Vier Finnen, ein Deutscher und ein Kanadier: Nie waren die Langnauer internationaler und nie waren die Ausländer so wichtig. Die Langnauer haben die Schweizer Spieler für ein konkurrenzfähiges Team in der Swiss League. Ein guter Goalie (Luca Boltshauser) und sechs Ausländer machen daraus eine Mannschaft, die mit den bösen Hunden bellen kann. Die SCL Tigers sind so gesehen die grossen Profiteure der neuen Ausländerregelung. Sie haben jetzt schon mehr Punkte (40) als während der ganzen letzten Saison (35). Eine der erstaunlichsten Steigerungen seit Einführung der Playoffs (1986).
Zum ersten Mal leben also sechs ausländische Spieler im Dorf mit rund 10 000 Einwohnern. Harri Pesonen, Aleksi Saarela, Vili Saarijärvi und Sami Lepistö aus Finnland, Marc Michaelis aus Deutschland und Cody Eakin aus Kanada.
Das Wohlbefinden des ausländischen Personals ist von existenzieller Bedeutung. Also befindet sich nun auf dem Dach des Langnauer Hockeytempels eine Sauna. Eine mobile Konstruktion, ein sogenannter Spa-Bungalow. Toilette, Dusche, Lavabo, ja gar ein Ruheraum und eine Aussenbeleuchtung. Es fehlt an nichts. Sechs mal sieben Meter gross ist der moderne Komplex, geheizt wird mit einem Holzofen. So nachhaltig wie möglich eben.
Die «Berner Zeitung» hatte Anfang November in einer Story berichtet, dass sich die vier Finnen im Emmental wohlfühlen. Und doch hätten sie unisono etwas zu bemängeln: die fehlende Sauna in der Eishalle. Christoph Lädrach sah sich als Saunabauer verpflichtet, zu handeln. «Ich fühlte mich angestachelt und wollte die Dinge in die Hand nehmen. Wir müssen doch alles unternehmen, um die Finnen bei Laune zu halten.» Er gehört zum Club 76, mit über 70 Mitgliedern eine bedeutende Sponsorenvereinigung. Mit weiteren Partnern initiierte und finanzierte er das Projekt und setzte es innert zehn Tagen um und aufs Stadiondach. Weil rund um die Garderoben genug grosse Räume fehlen, blieb das Dach als einzige Option.
Das Holz zum Heizen stellt niemand Geringeres als Martin Gerber zur Verfügung. Der Aufstiegsheld von 1998, in Amerika Millionär und berühmt geworden (Stanley-Cup-Sieger), lebt heute mit seiner Familie in Langnau, betreut die U 13-Junioren der Langnauer und ist auch Waldbesitzer. Nach der Saison wird die Anlage wieder abgebaut. Womöglich wird sie im nächsten Herbst wieder in Betrieb genommen. Weil noch mehr finnisches Personal angestellt wird. Die Zwillinge Jesper und Alexis Peltonen (24) haben eine Schweizer Lizenz und wissen noch nicht, wo sie nächste Saison spielen werden. Die Söhne von Ville Peltonen haben eine Schweizer Lizenz. Jesper ist zurzeit Defensivverteidiger bei Aufsteiger Kloten, Aleksi Captain bei St. Lawrence in der höchsten US-Universitätsliga (NCAA).
Das Unternehmen SCL Tigers Hockey AG ist zwar zu einem der wichtigsten Arbeitgeber im oberen Emmental geworden. Mit rund 70 Vollzeitstellen in Sport, Administration und Gastronomie und einem Umsatz von mehr als 15 Millionen. Die gleichen Saläre wie der SCB, die ZSC Lions, Zug, Lausanne oder Lugano können die Langnauer trotzdem nicht bezahlen und einer der sechs Hockey-Beatles verdient sogar weniger als 200'000 Franken netto.
Aber das Dorf im Emmental bietet erstaunliche Lebensqualität. Die besondere Lage im Talkessel zwischen Hügeln, die ein wenig an die Mittelerde aus dem Filmepos «Herr der Ringe» mahnen, führt dazu, dass auf der Alpennordseite nur noch Davos mehr Sonnentage aufzuweisen hat. Und alle wissen zu schätzen, dass in Langnau jedes Geschäft für den täglichen Bedarf und das Stadion zu Fuss erreichbar sind.
Bei den kurzen Wegen ist es gar nicht so schwierig, alle ausländischen Spieler der SCL Tigers für Small Talk im Hotel Hirschen und für Gruppenaufnahmen im Dorf zu versammeln. Die Verbindung mit den «Beatles» kommt von Cody Eakin. Als Fotograf Marcel Bieri die sechs bittet, für ein Bild auf einer Reihe locker auf ihn zuzugehen, sagt der Kanadier spontan: «Ah, für Bilder wie von den Beatles.» Tatsächlich gibt es ja berühmte Aufnahmen, wie die Mitglieder der legendären britischen Beat-, Rock- und Pop-Band in einer Reihe dahinschreiten. Der Unterschied: Es gab vier Beatles. Aber aktuell sechs ausländische Spieler in Langnau.
Das ist nur ein nebensächliches Detail. Der Vergleich ist nämlich durchaus treffend. Wenn die sechs Ausländer der SCL Tigers im Hirschen um den Tisch herumsitzen, mahnen sie ein wenig an eine Rockband. Auf dem Eis sind alle gleich gekleidet und tragen auch noch einen Helm. Kenner sehen vielleicht einen Unterschied im Laufstil und der Rolle im Spiel. Aber sonst sind die «glorreichen Sechs» von Laien zweifelsfrei nur durch die Rückennummer zu erkennen.
