Dienstag, 27. Januar 2015. Es ist ja nur eine von 50 Qualifikationspartien. Nicht einmal ein Derby. Und doch ist es ein ganz besonderes Spiel, das uns den Mythos Ambri erklärt. Es geht wieder einmal um alles. Wenn Ambri verliert, gibt es keine Playoffs. Die Tessiner spielen hockeytechnisch nicht gut. Die Kloten Flyers haben mehr Talent und an der Bande steht mit Sean Simpson einer der grössten Bandengeneräle ausserhalb der NHL.
Aber Ambri gewinnt. Die Leidenschaft macht die Differenz. Für Ambri ist dieses Spiel eine heilige Hockeypflicht. Eine Mission. Mehr als 4500 Menschen sind an einem ganz gewöhnlichen Werktag in winterlicher Kälte hinauf ins karge Bergtal der Leventina gereist. Von Süden herauf. Vom Norden her durch den drittlängsten Strassentunnel der Welt. Wer so viel Mühsal auf sich nimmt, hat eine ganz besondere Beziehung zu seinem Klub. Und wer für so ein Publikum spielt, arbeitet ausdauernder, kämpft leidenschaftlicher, checkt härter und läuft schneller. Ambri siegt gegen die Kloten Flyers 5:3 und kann wieder auf die Playoffs hoffen.
Eigentlich schien die Saison schon gelaufen. Am 10. Januar 2015 verliert Ambri in Bern 3:4 und seinen Topskorer Keith Aucoin durch eine Verletzung. Der Rückstand auf den 8. Platz beträgt nun zehn Punkte. Jede andere Mannschaft hätte aufgegeben. Aber Ambri reagiert. Überrollt Biel 6:4, bodigt den SCB 3:2, holt in Lugano einen Punkt und jetzt das 5:3 gegen Kloten. Wie ist das möglich? Die Torhüter liefern uns die Erklärung.
Ein Blick in die Statistik der Fangquoten zeigt, welch zentrale Rolle Ambris Torhüter im Vergleich zur direkten Playoff-Konkurrenz spielen.
Ambri
Sandro Zurkirchen 91,94 Prozent
Michael Flückiger 90,04 Prozent
Biel
Simon Rytz 89,63 Prozent
Lukas Meili 85,76 Prozent
Fribourg
Benjamin Conz 88,76 Prozent
Melvin Nyffeler 90,17 Prozent
Kloten Flyers
Martin Gerber 90,35 Prozent
Jonas Müller 88,66 Prozent
Janick Schwendener 89,38 Prozent
Am 21. November fordert Ambri den Zorn der Hockeygötter heraus: Ohne Not wird Michael Flückiger für drei Partien an Servette ausgeliehen - und dort erwischt er im dritten Spiel (gegen Gottéron) eine Gehirnerschütterung und fällt für zwei Monate aus. Am 28. November erwischt es auch noch Sandro Zurkirchen gegen Zug (3:2 n.V.) mit einer Knieverletzung. Ambri hat in einer Woche seine beiden Goalies verloren.
Sollte Ambri die Playoffs nicht schaffen, dann wegen der Kalberei des Flückiger-Transfers zu Servette. Denn nun muss am 29. November ausgerechnet in Biel zur Not Langnaus Lottergoalie Lorenzo Croce ins Tor. Nach 3 Minuten und 33 Sekunden steht es schon 0:3 und am Ende verliert Ambri 3:6.
Die Rechnung ist einfach: Mit Michael Flückiger hätte Ambri in Biel wohl gewonnen – und dann hätte Biel jetzt 48 Punkte (statt 51) und Ambri stünde mit 51 Zählern (statt 48) auf dem 8. und letzten Playoffplatz.
Erst am 23. Januar stehen Michael Flückiger und Sandro Zurkirchen wieder gemeinsam auf dem Matchblatt. Der SCB wird 3:2 gebodigt und seither hat Ambri in allen Partien gepunktet. Am Dienstag hat Sandro Zurkirchen das 5:3 gegen Kloten möglich gemacht.
Wenn der ehemalige Zuger Junior sagt, nun sei wieder alles möglich, so ist das mehr als eine Floskel, die jeder Spieler in so einer Situation sagen muss. Sandro Zurkirchen hat letzte Saison in Ambri die Chance bekommen, die ihm Zug nicht geben wollte und er ist mit einer Leidenschaft dabei, die weit über das übliche professionelle Engagement hinausgeht.
Wenn Ambri nun am Freitag gegen Servette und am Samstag in Fribourg nicht mindestens drei Punkte holt, wird es trotz allem schwierig.
Aber entscheidend ist, dass Ambri noch einmal aufgestanden ist, ein Zeichen gesetzt hat und die Hoffnung befeuert, dass es vielleicht doch noch reicht. Und wenn nicht für die Playoffs 2015, dann sicher im nächsten Jahr für die Playoffs 2016.
Diese Hoffnung ist es, die Ambri seit jeher am Leben erhält. Sie ist wie der Zucker im Cappuccino. Auch wenn sie noch so klein ist, so versüsst sie doch alles.