
Sag das doch deinen Freunden!
Der SC Bern ist mit Abstand das wirtschaftlich stärkste Hockey-Unternehmen im Land. Und das einzige Spitzenteam, das ohne betriebsfremde Zuschüsse auskommt. Umsatz rund 50 Millionen Franken. Die höchsten Zuschauerzahlen ausserhalb der NHL. Trotz langanhaltender Krise war die Arena gegen Davos am letzten Samstag ausverkauft.
In Bern wird nächste Saison ein neuer Trainer an der Bande stehen. Oder noch diese Saison? Fragen an Marc Lüthi: Kommt es bald zu einem zweiten Trainerwechsel? Wird Nottrainer Lars Leuenberger abgesetzt?
Der grosse, sonst überaus schlagfertige SCB-Manager zögert mit der Antwort ungewöhnlich lange. Schliesslich sagt er: «Nein. Ein zweiter Trainerwechsel macht keinen Sinn. Lars Leuenberger macht alles für den Erfolg.» Und auf die Frage, ob ein weiterer Trainerwechsel in dieser Saison also ausgeschlossen werden könne, sagt er: «Diese Frage kann ich nicht beantworten.» Lars Leuenberger hat immerhin in 12 von 17 Partien gepunktet.
Marc Lüthi ahnt, dass die Spieler diese Saison zu oft und zu einfach zu wohlfeilen Entschuldigungen gekommen sind: Erst der Trainer, dann der Goalie, dazu die vielen verletzten Leistungsträger – stets gibt es gute Gründe, warum es gerade nicht so läuft, wie es sollte. So gesehen ist es kein Wunder, dass es in dieser Mannschaft längst keine Leitwölfe mehr gibt. Das SCB-Rudel trabt brav dahin. Jeder ist froh, dass von ihm nicht erwartet wird, dass er vorne läuft.
Was getan werden musste, ist ja inzwischen getan. Der Trainer ist ausgewechselt worden, ein ausländischer Torhüter ist da, für nächste Saison ist der neue Goalie schon unter Vertrag (Leonardo Genoni). Sportchef Sven Leuenberger hat sein Amt freiwillig Alex Chatelain überlassen und der neue Sportchef ist noch nicht einmal 100 Tage im Amt und daher auch von der Kritik ausgenommen. Und Ende Saison wird Lars Leuenberger sowieso freiwillig auf eine Weiterbeschäftigung verzichten – auch da ist Polemik nicht mehr nötig. Noch nie war das Krisenklima beim SCB so mild und freundlich. Nächste Saison wird alles besser sein. Und erst, wenn das nicht der Fall sein wird, ist im nächsten Oktober mit Sturmböen zu rechnen.
Daher bleibt beim SCB alles so wie es ist. Wirtschaftlich spielt es sowieso keine Rolle, wenn die Playoffs verpasst werden. Marc Lüthi sagt: «Ja, wir würden das Verpassen der Playoffs überstehen.» Aber er findet darin keinen Trost. Marc Lüthi mag ein Zahlenmensch sein («Chole-Marc») – aber er ist im Herzen ein SCB-Fan geblieben. Will heissen: sportlicher Misserfolg wird ihm nie egal sein. Auch wenn die Kasse stimmt. Er sagt: «Die unbefriedigende sportliche Situation ist sehr frustrierend und unangenehm. Wir leiden alle und vor allem leiden unsere Fans. Das ist uncool». Uncool. Aber eben nicht soooooooo dramatisch.
Der SC Bern kann die Playoffs nach wie vor erreichen. Die Mannschaft taumelt zwar von Spiel zu Spiel. Aber die berechtigte Hoffnung der Berner ist die Schwäche der direkten Gegner.
Die Kloten Flyers kommen einfach nicht aus der Krise heraus. Sie spielen das bessere Hockey als der SCB. Sie haben so viel Talent wie der SCB. Sie haben im Vergleich zum SCB kaum Verletzungspech und kein grosses Goalie-Problem. Am Trainer zu zweifeln, ist in Kloten fast so etwas wie «hockeytechnische Gotteslästerung»: An der Bande steht Sean Simpson. WM-Silberschmied, Sieger der Champions Hockey League und Triumphator über die Chicago Black Hawks. Auch in Kloten ist das Krisenklima ungewöhnlich milde und freundlich.
Die letzte, grosse Hoffnung der Kloten Flyers: Noch drei Partien gegen Langnau. Neun «Gratispunkte.» Aber es ist auch möglich, dass diese drei Partien zur Mutter aller Pleiten werden und in die blamabelsten Punktverluste der neueren Klubgeschichte münden. Aber auch in diesem Falle würde es windstill bleiben.
Bleibt noch das tapfere Ambri. Hans Kossmann hat die Hoffnung auf die Playoffs zurückgebracht. Aber die Punkte, die sein Vorgänger Serge Pelletier im Herbst verspielt hat, könnten am Ende fehlen und dem SCB die Playoffs bescheren. Die Mannschaft spielt seit Wochen am Limit und war daher gestern im Hallenstadion gegen die ZSC Lions nicht ganz unerwartet chancenlos (2:7). Ambri hat bei weitem nicht so viel Talent wie der SCB, ist mit den ausländischen Stürmern nicht zufrieden, hat aber, anders als der SCB, weder ein Goalie- noch ein Trainerproblem.
Am 29. Januar muss der SCB nach Ambri reisen. Dieses Spiel könnte entscheidend werden – und bleibt doch ohne Folgen. Denn auch in Ambri gibt es keine Polemik gegen den Trainer. Auch in Ambri ist das Krisenklima seit der Ankunft von Hans Kossmann freundlich und milde geworden. Wir erleben im Januar 2016 sozusagen eine krisentechnische Klimaerwärmung.
Mit den SCL Tigers als mutige, voll mit Herz spielenden Gallier angeführt von DiDomenico als Asterix und die Kloten Flyers als grossmächtige, arrogante Römer, ihrerseits angeführt von Herrn Simpson als Julius Cäsar.