Jede Woche zwei Spiele in 24 Stunden an zwei verschiedenen Orten: Das gibt es in der ganzen Hockey-Welt in dieser extremen Form nur in unserer National League. Nicht einmal die NHL mutet ihren Stars regelmässig zwei Partien in 24 Stunden an zwei verschiedenen Orten zu. Zwei Spiele in 24 Stunden gibt es in Europa sonst nur noch in Finnland und in den Playoffs der übrigen Ligen. Aber es sind in der Regel zwei Partien in der gleichen Stadt. Ohne Reise dazwischen.
Seit mehr als zehn Jahren gibt es nun bei uns diese Doppel-Spieltage. Der Grund für die damalige Einführung: wirtschaftliche Interessen. «Mit den Spieldaten Freitag/Samstag erzielen wir die höchsten Zuschauerzahlen», sagt Spielplan-Chef Willi Vögtlin. Tatsächlich verzeichnet unsere National League die höchsten Zuschauerzahlen ausserhalb der NHL.
Aber sind diese Doppelspieltage auch gut für die Gesundheit der Spieler? «Nein, auf gar keinen Fall», sagt Dr. Beat Villiger. Er war jahrelang Klubarzt in Davos und als international hoch angesehener Sportmediziner ist er seit Jahrzehnten für den Internationalen Eishockey Verband (IIHF) tätig. Kaum einer weiss mehr über Eishockey und Medizin. Er sagt: «Bei einer WM sind Spiele an zwei Spieltagen hintereinander nicht zu vermeiden. Wir untersuchen die Folgen seit 2008. Die Resultate sind eindeutig. Die Verletzungsanfälligkeit ist im zweiten Spiel erheblich höher.»
Das Problem sei nicht die rein physische Belastung. Schwerer wiege durch die ungenügende Erholungszeit die psychische Beeinträchtigung, die zu einer verminderten Konzentrationsfähigkeit und damit höherem Verletzungsrisiko führe. Bei einer WM stehe zwischen zwei Partien in der Regel nicht auch noch eine Reise. «Aber in der Schweiz haben wir zwei Spiele in 24 Stunden daheim und auswärts. Die Reiserei erhöht die Belastung und beeinträchtigt die Erholungsphase durch die Störung der Schlafgewohnheiten.» Oft kommen die Spieler nach einer Auswärtspartie erst nach 03.00 Uhr nach Hause und müssen ein paar Stunden später schon wieder zum Aufwärmtraining fürs nächste Spiel antreten.
In der National League gibt es keine Grundlagenforschung in dieser Sache. «Wir wollten die Problematik untersuchen», sagt Beat Villiger. «Aber die Klubs machten nicht mit.»
Inzwischen mehren sich die kritischen Stimmen. Das Wort von SCB-Untersportchef Andrew Ebbett hat Gewicht. Der ehemalige SCB-Meisterleitwolf steht auch nicht im Verdacht, nach Ausreden zu suchen: Der SCB hatte ausnahmsweise an diesem Wochenende nur ein Spiel und besiegte Ambri 3:2. Die Tessiner hatten am Vortag Lugano 2:1 besiegt und ab Spielmitte ging ihnen in Bern nach einer 2:0-Führung die Energie aus.
Andrew Ebbet sagt: «Vor zehn Jahren waren zwei Partien an zwei Tagen noch eher machbar. Aber die Spiele sind inzwischen so viel intensiver und schneller geworden, dass dieser Modus zu mehr Verletzungen führt.» Auch ZSC-Manager Peter Zahner – er hat als langjähriger Verbands-Sportdirektor auch hohe sportliche Kompetenz – sieht die Problematik. Er gibt jedoch zu bedenken, dass in der Schweiz die Zusammenhänge zwischen Doppelspieltagen und Verletzungen wissenschaftlich zu wenig erforscht seien. «Es gibt viele Gründe, warum sich ein Spieler verletzt.»
Obwohl die Doppelspieltage inzwischen von verschiedensten Seiten kritisiert werden: Einen Aufstand gegen den exotischen Spielplan mag niemand anzetteln. Weil es angeblich um wirtschaftliche Interessen geht. Die Zuschauereinnahmen und die damit zusammenhängenden Erträge aus der Gastronomie sind für die Klubs existenziell.
Allerdings ist die Frage berechtigt, ob diese Doppelspieltage Freitag/Samstag oder Samstag/Sonntag wirtschaftlich tatsächlich noch Sinn machen. Die Frage wird von mehreren Seiten gestellt: Warum nicht künftig den Donnerstag und den Samstag zu den wichtigsten Hockeytagen machen? Das sei den heutigen Strukturen im Unterhaltungsangebot besser angepasst.
Andrew Ebbet hat noch ein wichtiges Argument: «Warum beginnen am Samstag alle Spiele einer Runde um die gleiche Zeit? Es wäre viel besser, drei Spiele am Nachmittag und drei am Abend auszutragen. Dann wäre es für die Fans möglich, zwei Spiele live zu sehen und wir hätten viel mehr TV-Präsenz.» Die TV-Präsenz ist der Sauerstoff des Sportgeschäftes.
Doch Liga-Geschäftsführer Denis Vaucher will nichts von Reformen wissen. Für ihn stehen die «Doppelspieltage» so wie sie jetzt sind nicht zur Debatte. Er rechnet auch nicht mit Änderungsanträgen. «Wir haben bei der Ansetzung der Spieltage verschiedene Bedürfnisse zu berücksichtigen. Die Regelspieltage Dienstag, Freitag und Samstag in der Regular Season haben bei uns eine lange Tradition. Sie sind vertraglich mit unseren TV-Partnern vereinbart und entsprechen auch den Bedürfnissen von Clubs und Fans.»
Denis Vaucher führt weiter aus, die TV-Partner wünschten möglichst Vollrunden mit begleitenden Studiosendungen und möchten die Spiele nicht auf zu viele Einzeltage verteilen. Weiter würden Sperrdaten der Clubs, der Champions Hockey League und der Nationalmannschaften die Flexibilität in der Spielplanung stark einschränken. Er rechne nicht mit Änderungsanträgen von den Klubs oder den TV-Partnern. Auch Spielplan-Chef Willi Vögtlin will keine Reform.
Alles soll also so bleiben, wie es schon immer war. Aber die Argumente von Denis Vaucher vermögen nicht zu überzeugen. Es sind die Argumente eines Verwalters, der die Veränderungen der Hockeywelt ignoriert. Oder nicht erkennt.
Eine Reform ist dringend erforderlich. Die Gelegenheit für eine Reform günstig wie nie. Ab nächster Saison beginnen die neuen TV-Verträge zu laufen. Jetzt ist es möglich, Änderungen aufzugleisen.
Es geht um die Gesundheit der Spieler. Sie müsste eigentlich für alle das höchste Gut sein.