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Eismeister Zaugg

Hockey-WM: Eismeister Zaugg erklärt, was Österreich gefährlich macht

KEYPIX - Jan Cadieux Jan, right, assistant coach of Switzerland national ice hockey team, talks to Switzerland's defender Dean Kukan, left, Switzerland's forward Sven Andrighetto #85, Switze ...
Die Schweizer Nati heckt den Plan für den Viertelfinal gegen Österreich aus.Bild: keystone
Eismeister Zaugg

So glücklich war Österreich noch nie und die gefährliche «Kaffeehaus-Falle»

Die Schweizer stehen gegen Österreich vor dem heikelsten WM-Viertelfinal mit Patrick Fischer. Und Hockey-Österreich hat gerade seinen glücklichsten Tag erlebt.
22.05.2025, 05:3222.05.2025, 10:04
klaus zaugg, herning
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Der erste Viertelfinal seit 31 Jahren! Gegen die Schweiz! Und grad auch noch neben einem Taggeld von 150 Euro eine Prämie von 9200 Euro eingespielt! Felix Austria! So glücklich wie am 21. Mai 2025 im dänischen Herning war (Hockey)-Österreich wohl noch nie.

Nichts trübt die Stimmung. Es ist der wunderbare Tag nach dem epochalen 6:1 gegen Lettland und vor dem Tag des Viertelfinales gegen die Schweiz. Und wer sich in Geschichte etwas auskennt, sieht ein gutes Omen: Am 21. und 22. Mai 1809 feierte Österreich einen sensationellen Sieg. In der Nähe von Aspern erlitt der grosse Napoléon gegen die österreichische Armee unter der Führung von Erzherzog Karl – dem wohl fähigsten General der österreichischen Geschichte – die erste Niederlage überhaupt in einer offenen Feldschlacht. Eine Niederlage der Schweizer im WM-Viertelfinal wäre eine mindestens so grosse Überraschung. Roger Bader als Erzherzog Karl des österreichischen Hockeys? Mögen die Hockeygötter davor sein.

Erzherzog Karl von Österreich-Teschen
Erzherzog Karl von Österreich-Teschen.Bild: wikimedia

Am Nachmittag des 21. Mai trifft Roger Bader mit seinen Männern endlich aus Stockholm einfliegend in Herning ein. Für ein Training reicht es nicht mehr. Aber es bleibt genug Zeit, um mit den Chronistinnen und Chronisten zu plaudern. Wahrscheinlich war das Medieninteresse bei einer WM im Ausland noch nie so gross. Der freundlich-fröhliche Auftritt von Nationaltrainer Roger Bader und seinen Männern in der Mixed-Zone der Arena ist auch eine Warnung vor der «Kaffeehaus-Falle.»

Roger Bader, head coach of Austria national ice hockey team, speaks with to media in the mixed zone one day before the IIHF 2025 World Championship quarter final game against Switzerland, at the Jyske ...
Roger Bader stellt sich in Herning den Chronisten.Bild: keystone

Mit dem Viertelfinal haben die Österreicher bereits alle Erwartungen übertroffen. Erleichterung, Lockerheit, berechtigter Stolz, freundliches, aber keckes Selbstvertrauen und Vorfreude auf das Spektakel-Spiel gegen die Schweiz prägen die Stimmung.

«Für mich ist das wohl das wichtigste Spiel meiner Karriere.»
Dominic Zwerger

Was die Sache aus unserer Sicht so heikel macht: Die Österreicher haben als einzige der vermeintlich kleinen Nationen keine Angst, keinen übertriebenen Respekt vor den Schweizern. Für sie ist dieser Viertelfinal ein aufregendes Abenteuer, bei dem sie nur gewinnen können. «Für mich ist das wohl das wichtigste Spiel meiner Karriere», sagt Ambris Dominic Zwerger.

Er steht als Beispiel für die ansteckende spielerische Euphorie seines Teams. Bei dieser WM hat er in 7 Partien schon drei Tore beigesteuert. Gleich viele wie in 54 Spielen bei Ambri. Er sagt, er habe hier ein wenig mehr offensive Freiheiten. Roger Bader ergänzt: «Er ist eine zarte Künstlernatur und man muss dafür sorgen, dass er sich wohlfühlt.» Oder in einem Satz: In Ambri ist Dominic Zwerger zu Fuss gegangen, mit der Nationalmannschaft fliegt er hier übers Eis. Was, wenn er gegen die Schweizer wieder über die Aussenbahnen fegt und fliegt wie ein Derwisch? Wenn auch seine Spielkameraden auf eine ähnliche Art und Weise über sich hinauswachsen? Dann droht eine später Revanche für Morgarten.

Austria's forward Dominic Zwerger speaks with to media in the mixed zone one day before the IIHF 2025 World Championship quarter final game against Switzerland, at the Jyske Bank Boxen, in Hernin ...
Ambri-Stürmer Dominic Zwerger freut sich auf das Spiel gegen die Schweiz.Bild: keystone

Nachgerade lustvoll betonen Nationaltrainer Roger Bader und jeder Spieler, der gefragt wird, die himmelhohe Favoritenrolle der Schweizer. Und sagen es lachend. Weil sie eben weder Angst noch übertriebenen Respekt vor den mächtigen Eidgenossen haben. Kleinmut ist ihre Sache nicht. Dieses Selbstvertrauen ist echt und ja durchaus berechtigt.

