Sport
Eismeister Zaugg

Eismeister Zaugg: Weshalb die NL nicht weit von der NHL entfernt ist

Teams attend a moment of silence for Johnny and Matthew Gaudreau before the NHL hockey game between Buffalo Sabres and New Jersey Devils, in Prague, Czech Republic, Friday, Oct. 4, 2024. (AP Photo/Pet ...
Beeindruckende Kulisse: Die NHL macht in Prag halt.Bild: keystone
Eismeister Zaugg

Die NHL – teurer, grösser, lauter – aber auch besser als unsere National League?

Die Frage ist eine ketzerische: Ist die NHL, ist NHL-Hockey wirklich so viel besser als unser NL-Hockey? Aus der Sicht eines Matchbesuchers, der gutes Hockey sehen will und sich durch die «Verpackung» nicht blenden und beeindrucken lässt, ist die Antwort: Nein.
07.10.2024, 05:48
klaus zaugg, prag
Mehr «Sport»

Die NHL ist ein Milliardengeschäft und rockt: die besten Spieler der Welt, die höchsten Löhne, die grössten Stadien, die teuersten TV-Rechte. Aber ist das Eishockey auch so viel besser, weil in der NHL alles grösser, teurer, wichtiger und lauter zelebriert wird?

Betrachtungen über Unterschiede zwischen der NHL und unserer National League sind gerade dann reizvoll, wenn innerhalb weniger Tage beide Ligen live im Stadion erlebt werden können. Wie gerade jetzt bei der NHL-Saisoneröffnung in Prag.

Die Verpackung beeindruckt. Bereits die Eröffnungs-Show mit der live gesungenen Nationalhymne (bei zwei US-Teams nur die amerikanische, sonst auch die kanadische, in Prag zusätzlich die tschechische) sorgt für einen ganz besonderen Rahmen und macht jedem Fan bewusst: Hier bist du an einem bedeutungsvollen Anlass.

Dazu kommt die zelebrierte Wichtigkeit aller Beteiligten auf allen Stufen, die jedem das Gefühl gibt:

Hier ist alles besser.

Aber eben: Ist das Spiel dann auch wirklich so viel besser? Wer sich nicht von der Verpackung blenden lässt und über die Jahre die NHL immer wieder live erlebt, kommt zum Schluss:

Ein gutes NL-Spiel bietet oft besseres Hockey als eine durchschnittliche NHL-Partie.

Mehrere Faktoren spielen eine Rolle. Die Ausgeglichenheit der NHL ist so hoch wie noch nie in der Geschichte. Die besten Spieler der Welt sind alle in einer Liga konzentriert. Die Differenz vom ersten zu vierten Block ist so gering, dass der Spielraum für die Titanen, die so kräftig und schnell sind wie nie, zu klein geworden ist. Die weniger talentierten Gegenspieler sind heute auch gut wie nie, eigentlich zu gut, zu bissig.

Tampa Bay Lightning right wing Nikita Kucherov (86) gets around Florida Panthers defenseman Niko Mikkola (77) during the second period of an NHL preseason hockey game Wednesday, Oct. 2, 2024, in Tampa ...
Wenig Platz, und trotzdem brillant: Tampa-Stürmer Nikita Kucherov erzielte vergangene Saison sagenhafte 144 Punkte.Bild: keystone

Erst recht auf dem kleineren Eisfeld. Wer den Puck hat, muss blitzschnell richtig entscheiden, muss schon wissen, wohin er den Puck spielen will, bevor er ihn bekommt und wer im gegnerischen Drittel an den Puck kommt, muss sofort den Abschluss suchen. Die Intensität ist atemberaubend. Aber es ist «Bum-Bum-Hockey» mit zu wenig Spielraum für Talent und Eleganz. Zu viel Status Quo, zu wenig Wiener Walzer. Die Intensität frisst die Kreativität.

