Die Vergehen gegen Schiedsrichter bilden eine eigene Kategorie. Will heissen: Strafen für Fouls mit Verletzungsfolge oder für Fouls, die Verletzungen zur Folge haben könnten, können nicht mit dem Strafmass für Kollisionen mit den Schiedsrichtern verglichen werden. Es handelt sich um zwei Paar Schuhe.
Schiedsrichter sind durch die Ausrüstung nicht geschützt und müssen nie mit einer Attacke rechnen. Daher gibt es richtigerweise eine andere Strafkultur als bei Vergehen von Spielern gegen Spieler. Würden Zusammenstösse mit Schiedsrichtern toleriert oder milde bestraft, wären die Ausreden wohlfeil («Habe den Schiri nicht gesehen!») und die Vorfälle häufiger.
Gerade weil jeder weiss, dass Vergehen gegen die Unparteiischen hart bestraft werden, passt jeder auf, dass es nicht zur Kollision kommt. Dabei wird sehr wohl berücksichtigt, ob der Schiedsrichter durch ungeschicktes Verhalten eine Mitverantwortung trägt. Nicht jede Kollision führt zu einem Verfahren und einer Sperre.
Das Reglement schreibt bei einem Zwischenfall, der nach menschlichem Ermessen vermeidbar gewesen wäre, eine Mindeststrafe von drei Spielsperren vor. Also: Entweder ist einer vollkommen unschuldig, beispielsweise dann, wenn der Zusammenstoss wirklich nicht zu vermeiden war oder sich der Schiedsrichter ungeschickt verhalten hat. In allen anderen Fällen kassiert der Spieler mindestens drei Spiele.
Die Beurteilung, ob vermeidbar oder nicht, erfolgt nach dem «Grossmutter-Prinzip». Nämlich nach der Frage: Hätte der Spieler den Zusammenstoss vermieden, wenn statt des Schiedsrichters seine Grossmutter oder sein Kind auf dem Eis gestanden wären? Das mag frivol tönen, macht aber schon Sinn.
Im Fall von Chris DiDomenico bedeutet dies: Das Rencontre mit dem Schiedsrichter (im Spiel SC Bern gegen ZSC Lions) wäre vermeidbar gewesen. Die Hockey-Richter sind davon ausgegangen, dass er der Grossmutter wahrscheinlich ausgewichen wäre. Aber es gibt keine böse Absicht dahinter. Also das Minimum von drei Sperren. Im Falle einer bösen Absicht wären es mindestens sieben Spielsperren.
Der SCB muss drei Spiele ohne seinen besten Einzelspieler auskommen. Das ist zwar ein Vorteil für den neuen Trainer Toni Söderholm. Er bekommt zum Amtsantritt eine Schonfrist. In den drei ersten Spielen als SCB-Bandengeneral (gegen Gottéron in Bern, Lugano und Servette auswärts) kann er seinen Topskorer nicht einsetzen. Selbst wenn er dreimal verlieren sollte, wird er noch nicht in die Kritik geraten. Weil alle wissen: Mit «DiDo» wäre es womöglich anders ausgegangen.
Aber drei Spielsperren für eine unabsichtliche Kollision mit dem Schiedsrichter sind selbst unter Berücksichtigung des besonderen Schutzstatus der Schiedsrichter ein hartes Verdikt. Ein solches Urteil gegen einen Schlüsselspieler wie Chris DiDomenico kann eine Playoff-Serie entscheiden. Deshalb wird nun eine Grundsatzdiskussion in der Strafzumessung geführt.
Schiedsrichterchef Andreas Fischer bestätigt auf Anfrage: «Ja, es stimmt, wir diskutieren darüber, ob es ab nächster Saison für die Ligajustiz möglich sein sollte, Vergehen gegen die Schiedsrichter auch mit einer oder zwei Spielsperren zu ahnden.» Also nicht das zwingende Minimum von drei Spielsperren, das nun bei Chris DiDomenico angewendet worden ist. Sondern die Möglichkeit, ein Vergehen mit einer oder zwei Sperren zu bestrafen.
Die Diskussion ist richtig. Die Liga ist ausgeglichen wie vielleicht nie. Spielsperren können unter Umständen über die Meisterschaft entscheiden.
In diesem Sinn: nicht die Strafen, sondern solche einfach nur dummen Vergehen können eine Meisterschaft entscheiden.