Also doch noch die ZSC Lions. Sie gewinnen den 7. Final und den Titel in der Phase, in der sich Lausanne von der Dominanz der Zürcher erholt hat und das Spiel zu kippen droht. Das 1:0 nur 44 Sekunden vor der zweiten Pause wird sich als der Augenblick erweisen, in dem die Meisterschaft entschieden worden ist.
So logisch der Titelgewinn, so beschwerlich der Weg zum Gipfel. Im Blick zurück stellt sich die Frage: Wie kann es sein, dass ausgerechnet Lausanne als einziger Gegner die ZSC Lions zu fordern und bis an den Rand des Abgrunds zu drängen vermochte?
Wir finden die Antwort nach der spektakulärsten Saison der Geschichte (erstmals mehr als drei Millionen Fans) in der DNA unserer Liga. Die National League ist Europas beste Lauf- und Tempoliga. Ein einzigartiges «Papiliorama des Hockeys», ein Paradies für Schillerfalter. Das liegt daran, dass die vierte Grundtechnik neben Laufen, Passen und Schiessen weitgehend fehlt: das Körperspiel.
Die mehrheitlich mit Defensivaufgaben beschäftigten Spieler der dritten und vierten Linien sind in keiner anderen wichtigen Liga so «schmalbrüstig». Aus gutem Grund: Noch immer haben ein paar Tore und Assists für einen Hinterbänkler auf dem Transferbazar einen höheren Marktwert als Zweikampfhärte. Deshalb fehlt der National League zwischen September und März die Intensität.
Wir haben die spektakulärste, die schnellste, aber eben auch die weichste Liga Europas. Aber dann kommt Lausanne und mischt in den Playoffs die Liga mit Härte, Intensität, direktem und rauem Spiel auf. Welch eine Ironie: Ein Team aus der verspielten welschen Champagner-Hockeykultur lehrt die Deutschschweizer Härte.
Zum ersten Mal in dieser Saison, nach über 50 Partien, ist es den Zürchern im Final nicht mehr möglich, mit spielerischen und taktischen Mitteln eine Lösung zu finden. Dass sie dazu in der Lage sind, den Fehdehandschuh, den Lausanne ihnen hingeworfen hat, aufzunehmen und sich den neuen Gegebenheiten doch noch – buchstäblich im letzten Moment – anzupassen, macht die ZSC Lions zu einem der ganz grossen Meister des Playoff-Zeitalters (seit 1986).
Eine Anpassungsleistung, die nur mit einer intakten Kabine möglich geworden ist. Und mit einem smarten Sportchef (Sven Leuenberger) und einem erfahrenen, im «Pulverdampf» vieler Dramen geläuterten Trainer (Marc Crawford), der jedem die Rolle zugeteilt hat, die er auszufüllen vermag: Die Künstler tanzten, ohne deshalb offensiv egoistisch und defensiv verantwortungslos zu werden. Die Hinterbänkler taten ihre Pflicht und rumpelten, ohne zu überborden.
Die Herausforderung Lausanne hat die ZSC Lions 2024 zusammengeschweisst. Vor zwei Jahren waren sie nach der 3:0-Führung im Final gegen Zug durch den heraufziehenden Ruhm entzweit worden und verpassten die meisterliche Krönung. Die ZSC Lions von 2022 waren eine Interessengemeinschaft von freundlichen Jungmillionären, die ihren Trainer (Rikard Grönborg) nicht mehr mochten. Die ZSC Lions von 2024 sind hingegen eine verschworene Bruderschaft ganz im Sinne der Romantiker, die es zu schätzen wissen, dass das Ego ihres Trainers nicht grösser ist als das der Spieler.
Es gibt Bilder aus dem 7. Final, die uns die ganze Dramatik zeigen und erklären, warum es den Zürchern gelingt, das Glück ganz am Ende doch zu zwingen. Selbst der Schmetterling Denis Malgin beisst. Der talentierteste, eleganteste ZSC-Einzelspieler im Ehrengewand des Topskorers hat keine Angst vor grossen Tieren.
Er verletzt sich beim Versuch, den härtesten Gegenspieler – Michael Raffl – kurz vor der ersten Pause zu checken. Er verschwindet in der Kabine, kehrt im zweiten Drittel auf die Bank zurück, versucht wieder mitzuspielen. Er kann es wegen einer Knieverletzung nicht, muss auf der Bank bleiben und wird von Chris Baltisberger getröstet. Kurz darauf fällt das 1:0. Wenn Schmetterlinge weinen, feiern die Zürcher.
Lausanne ist ein grosser Verlierer. Der beste, seit Gottéron mit Slawa Bykow und Andrej Chomutow in den 1990er-Jahren dreimal im Final gescheitert ist. Hat Lausanne nur einen Frühling lang getanzt oder wird Lausanne, zuvor noch nie im Final und noch nie Meister, der neue grosse Herausforderer der Deutschschweizer werden? Das wird nächste Saison die grosse Frage sein. Ausser Biel, Gottéron und Ambri haben alle, die ihren ersten Final verloren haben, eher früher als später auch die Meisterschaft gewonnen.
Was heute auch mal gesagt werden darf, ja muss, ist das die Zebras die ja in diesen Playoffs wie jedes Jahr viel und oft auch zurecht kritisiert wurden, am heutigen Abend eine brilliante Leistung ablieferten die diesem Spiel absolut würdig war. Danke dafür!