Wenn es keinen Absteiger gibt und Niederlagen keine Konsequenzen mehr haben – ausser für den Trainer, der trotzdem den Job verliert – dann wird die Qualifikation zur Farce. Spiele werden bedeutungslos. Warum soll ich zu einem Spiel gehen, das keine Bedeutung hat? Eben.
Wenigstens sorgt ein wenig Sesselrücken in dieser Hockey-Oper noch für ein bisschen Aufmerksamkeit und Kurzweil. Verteidiger-Veteran Matteo Nodari (34) erfährt, dass er in Lugano nicht mehr erwünscht ist und so hat er halt für zwei Jahre in Kloten beim möglichen Aufsteiger unterschrieben. Langnau entlässt den Trainer. Da und dort werden neue ausländische Spieler verpflichtet. Die beiden Tabellenletzten tauschen Spieler (Dario Rohrbach nach Langnau, Kay Schweri nach Ajoie). Und Langnau hat mit Torhüter Robert Mayer – sein Leihvertrag läuft am 31. Januar aus – nun bis Ende Saison verlängert. «Wir haben mit Davos eine gute Lösung gefunden», sagt Geschäftsführer Simon Laager. Der HCD ist immer noch der Arbeitgeber von Robert Mayer, der auf nächste Saison nach Genf zurückkehrt.
Dazu kuriose Rekorde: Langnau kassiert 4 Minuten und 9 Sekunden lang ohne Goalie keinen Treffer gegen Lugano und Ajoie erduldet in Zug die 18. Niederlage in Serie. Rekord in der höchsten Liga. Und wahrscheinlich ein Welt-Rekord für Trainer Gary Sheehan. 18 Niederlagen de suite hat wohl noch kein Trainer anderswo im Profihockey im Amt überstanden. Aber es ist nicht sicher, dass er bei der 19. Niederlage noch an der Bande stehen wird. Trotz vorzeitiger Verlängerung des Vertrages im letzten Herbst bis Ende der nächsten Saison.
Im Fussball ist der Meisterschafts-Modus wegen der Pandemie nicht verändert, der Auf- und Abstieg zwischen den beiden höchsten Ligen beibehalten worden. Im Hockey gibt es nun schon zum vierten Mal keinen Absteiger, aber voraussichtlich zum zweiten Mal trotzdem einen Aufsteiger. Deshalb werden wir nächste Saison in der höchsten Liga 14 Mannschaften haben. Vor der Pandemie waren es 12. Und nach einem unsäglichen Theater ist die Anzahl Ausländer für nächste Saison im Falle eines Aufsteigers von 4 auf 6 erhöht worden. Zudem ist 2020 auf die Playoffs und den Aufstieg verzichtet und kein Titel vergeben worden.
Kontinuität ist eine der wichtigsten Qualitäten einer Meisterschaft. Tiefgreifende Modusänderungen wie der Verzicht auf den Abstieg und der Verzicht auf das Küren eines Meisters haben immer ein wenig den Schwefelgeruch des Operettenhaften, des Unseriösen.
Die Begründung für die Modusänderung: Es könne nicht sein, dass ein Klub unter den besonderen Umständen der Pandemie (zeitweise keine Zuschauer) die Liga-Zugehörigkeit verliere. Das ist edel gedacht. Inzwischen zeigt sich: Der wirtschaftliche Schaden durch den Verzicht auf den Abstieg kann zwar noch nicht beziffert werden, dürfte aber erheblich sein: Zu viele Spiele ohne jede Bedeutung führen zu einem Imageverlust und verstärken noch den durch die Pandemie-Massnahmen verursachten Zuschauerrückgang.
Pro Spiel ist der Schnitt von 6791 auf 6018 gesunken und der Rückgang wäre weit dramatischer, wenn nicht Gottéron (von 5935 auf 8201) und Ambri (von 4916 auf 6017) dank neuer Stadien auf bessere Zahlen als vor der Pandemie kommen würden. Kommt dazu: Als Zuschauerzahlen werden die verkauften Tickets inkl. Saisonkarteninhaber gemeldet. Aber es kommen längst nicht mehr alle in die Stadien, die ein Ticket haben. In Langnau beträgt der Rückgang des Gastronomie-Umsatzes beispielsweise rund 40 Prozent. Obwohl der Publikumsrückgang (von 5549 auf 4706) nicht ganz so dramatisch ist.
Die Tendenz zur Operettenhaftigkeit wird durch die vielen Partien verstärkt, die gespielt werden, obwohl einzelne Mannschaften nicht einmal mehr die Hälfte der Stammspieler zur Verfügung haben. Und die Transfers während der laufenden Meisterschaft – die temporäre Verpflichtung von Spielern aus der Swiss League – sind, weil nicht alle ein Farmteam haben, zu wenig klar strukturiert und werden vom Publikum nicht immer goutiert.
Eine der wichtigsten Voraussetzungen eines seriösen Meisterschaftsbetriebes fehlt diese Saison: Die Chancengleichheit. Die wird auch dadurch tangiert, dass nicht alle gleich viele Spiele austragen und eine Tabelle nicht mehr nach Punkten, sondern nach der Formel Punkte pro Spiel errechnet wird. Ohne Chancengleichheit verkommt die Qualifikation zu einem Operetten-Wettbewerb.
Unsere Hockey-Kultur ist im Kern gesund. Aber sie hat während der Pandemie Schaden an der Seele erlitten. Die ganz grosse Herausforderung der Klubs im nächsten Sommer: Die Zuschauerinnen und Zuschauer zurückholen, die durch die Umstände der Pandemie und die von der Liga und den Klubs selbstverschuldete Verlotterung der Meisterschaft nicht mehr ins Stadion kommen. Das ist nur mit einer Rückkehr zur Seriosität möglich.
Seriosität heisst in diesem Falle: Der Kunde (die Zuschauerinnen und Zuschauer) müssen wieder davon überzeugt werden, dass jedes Spiel wichtig ist und alles mit rechten Dingen zugeht. Das bedeutet: Die Zeit nach der Saison wird für die Chefs der Liga und der Klubs wichtiger als die Zeit während der Saison. Im Mai, Juni, Juli und August muss mehr für Image-Werbung und Verkaufsförderung getan werden als je zuvor seit Einführung der Playoffs (1986). Erneute Modus-Änderungen würden dem Image der Hockey-Meisterschaft schaden.
Für die, die den Ernst der Lage unterschätzen, wird es im nächsten Herbst ein böses Erwachen geben.