In Zivil sind die Unterschiede hingegen erheblich, sofort ersichtlich und die gute Laune verrät: Da haben junge Männer viel Spass. Statt bei Rockmusik eben beim Hockey. Einem aufregenden, unberechenbaren Spiel auf rutschiger Unterlage. Und ein wenig eine wilde Sache. Der Vergleich mit einer Rockband passt ja noch aus einem weiteren Grund: Da touren mehr als 20 junge Männer mit einem komfortablen Bus durchs Land und geben nebst zahlreichen Auftritten vor eigenem Publikum mehr als 20 Gastspiele im ganzen Land zwischen Genf und Davos, Lugano und Zürich. Tigers on Tour. Die sechs Hockey Beatles als Stars und Schweizer als Roadies.
Selbst wer nicht weiss, wer die sechs jungen Männer sind, erkennt sofort: Harri Pesonen ist der Leitwolf. Tatsächlich hat er auf diese Saison auch das Amt eines Captains übernommen. Sozusagen den Vorsitz in der Kabine. Freundlich, kommunikativ, um keine Antwort verlegen. Mehr Sascha Ruefer als Mika Kaurismäki entspricht er nicht dem Klischee des introvertierten, schweigsamen Finnen. Vili Saarijärvi mahnt ein wenig an einen Lausbuben aus Klaus Schädelins köstlichem Roman «Mein Name ist Eugen», Aleksi Saarelä an einen aufmerksamen Musterschüler und der gelassene Sami Lepistö an eine Vaterfigur einer Rasselbande. Er strahlt etwas von der Autorität aus, die ein wenig an den Hagelhans aus «Ueli der Pächter» erinnert. Cody Eakin ähnelt mit den längsten Haaren tatsächlich einem Rockmusiker und wegen der roten Haarfarbe irgendwie einer wilden Version von Prinz Harry. Marc Michaelis hat die höfliche, zurückhaltende, beinahe scheue Art eines Musterschweizers.
Die Rolle von Harri Pesonen als Leitwolf des Teams im Allgemeinen und der «Beatles» im Besonderen kann gar nicht überschätzt werden. Das wichtigste Transfergeschäft für Sportchef Pascal Müller ist die Vertragsverlängerung mit dem finnischen Weltklassestürmer. «Ich will auch nächste Saison in der Schweiz spielen», sagt Harri Pesonen. «Aber wo, ist noch offen.» Er fühle sich wohl in Langnau, konkrete Offerten von anderen Teams habe sein Agent noch keine vorliegen und während der Festtage werde er sich Gedanken über seine Zukunft machen. Die Verträge von Marc Michaelis, Cody Eakin und Sami Lepistö laufen ebenfalls aus, die Kontrakte von Vili Saarijärvi und Aleksi Saarela laufen weiter.
Nun wissen die Langnauer wohl am besten, dass ausländische Spieler auch wilde Kerle sein können. Todd Elik, noch heute, 18 Jahre nach seinem letzten Spiel der populärste von allen, pflegte den Habitus eines Rockstars. Er hat auch durch seine Eskapaden neben dem Eis ewigen Kultstatus. Die Frage geht in die Runde am Tisch im Hirschen. Geht es manchmal wild zu und her? Ein bisschen Schmunzeln da. Ein verlegenes Lächeln oder gedankenverlorenes Schweigen hier. Nachtleben in Langnau? Davon hat eigentlich noch keiner je etwas gehört.
Erst nach einigem Hin und Her erinnert sich die Runde überhaupt an Namen von Lokalen. Nur Harri Pesonen, der ja von allen schon am längsten hier lebt, scheint etwas mehr zu wissen. Er sagt, er habe einmal etwas von einem Kellerlokal gehört – «ich glaube, es hiess Waschmaschine oder so» – das aber nicht mehr offen sei und wo es in den Zeiten der Coronaeinschränkungen hoch zu und hergegangen sei. Aber Genaueres wisse er auch nicht zu berichten. Er habe im Dorf einmal etwas gehört.
Nein, keiner pflegt den Lebensstil eines Rockstars. Die wilden Zeiten sind definitiv passé. Schliesslich ist die Belastung inzwischen gerade für die Ausländer noch höher als zu den glorreichen Zeiten von Todd Elik, die nun auch schon mehr als 15 Jahre her sind. Zu den Ligaspielen kommen oft noch Länderspiele und Titelturniere auf allerhöchstem Niveau.
Beim Spengler Cup sind vier der sechs Ausländer dabei. Durchaus möglich, dass nächste Saison die ganze Mannschaft nach Davos zum Turnier reisen wird. Auf die Frage, ob es denkbar sei, dass nächste Saison Langnau als zweites Schweizer Team eingeladen werde, sagt HCD-Präsident Gaudenz Domenig: «Ja, das ist denkbar. Wichtig ist für uns, dass sich ein Klub für das Turnier begeistert, und das ist bei Langnau ganz sicher der Fall. Die Langnauer sind sehr interessiert und wenn die sportliche Konkurrenzfähigkeit gegeben ist, dann steht einer Teilnahme der SCL Tigers eigentlich nichts im Wege.» Vor allem dann nicht, wenn die Ausländer so rocken wie diese Saison.
Und Langnau würde gut daran tun, mir alle Ausländern zu verlängern, welche für nächste Saison noch nicht unter Vertrag sind - Personen, Michaelis, Lepistö und Eakin!
Hohohopp Langnou 🐯
Wünsche allen Hockeybegeistetern schöne und erholsame Festtage!!
Gruss aus dem Emmental