Wer die Slowakei im Penalty-Schiessen bodigt und Lettland in einem alles entscheidenden Spiel mit 6:1 geradezu vom Eis fegt, kann mit ein wenig Beistand der Hockey-Götter auch die Schweiz besiegen. Oder? Das ist die positiv aufgeladene Stimmung bei den Österreichern.

Österreich überfährt Lettland.Video: YouTube/IIHF Worlds 2025

Durch Erfahrungen, Erzählungen, Medienberichte oder kulturelle Prägungen entstehen Bilder im Kopf. Diese inneren Bilder helfen zwar, die Welt schnell einzuordnen, führen aber auch zu Vorurteilen. Und damit sind wir bei der «Kaffeehaus-Falle».

Gegen Schweden bis zwei Minuten vor Schluss noch 2:1 in Führung und nur unglücklich 2:4 verloren? Gegen Finnland durch ein zu Unrecht aberkanntes Tor wahrscheinlich um einen Punktgewinn gebracht? Gegen die Slowakei gerockt und gegen Lettland gerollt? Ja, ja, alles gut und schön. Aber das österreichische Hockey nimmt in der Eidgenossenschaft tief in der Seele trotzdem niemand richtig ernst. Gemütliches Beisammensein im Kaffeehaus und beschauliches Hockey in einer Operettenliga. Das sind nach wie vor die Bilder im Kopf, wenn wir an Eishockey zwischen Wien und Salzburg denken.

«Sie spielen frech, mutig und offensiv und sind nicht nur auf das Zerstören des Spiels aus wie beispielsweise die Norweger.»
Patrick Fischer über die Österreicher

Eine Niederlage im Viertelfinal gegen Österreich wäre in der Wahrnehmung unserer Sportöffentlichkeit die Mutter, die Tante, die Schwester, die Gotte und die Cousine aller WM-Blamagen. Punkt. Ruhm und Ehre gibt es nicht zu gewinnen. Selbst bei einem 10:0 würde es draussen in der Welt heissen: Na und? War ja nur Österreich. Das ist die heikle Ausgangslage vor diesem Viertelfinal. Das ist die «Kaffeehaus-Falle»

Nationaltrainer Patrick Fischer ist sich der Gefahr dieser «Kaffeehaus-Falle» sehr wohl bewusst. Sein Respekt für die Mannschaft von Roger Bader ist echt und nicht bloss verbale Heuchelei. «Die Österreicher haben in den letzten Jahren von allen kleineren Nationen am meisten Fortschritte gemacht.» Er lobt die spielerische Entwicklung. «Sie spielen frech, mutig und offensiv und sind nicht nur auf das Zerstören des Spiels aus wie beispielsweise die Norweger.»

Die Österreicher sind also sozusagen die kleinen Schweizer und sie stehen dort, wo wir vor 15 Jahren waren, als wir uns daran machten, die Hierarchie in der Hockeywelt aufzurollen. Das macht die Männer von Roger Bader zu teuflisch gefährlichen Aussenseitern und diesen Viertelfinal zur «Kaffeehaus-Falle».

Das Selbstvertrauen der Schweizer ist ein gesundes. Auch das ist an diesem Tag zu spüren. Überheblich sind sie nicht. Der Vorwurf, die Österreicher seien unterschätzt worden, wäre im Falle des Undenkbaren (einer Niederlage) unfair, ja auf bösartige Art und Weise polemisch. Patrick Fischer hat seine Männer gut auf diese hochheikle Herausforderung vorbereitet. Die Strategie ist klar: Das eigene Spiel spielen, die guten Gewohnheiten beibehalten. Dann sollte eigentlich nichts schiefgehen.

Hockeytechnisch und eigentlich auch sonst alles ist vorgekehrt, was vorgekehrt werden kann. Alles ist bedacht, was bedacht werden muss. Eigentlich ist eine Niederlage, ein Tappen in die «Kaffeehaus-Falle» undenkbar. Oder?

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quelle: keystone / ennio leanza
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    Darauf muss die Nati beim WM-Viertelfinal gegen Österreich achten
    Die Schweiz ist heute im WM-Viertelfinal (16.20 Uhr im watson-Liveticker) Favorit. Trotzdem muss sie einige Dinge beachten, wenn es keine Blamage werden soll.

    Ist Österreich wirklich ein «Freilos» im WM-Viertelfinal, wie es watson-Eismeister Klaus Zaugg beschrieben hat? Oder ist es eine Stolperfalle par excellence? Vermutlich steckt in beiden Aussagen etwas Wahrheit. Klar ist: Die Nati ist heute Favorit. Sie muss aber auch einige Dinge beachten, wenn es keine Blamage sein soll.

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