Wie bei der WM 2019. Wie bei der WM 2021. Wie beim Olympischen Turnier in Peking 2022. Zum vierten Mal in Serie ist nach dem Viertelfinal eines Titelturniers Lichterlöschen.
Zum vierten Mal in Serie Scheitern nach grossen Worten mit der Zielsetzung Halbfinal/Medaille. Das bedeutet: Maulhelden. Dem grossen Denken und Reden ist erneut keine grosse Leistung gefolgt.
Die Niederlage gegen die robusten Amerikaner ist ganz, ganz bitter. Die Schweiz geht als Favorit in den Viertelfinal. Als punktbestes und offensiv spektakulärstes Team des gesamten Turniers. In allen wesentlichen Statistiken besser. Nach sieben Siegen in Serie. Es sind magische Maulhelden. Oder in einem Satz zusammengefasst: Wenn nicht jetzt in den ersten Halbfinal seit 2018 – wann dann?
Aber ausgerechnet im alles entscheidenden Spiel funktioniert nichts mehr. Das Powerplay, bisher das Zweitbeste – kein Treffer. Das Boxplay, bisher das Zweitbeste – die Amerikaner nützen den ersten Ausschluss zum 1:0. Das offensiv beste Team der Vorrunde bleibt im wichtigsten Spiel ohne Torerfolg. Nach 34 Treffern in 7 Partien
Was war los? Ganz einfach: Die Maulhelden haben die Magie verloren. Was ist Magie? Es ist die Leichtigkeit des Spiels kombiniert mit ein bisschen Glück.
Die Schweizer mahnen gegen die Amerikaner an einen Kletterer, der immer weiter nach oben gestiegen ist, zurückschaut, erschreckt feststellt, wie weit oben er schon ist, die Balance verliert und abstürzt.
Die Lähmung im ersten Drittel hat ihre Ursachen im mentalen Bereich. Nicht in der fehlenden Energie. Und auch keinen Sündenbock. Keine Polemik. Nur ein wenig langweilige Statistik: Die Schweizer haben sieben Mal hintereinander das erste Drittel mehr oder weniger gerockt: 17:3 Torschüsse gegen Italien, 8:3 gegen Kasachstan, 17:6 gegen die Slowakei, 13:12 gegen Kanada, 12:10 gegen Frankreich und immerhin 8:12 gegen Dänemark und 9:12 gegen die Deutschen. Und nun sind wir gegen die Amerikaner zum ersten Mal dominiert worden. Dominiert wie noch nie bei dieser WM. 4:12 Abschlüsse im ersten Abschnitt. Es hilft nichts mehr, dass es am Ende 33:22 Torschüsse werden.
In diesen ersten 20 Minuten haben die Schweizer ihre Magie und das Spiel verloren. Gute Stimmung allein macht noch keine Magie. Und zur Magie gehört eben auch ein wenig Glück. Das auch fehlte. Aber ohne Magie ist es nicht möglich, das Glück zu zwingen.
Die beiden ersten Gegentreffer sind Tore wie beim «Pausenplatz-Hockey»: Das 0:1 ist ein Eigentor von Calvin Thürkauf im Boxplay. Beim 0:2 stürzt Leonardo Genoni einen Sekundenbruchteil zu spät aus dem Tor und es gelingt Adam Gaudette, den Puck an ihm vorbei ins Netz zu bugsieren. Dumme, unglückliche, kuriose, verrückte Gegentreffer. Aber sie zählen.
Nationaltrainer Patrick Fischer scheint das Scheitern ganz tief in seiner Hockey-Seele geahnt zu haben. Ganz zum Schluss seiner Ausführungen hatte er nach dem 7. Spiel und vor dem Viertelfinal gemahnt, in einem Spiel könne alles passieren. Und man könne alles verlieren. Genauso ist es gekommen.
Trägt er für diese bittere Enttäuschung die Verantwortung? Natürlich. Der Trainer trägt immer die Verantwortung. Aber ist er auch schuld? Nein.
Patrick Fischer hat die Mannschaft auf ein so hohes Niveau gebracht, dass nun sieben Siege in Serie und ein verlorener Viertelfinal bereits als bittere Enttäuschung gelten.
Hat er unentschuldbare Fehler gemacht? Nein. Hinterher ein paar Nominationen zu kritisieren, ist billig.
Die Schweizer sind mit Patrick Fischer auf dem Weg nach ganz oben. Dorthin wo um Medaillen und WM-Titel gespielt wird. Daran ändert auch dieses bittere Scheitern nichts. Hätte denn ein anderer Coach ein besseres Resultat erzielt? Nein. Patrick Fischer ist immer noch der richtige Mann an der nationalen Bande.
Der Weg nach ganz oben ist lang. Das letzte Stück vor dem Gipfel ist das schwierigste. Aber grosses Denken und grosse Reden ohne grosse Leistung haben ein «Verfalldatum». Wenn zu oft gross gedacht und geredet wird und keine grosse Tat folgt, verlieren grosse Gedanken und Worte die Wirkung.
Vielleicht ist Patrick Fischer eine Spur zu milde, zu verständnisvoll, zu klug, um seine Maulhelden im entscheidenden Augenblick aus der Komfortzone zu scheuchen. Vielleicht halt doch ein wenig – nur ganz wenig – zu sehr Tafelmajor und zu wenig Bandengeneral.
Im nächsten Frühjahr folgt die nächste Chance. Bis dahin ist Patrick Fischers Magie gefragt: Es obliegt ihm, dafür zu sorgen, dass die Schweizer keinen «Viertelfinal-Komplex» bekommen. Die Nordamerikaner haben dafür einen wunderbaren Ausdruck: «Get the Monkey off your back». Frei übersetzt: Den Affen vom Rücken runterbekommen. Der Affe ist nach dem vierten Scheitern hintereinander der Viertelfinalkomplex.