibt auch den Begriff der Nibelungentreue. Er kommt aus der teutonischen Kultur und steht für eine bedingungslose, stark emotionale und letztlich verhängnisvolle, zerstörerische Treue.

Du hast den «russischen Herbst» deiner Karriere lange vor dem Ukraine-Krieg vorbereitet und organisiert. Du hast während deiner sportdiplomatischen Weltkarriere nie die Finger im Kassenschrank eingeklemmt. Du hast also juristisch ein gutes Gewissen.

Aber muss denn diese Nibelungentreue zu einem Regime wirklich sein, das einen mörderischen Krieg angezettelt hat? Wenn doch jemand dazu in der Lage ist, seinen russischen Freunden das Entsetzen über diese schreckliche ukrainische Tragödie zu erklären und auf Distanz zu gehen, dann bist du es mit deinem oft so entwaffnenden lausbübischen Charme.

Und haben wir denn in der Schweiz über die Jahrhunderte (seit Marignano 1515) nicht die hohe Kunst der Neutralität entwickelt? Eine Neutralität, die 1815 beim Wiener Kongress von Zar Alexander I. nachdrücklich eingefordert worden ist? Du hättest also beste Argumente, um dich unter Wahrung deiner persönlichen Ehre – um die es ja hier wohl auch geht – von deinen russischen Freunden zu distanzieren und wenigstens neutral zu bleiben. Und nicht zu einer Figur der russischen Propaganda zu werden.

Du hast rein juristisch nicht gesündigt. Du kannst tun und lassen, was du willst. Aber in deinem Fall geht es darum, dass du nach wie vor eine Person von öffentlichem Interesse bist und nun dein hohes Ansehen als einer der ehrlichsten und erfolgreichsten Funktionäre unserer Sportgeschichte ruinierst. Das ist sehr, sehr schade.

Mit freundlichen Grüssen

Klaus Zaugg

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54 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Sapperlot!
16.02.2023 07:24registriert Januar 2016
Blatter, Infantino und Fasel - der heilige Dreizack der Gier.
1948
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bokl
16.02.2023 07:16registriert Februar 2014
"Du hast während Deiner sportdiplomatischen Weltkarriere nie die Finger im Kassenschrank eingeklemmt."

Es ist auch nicht nötig in den Kassenschrank zu greifen, wenn genug Geld im Couvert ist ...
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Liebu
16.02.2023 08:05registriert Oktober 2020
Eigentlich ist er das Gegenteil eines Russen.
Die meisten Persönlichkeiten die Geld haben versuchen eine andere Staatsbürgerschaft zu bekommen und verlassen Russland.
Eventuell versucht Fasel diese Lücke zu schliessen. Dann ist ihm ein Leben wie das eines Oligarchen gewiss. Bis zum Tod, aus welchem Fenster auch immer.
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