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ZSC und EVZ im Tief: Sollen die Trainer reden oder toben?

Lange Gesichter bei den ZSC Spielern mit Denis Hollenstein (ZSC), Mitte, waehrend dem Meisterschaftsspiel der National League zwischen den SC Rapperswil Jona Lakers und den ZSC Lions, am Freitag, den  ...
Trotz viel Starpower kommen die ZSC Lions momentan nicht vom Fleck.Bild: keystone
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Die ZSC Lions und den EV Zug plagt die gleiche Frage: Reden oder toben?

Die Titanen Zug und ZSC Lions taumeln mit helvetischen Trainern durch den Herbst und stehen auf den Rängen 6 und 7. Die Parallelen sind bemerkenswert und der pädagogische Lösungsansatz ist bei beiden ebenfalls ähnlich.
14.10.2025, 07:3314.10.2025, 14:59

Der Meisterblues hat die ZSC Lions – Europas erfolgreichstes Team der letzten Saison – erfasst. Ein Kalauer (= Wortspiel) erklärt das Problem: Nichts ist für einen Spieler so schwer zu ertragen wie eine Reihe von meisterlichen Tagen. Die Zürcher haben in zwei Jahren drei Titel gefeiert (Meister 2024 und 2025 plus Triumph in der Champions League).

ZSC-Sportchef Sven Leuenberger kennt diese Situation inzwischen besser als alle seine Berufskollegen: Er dirigierte den Meisterblues dreimal in Bern und nun nach 2018, 2024 und 2025 auch in Zürich bereits zum dritten Mal. Meisterblues umschreibt die Stimmung bei den ZSC Lions vortrefflich: 2:3 in Rapperswil-Jona und 24 Stunden später 1:2 gegen Ambri auf eigenem Eis.

Weil Sven Leuenberger sich mit dieser Problematik also auskennt und weiss, wie die Worte der sportlichen Chefs in heiklen Phasen auf die Goldwaage gelegt, interpretiert oder gar von boshaften Berichterstatterinnen und Berichterstattern zugespitzt werden, mag er die aktuelle Ausgangslage nicht kommentieren. Punkt. Schluss. Ende der Durchsage.

Sportchef Sven Leuenberger spricht waehrend der Vorsaision Medienkonferenz der ZSC Lions am Dienstag, 26. August 2025 in der Swiss Life Arena in Zuerich. (KEYSTONE/Michael Buholzer)
ZSC-Sportchef Sven Leuenberger kennt sich mit Meisterblues bestens aus.Bild: keystone

Aber er muss ja auch gar nichts sagen. Wer die ZSC-Lage analysieren will, muss nur ein wenig in den Erinnerungen kramen. Über die Jahre haben sich Sportdirektoren, Trainer, Präsidenten oder Verwaltungsräte bei verschiedensten Klubs immer und immer wieder zum Thema Meisterblues geäussert. Es sind «ewige Wahrheiten», die – zusammengefasst – so tönen: «Nach einer Meistersaison denken viele, sie seien nun besser. Verteidiger fühlen sich wie Roman Josi oder Bobby Orr und laufen zu lange mit der Scheibe, Viertlinienstürmer sehen sich zu offensiv höherem berufen und wenn es den Stars nicht läuft, war es ein Foul hier, das nicht gepfiffen wurde oder Pech da.»

Noch nie in der Geschichte hat ein Sportchef gesagt, sein Team sei das teuerste oder talentierteste der Liga und sei deshalb mit spielerischer Leichtigkeit zum Titel getanzt. Vielmehr gibt es meistens diese Einschätzung in Zeiten des Meisterblues. «Wir hatten kämpfen gelernt. Das war unsere DNA. Es gibt in dieser Liga talentiertere Mannschaften. Aber wir waren besser, weil wir kompakt und kampfstark waren. Das haben einige bei uns vergessen.» Und auch das Rezept gegen den Meisterblues ist ewig das gleiche: «Jeder muss in den Spiegel schauen und einsehen, dass nicht die Schiedsrichter, der Sportchef oder der Trainer schuld sind …»

Die Schlüsselfrage ist natürlich, wie diese Einsicht auch ohne Trainerwechsel gefördert werden kann. Ob durch Reformpädagogik oder durch schwarze Pädagogik.

Die Reformpädagogik setzt auf Verständnis und Gespräche und wendet sich gegen die autoritäre Erziehungsmethodik aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Die schwarze Pädagogik, die seit gut hundert Jahren weitgehend aus unserem Schulwesen verschwunden ist, basiert hingegen auf Einschüchterung und Erniedrigung (kurz: Toben). Sie ist im Hockey, einem Spiel der rauen Männer und Worte, nach wie vor in Zeiten der Krise recht weit verbreitet und zeigt hin und wieder immer noch Wirkung.

Sven Leuenberger dürfte in seinem Wesen und Wirken eher ein Reformpädagoge sein. Verlässliche Gewährsleute melden jedenfalls, er habe in der Kabine bisher nicht getobt, ja er habe noch nicht einmal eine Kabinenpredigt gehalten. Und eigentlich kann auch Trainer Marco Bayer die schwarze Pädagogik gar nicht glaubwürdig anwenden: Er wäre tobend wahrscheinlich nicht mehr authentisch. Also Gespräche. Und so dürfte dem ZSC-Sportchef der Champions League-Ausflug nach Tampere gar nicht so ungelegen kommen: Während so einer Reise wird sich für ihn schon diese oder jene Gelegenheit zu einem Gespräch ergeben.