Die Rekorde von Wayne Gretzky wären in der NHL von heute nicht mehr möglich. Ach, das waren noch Zeiten, als die Oilers am 19. November 1983 die New Jersey Devils mit 13:4 demütigten und Wayne Gretzky hinterher die Devils als «Mickey-Mouse-Team» verspottete:

«They had better stop running a Mickey Mouse organization and put somebody on the ice.»

Jari Kurri erzielte fünf Tore, Gretzky traf dreimal ins Netz und liess sich fünf Assists notieren. So ein Spektakel ist heute undenkbar.

Es war auch die Zeit, als sich kein Medienchef darum kümmerte, wo und wie lange ein Star mit einem von weither angereisten Chronisten plauderte. Die moderne Intensität des Spiels provoziert mehr Unterbrüche und dazu kommen drei «Commercial Breaks» pro Drittel nach 6, 10 und 14 Minuten. Dadurch wird der Fluss des Spiels, die Entwicklung der Dramatik zu oft unterbrochen. Die Dramaturgie stockt, das Eintauchen in den Spielfluss ist nicht so intensiv möglich wie bei uns. Ein bisschen so, wie wenn im Tennis dauernd Asse geschlagen werden und die längeren Ballwechsel fehlen.

ARCHIV ? ZUM KEYSTONE-SDA-PREMIUM-TEXT UEBER DEN "GROESSTEN IM SPORT" STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES BILDMATERIAL ZUR VERFUEGUNG - Hockey player for Edmonton Oilers Wayne Gretzky in action in J ...
Auf dem Feld tat er, was er wollte und neben dem Feld sagte er, was er wollte: Hockey-GOAT Wayne Gretzky.Bild: AP

Die Ablenkung durch das Drumherum ist im Quadrat grösser als bei uns. Wer Hockey liebt, findet dieses Drumherum störend. In den modernen Stadien mit den gewaltigen Soundanlagen wirkt ein Spiel manchmal schon wie ein Discoabend, unterbrochen durch Darbietungen auf dem Eis.

Eine gute NL-Partie bietet den Fans den besseren «Rohstoff Hockey»: Mehr Spielzüge über mehrere Stationen, längere Phasen von «Ebbe und Flut» im Spielfluss, ebenso spektakuläre Abschlüsse und Goalie-Paraden, weniger Unterbrüche und ebenso brillante Einzelszenen von Stars, die technisch so gut ausgebildet sind wie jene in der NHL, aber mehr Zeit und Raum haben, um ihre Kunst vorzuführen.

Das Spiel auf den breiteren NL-Eisfeldern ist weniger hektisch, gepflegter, eleganter, aber ebenso dramatisch. Vor allem auch, weil das Spiel in unserer Liga weniger «schablonisiert» ist als in Schweden und Finnland. Die Inszenierung des gesamten Spielbetriebes und die Unterfütterung mit Statistiken aller Art ist in der NHL professioneller. Aber Krisen und Dramen werden in der National League eher intensiver und unterhaltsamer gelebt. Weil vieles im Umfeld unserer Klubs – gottseidank! - nach wie vor handgestrickt ist.

Torhueter Adam Reideborn (SCB) wehrt einen Schuss von PostFinance Top Scorer Denis Malgin (ZSC) ab, im Eishockey Meisterschaftsspiel der National League zwischen dem SC Bern und den ZSC Lions, am Sams ...
Bezüglich Spektakel auf dem Eis auf NHL-Level: Eine NL-Partie zwischen dem ZSC und dem SCB.Bild: keystone

Zu viel Professionalität – wie in der NHL – kann der Unterhaltung auch abträglich sein. Das extreme Streben der NHL nach einem guten Image, nach Korrektheit in allen Dingen und Lagen, die «Disziplinierung» aller Beteiligten – kaum jemand macht noch polemische Aussagen – trägt die DNA der Langeweile in sich.

Die kantigen Typen wie in der NHL des 20. Jahrhunderts fehlen inzwischen.

Wer Hockey auch als Teil der Unterhaltungskultur versteht, kommt in der National League eher auf seine Rechnung als in der NHL.

