Das Silber-Wunder von 2013 in Stockholm (1:5-Finalniederlage gegen Schweden) hat uns eine Depression beschert. In den folgenden vier Jahren verpassten wir dreimal das Minimalziel Viertelfinal (WM 2014 und 2016, Olympia 2014).
Nicht Siege sorgten für Schlagzeilen. Sondern die Wirren um die Position des Nationaltrainers: Silberschmied Sean Simpson geht im Frühjahr 2014 grollend, Sein Nachfolger Glen Hanlon wirft das Handtuch im Herbst 2015 nach nur einer Saison.
Im Dezember 2015 übernimmt Patrick Fischer – und er verpasst bei seiner ersten WM (2016) und beim olympischen Turnier (2018) das Viertelfinale ebenfalls.
Solche Zustände sind nicht mehr zu befürchten. Patrick Fischer hat die Nationalmannschaft durch ein neues Denken verändert.
Die Wirkungsmächtigkeit des Nationaltrainers wird oft unterschätzt. Eine charismatische, mutige Persönlichkeit kann auf dieser Position schneller und nachhaltiger Veränderungen durchsetzen als im Klub.
Patrick Fischer hat den Mut, grosse Ziele anzustreben (WM-Titel) und neue Wege zu gehen. Und er hat das Selbstvertrauen, um sich nicht irritieren zu lassen. Er beginnt mit wildem «Pausenplatz-Hockey», verpasst bei seiner ersten WM 2016 in Moskau die Viertelfinals, bleibt seiner Philosophie treu, justiert mit Hilfe seines neuen Assistenten Tommy Albelin das System und erreicht 2017 später in Paris den Viertelfinal und 2018 den Final.
Die Silber-WM 2013 war ein Wunder und wurde auch so empfunden. Niemand in unserem Hockey hatte je einen solchen Höhenflug erlebt. Es ist also keine Überraschung, dass die Bestätigung nicht gleich gelungen ist.
Die Silber-WM 2018 ist hingegen schon fast logisch. In Bratislava treten 16 Spieler mit Finalerfahrung und silbernem Ruhm an. Simon Moser, Reto Berra, Raphael Diaz und Roman Josi sind sogar doppelte Silberhelden. Vom letztjährigen Silber-Team sind noch 13 Feldspieler und zwei Goalies dabei.
Diese neuen Spielergeneration prägt die Nationalmannschaft. Im Zweifel bleiben die «Alten» zu Hause (Denis Hollenstein) und werden durch die Jungen (Philipp Kuraschew) ersetzt. Die Aufgebote sind nicht mehr politisch und rückwärtsgewandt (auf die «Alten» setzten, damit im Falle eines Falles die Kirche im Dorf bleibt). Sie sind auf die Zukunft ausgerichtet.
Was können wir nun in Bratislava erwarten? Den Final. Werden wir den Final erreichen? Warum nicht? Aber auch eine Niederlage im Viertelfinale ist möglich. Es wäre kein Scheitern der Philosophie von Patrick Fischer. Sondern bloss ein Atemholen. Für alle Grossen kann im Viertelfinale Endstation sein.
Früher führte eine Viertelfinal-Niederlage zu Bescheidenheit. Zu Erklärungen nach dem Motto: «wir sind halt noch nicht gut genug». Zu Analysen, warum es eben nicht reicht. Nun ist die Denkweise eine andere. Sollte die WM nach dem Viertelfinale zu Ende sein, dann wird es nicht heissen «wir sind halt noch nicht gut genug». Dann läuft die Aufarbeitung nach dem Grundsatz: «Wir waren gut genug. Was müssen wir tun, damit wir es nächstes Jahr bei der WM in der Schweiz schaffen?».
Das Silberteam von 2018 und die WM-Mannschaft von 2019 haben ungefähr gleich viel Talent. Aber die «Ausgabe Batislava» ist «schweizerischer». 2018 waren sieben NHL-Profis dabei. Jetzt sind es fünf. Das WM-Team 2019 ist spielerisch stärker durch die typischen helvetischen Qualitäten Talent und Tempo geprägt. Aber weniger durch Wucht, Wasserverdrängung und Abschluss-Effizienz.
Die Schnelligkeit und die Intelligenz der WM-Neulinge Nico Hischier (20) und Philipp Kuraschew (19) vermögen auf der Mittelachse die Wucht und die Torgefährlichkeit der beiden NHL-Stürmer Nino Niederreiter (26) und Timo Meier (22) auf den Aussenbahnen nicht zu kompensieren. Die defensive Organisation ist eher besser, aber wir haben keinen Ersatz für NHL-Verteidiger Mirco Müller (24) gefunden. Und wird Leonardo Genoni wieder hexen wie 2018? Auf diese so entscheidende Frage gibt es noch keine Antwort.
Damit zeichnet sich ab, dass die Schweizer zwar bei dieser WM jeden Gegner spektakulär dominieren können. Aber dass sie für jedes einzelne Tor noch mehr laufen und noch härter arbeiten müssen. Es kann sein, dass wir an fehlender Chancenauswertung im Viertelfinale scheitern.
Ist es sogar denkbar, dass die WM für die Schweizer bereits nach der Vorrunde zu Ende ist? Dass wir Italien, Norwegen, Österreich und Lettland nicht hinter uns lassen können? Dass wir Ausrutscher gegen diese Kleinen nicht mehr durch Siege gegen einen der Grossen (Schweden, Russland, Tschechien) zu kompensieren vermögen?
Alles ist denkbar. Nationaltrainer Bob Hartley hat die Letten so gut organisiert und diszipliniert, dass sie dem Druck der talentierteren Schweizer standhalten können.
Aber selbst eine Niederlage gegen Lettland wäre kein Grund, alles in Frage zu stellen. Sondern ein Grund, für die WM im nächsten Jahr in der Schweiz noch konsequenter auf die spielerische, die «schweizerischen» Qualitäten zu setzen.
Es ist nicht die Frage ob, sondern nur wann wir wieder eine Medaille holen werden. Grund zur Sorge gibt es höchstens neben dem Eis. Bratislava ist die letzte WM von Raeto Raffainer. Er hat als Sportdirektor des Verbandes die Philosophie von Patrick Fischer mitgestaltet und mitgetragen. Zugleich war er in heiklen Phasen auch der Gegenpol («Yin und Yang») des Nationaltrainers.
Raeto Raffainer wechselt zum HCD. Der neue Sportdirektor heisst Lars Weibel. Er neigt zum Opportunismus.
da wird ja ein ganz anderer patrick fischer beschrieben als noch anfangs 18. da hat sich der zauberlehrling im balerina-röcklein aber smart entwickelt. 😉
und Lars Weibel hat den letzten Satz nicht verdient ausser er hat irgendwo solchen Opportunismus gezeigt. Ganz gross Herr Zaugg.