ZSC Lions Cheftrainer Marco Bayer waehrend dem Spiel der Qualifikation der Eishockey-Meisterschaft der National League zwischen den Teams ZSC Lions und EHC Biel-Bienne am Dienstag, 9. September 2025,  ...
ZSC-Trainer Marco Bayer ist keiner, der laut wird.Bild: keystone

Das Problem der Zürcher bleibt aber, dass den Worten nun gegen Ilves Tampere Taten folgen müssen. Die nationale Meisterschaft wird nicht im Oktober entschieden. Ein paar Niederlagen wie jene gegen die Lakers und Ambri machen noch keine Krise oder Trainer-Absetzung. Aber in der Champions League ist die Ausgangslage eine ganz andere: Im Falle einer Niederlage heute Abend im letzten Gruppenspiel gegen das erfolgreichste Team des laufenden Wettbewerbes droht dem Titelverteidiger das Ausscheiden. Was dann wohl das Ende der Reformpädagogik und einen Wechsel zur schwarzen Pädagogik provozieren könnte.

In Zug ist die Gemütslage eine ähnliche. Der Ruhm der Titel von 2021 und 2022 ist zwar verblasst. Also kein Meisterblues. Aber auf den Ausländerpositionen ist nun kräftig nachgerüstet worden und die Erwartungen sind hoch. Die ausländischen Arbeitnehmer taugen nicht zu Sündenböcken. Sie haben bisher 67,65 Prozent der Tore erzielt. Der höchste Wert der Liga.

Für den Gemüts-Zustand der Zuger gibt es eine wunderbare französische Redewendung: «Ni Loup, ni Chien». Weder Wolf noch Hund. Oft gebraucht, um die melancholische Stimmung in Worte zu fassen, wenn nicht klar ist, ob eigentlich noch Tag ist oder ob die Nacht schon begonnen hat. Oder eben ob in Zug schon die Nacht der Krise heraufzieht oder ob es nur die Abenddämmerung der Ratlosigkeit ist. Kurzum: Wenn nicht klar ist, wohin die Reise gehen wird.

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Der Puck will nicht den Weg der Zuger gehen. Vor dem Spiel am letzten Samstag in Bern fiel auch noch Andreas Wingerli aus. Die krankheitsbedingte Absenz des Schweden bescherte Sol Fueter (Jahrgang 2008) das Debüt in der höchsten Liga. Er bekommt als 13. Stürmer in Bern allerdings nur 12 Sekunden Eiszeit. Wegen der langen Absenzen-Liste, die inzwischen acht Mann umfasst, darf auch Jan Daron, ebenfalls mit Jahrgang 2008, in Bern zum ersten Mal in der National League stürmen. Und das gleich neben Grégory Hofmann und Jan Kovar in der ersten Formation. Tatsächlich überzeugt der Neuling mit 10:52 Minuten Eiszeit. Aber auch er kann sich nicht in der Skorerliste eintragen.

Es fehlen zu viele Stammspieler und gegen den SCB standen nur noch fünf Ausländer zur Verfügung. «Die zwei Junioren sind die besten Spieler, die wir noch ins Team holen konnten», sagt Sportchef Reto Kläy, der sportliche Architekt des ruhmreichen modernen EVZ nach den zwei Niederlagen in 24 Stunden gegen Servette und in Bern ziemlich ratlos.

Wenn defensive Titanen wie Raphael Diaz, Dominik Schlumpf, Lukas Bengtsson und Elia Riva fehlen, dann sind sieben Gegentore in den letzten zwei Spielen (1:4 Servette, 0:3 Bern) die logische Folge. «Aber unser Problem ist nicht hinten, unser Problem ist vorne», bringt es Kläy auf den Punkt. Der Sportchef weist auf eine prominent besetzte Offensive hin, die gerade in Bern die Partie hätte entscheiden können. Warum keiner mehr treffe, könne er nicht erklären. Ratlosigkeit breitet sich aus.

Wie in Zürich steht auch in Zug mit Michael Liniger ein eidgenössischer Trainer an der Bande. Wie Marco Bayer in Zürich darf auch Michael Liniger in Zug mit viel Verständnis und einem gerüttelten Mass an Geduld rechnen. Zumal der Sportchef und der Trainer in Zug beide Emmentaler (Langnauer) sind. In der Fremde hält man erst recht zusammen.

Zugs Samuel Guerra, Zugs Head Coach Michael Liniger und Zugs Mike Kuenzle, von links, im Spiel der Eishockey National League zwischen dem EV Zug, EVZ, und Lausanne HC am Freitag, 3. Oktober 2025 in de ...
Ebenfalls ein Reformpädagoge: Michael Liniger.Bild: keystone

Ein Reformpädagoge ist in seinem Wesen und Wirken auch Michael Liniger. Einst von Beruf Lehrer ist er sowieso in der Reformpädagogik ausgebildet worden. Zugs Trainer sagt, er habe in der Kabine nicht getobt. Daher gilt für ihn wie für Marco Bayer: Schwarze Pädagogik (= kabinenfüllend toben) kann sein Stil nicht sein. Er wäre als Feuerkopf so wenig authentisch wie Bayer. Und auch Sportchef Kläy kann sich eigentlich niemand tobend vorstellen.

Am Mittwoch gegen Kometa Brünn um das Weiterkommen in der Champions League, am Freitag in Zürich und am Sonntag gegen Biel wird sich zeigen, ob aus dem Hund der Ratlosigkeit ein Wolf der Krise wird. Und wenn der Wolf kommen sollte, hilft dann womöglich halt doch nur schwarze Pädagogik. Hund oder Wolf, reden oder toben – das wird die Frage in Zürich und Zug in den nächsten Wochen sein.

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25 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Mario 66
14.10.2025 07:46registriert November 2015
Der ausdruck „titan“ wird etwas inflationär gebraucht, denn elia riva ist vieles, aber gewiss kein verteidigertitan
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