Kommt dazu: Die TV-Produktion – also die Qualität der vom Schweizer Fernsehen SRF hergestellten TV-Bilder - ist in der National League besser als in der NHL.

Keine Frage: Der Erlebniswert ist bei NHL-Partien durch die «Verpackung» höher und für europäische Besucher, die nicht oft die Gelegenheit haben, die NHL live zu erleben, beeindruckend.

Aber das Produkt Hockey netto, ohne all das Drumherum ist bei uns ebenso gut.

Wer Hockey und Drama rund um das unberechenbare Spiel auf der rutschigen Unterlage mag, braucht des Hockeys wegen nicht nach Boston oder Montréal zu fliegen. Aber eigentlich ist es inzwischen fast unsinnig, die NHL mit der National League zu vergleichen: Es handelt sich inzwischen bei NHL-Hockey und NL-Hockey schon fast um zwei verschiedene Sportarten.

  • Stürmer
  • Verteidiger
  • Torhüter
player_image

Nation Flag

Aktuelle
Note

  • 7

    Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.

  • 6-7

    Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.

  • 5-6

    Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.

  • 4-5

    Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.

  • 3-4

    Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.

  • Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.

5,2

09.22

5,2

09.23

5,2

01.24

Punkte

Goals/Assists

Spiele

Strafminuten

  • Er ist

  • Er kann

  • Erwarte

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
HCD, SCB, ZSC und? Diese Klubs wurden schon Schweizer Hockey-Meister
1 / 13
HCD, SCB, ZSC und? Diese Klubs wurden schon Schweizer Hockey-Meister
HC Davos: 31 Titel, 6 seit 1986; zuletzt Meister: 2015.
quelle: keystone / ennio leanza
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Despacito mit Eishockey-Spielern
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
60 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Minotauro
07.10.2024 09:25registriert August 2022
Den Klassenunterschied zwischen der Schweizer Liga und der NHL war im Schweizer Team an der letzten WM deutlich sichtbar, da nützt auch ein ganzer Artikel mit Scheinargunenten nichts...
857
Melden
Zum Kommentar
avatar
Lucille_The_Bat
07.10.2024 10:04registriert August 2021
Sorry to say Klaus, aber als jemand der schon Dutzende NHL Spiele und NLA Spiele live gesehen hat: Doch, die NHL ist besser! Der Show- und Entertainment Faktor wesentlich höher, das Angebot an Merch viel besser und die Akteure auf dem Eis eine andere Liga. Zu behaupten, unsere Liga wäre auf demselben Niveau ist Wunschdenken.
633
Melden
Zum Kommentar
avatar
goschi
07.10.2024 09:05registriert Januar 2014
Das ist mal richtig harte Verklärung und halt wiedermal die typische Arroganz.

Das von dem Wettschuldner, der immer noch die DEL als Operettenliga bezeichnet und alle anderen Ligen Europas abwertet.

Ja ne du....

Die Schweizer Ligen sind toll und machen Spass, aber man muss echt mal lernen, dass man selber nicht immer das beste und geilste ist.

Achja, Wettschulden löst man übrigens ein!
679
Melden
Zum Kommentar
60
Today, I feel Saudi – wie Gianni Infantino die Fussball-WM 2034 in die Wüste gebracht hat
Der Wunsch von FIFA-Präsident Gianni Infantino geht in Erfüllung: eine Fussball-WM in Saudi-Arabien. Wie der Walliser das erreicht hat.

Eigentlich war das gestern nur noch eine Vollzugsmeldung: Der FIFA-Kongress stimmte den Austragungsorten der Fussball-Weltmeisterschaften 2030 und 2034 ohne Gegenstimmen zu. Während das übernächste Turnier mit Portugal, Spanien, Marokko, Uruguay, Paraguay und Argentinien in sechs Ländern und auf drei Kontinenten stattfindet, kommt 2034 Saudi-Arabien alleine zum Handkuss.

Zur Story