Die NHL ist ein Milliardengeschäft und rockt: die besten Spieler der Welt, die höchsten Löhne, die grössten Stadien, die teuersten TV-Rechte. Aber ist das Eishockey auch so viel besser, weil in der NHL alles grösser, teurer, wichtiger und lauter zelebriert wird?
Betrachtungen über Unterschiede zwischen der NHL und unserer National League sind gerade dann reizvoll, wenn innerhalb weniger Tage beide Ligen live im Stadion erlebt werden können. Wie gerade jetzt bei der NHL-Saisoneröffnung in Prag.
Die Verpackung beeindruckt. Bereits die Eröffnungs-Show mit der live gesungenen Nationalhymne (bei zwei US-Teams nur die amerikanische, sonst auch die kanadische, in Prag zusätzlich die tschechische) sorgt für einen ganz besonderen Rahmen und macht jedem Fan bewusst: Hier bist du an einem bedeutungsvollen Anlass.
Dazu kommt die zelebrierte Wichtigkeit aller Beteiligten auf allen Stufen, die jedem das Gefühl gibt:
Aber eben: Ist das Spiel dann auch wirklich so viel besser? Wer sich nicht von der Verpackung blenden lässt und über die Jahre die NHL immer wieder live erlebt, kommt zum Schluss:
Mehrere Faktoren spielen eine Rolle. Die Ausgeglichenheit der NHL ist so hoch wie noch nie in der Geschichte. Die besten Spieler der Welt sind alle in einer Liga konzentriert. Die Differenz vom ersten zu vierten Block ist so gering, dass der Spielraum für die Titanen, die so kräftig und schnell sind wie nie, zu klein geworden ist. Die weniger talentierten Gegenspieler sind heute auch gut wie nie, eigentlich zu gut, zu bissig.
Erst recht auf dem kleineren Eisfeld. Wer den Puck hat, muss blitzschnell richtig entscheiden, muss schon wissen, wohin er den Puck spielen will, bevor er ihn bekommt und wer im gegnerischen Drittel an den Puck kommt, muss sofort den Abschluss suchen. Die Intensität ist atemberaubend. Aber es ist «Bum-Bum-Hockey» mit zu wenig Spielraum für Talent und Eleganz. Zu viel Status Quo, zu wenig Wiener Walzer. Die Intensität frisst die Kreativität.
Die Rekorde von Wayne Gretzky wären in der NHL von heute nicht mehr möglich. Ach, das waren noch Zeiten, als die Oilers am 19. November 1983 die New Jersey Devils mit 13:4 demütigten und Wayne Gretzky hinterher die Devils als «Mickey-Mouse-Team» verspottete:
Jari Kurri erzielte fünf Tore, Gretzky traf dreimal ins Netz und liess sich fünf Assists notieren. So ein Spektakel ist heute undenkbar.
Es war auch die Zeit, als sich kein Medienchef darum kümmerte, wo und wie lange ein Star mit einem von weither angereisten Chronisten plauderte. Die moderne Intensität des Spiels provoziert mehr Unterbrüche und dazu kommen drei «Commercial Breaks» pro Drittel nach 6, 10 und 14 Minuten. Dadurch wird der Fluss des Spiels, die Entwicklung der Dramatik zu oft unterbrochen. Die Dramaturgie stockt, das Eintauchen in den Spielfluss ist nicht so intensiv möglich wie bei uns. Ein bisschen so, wie wenn im Tennis dauernd Asse geschlagen werden und die längeren Ballwechsel fehlen.
Die Ablenkung durch das Drumherum ist im Quadrat grösser als bei uns. Wer Hockey liebt, findet dieses Drumherum störend. In den modernen Stadien mit den gewaltigen Soundanlagen wirkt ein Spiel manchmal schon wie ein Discoabend, unterbrochen durch Darbietungen auf dem Eis.
Eine gute NL-Partie bietet den Fans den besseren «Rohstoff Hockey»: Mehr Spielzüge über mehrere Stationen, längere Phasen von «Ebbe und Flut» im Spielfluss, ebenso spektakuläre Abschlüsse und Goalie-Paraden, weniger Unterbrüche und ebenso brillante Einzelszenen von Stars, die technisch so gut ausgebildet sind wie jene in der NHL, aber mehr Zeit und Raum haben, um ihre Kunst vorzuführen.
Das Spiel auf den breiteren NL-Eisfeldern ist weniger hektisch, gepflegter, eleganter, aber ebenso dramatisch. Vor allem auch, weil das Spiel in unserer Liga weniger «schablonisiert» ist als in Schweden und Finnland. Die Inszenierung des gesamten Spielbetriebes und die Unterfütterung mit Statistiken aller Art ist in der NHL professioneller. Aber Krisen und Dramen werden in der National League eher intensiver und unterhaltsamer gelebt. Weil vieles im Umfeld unserer Klubs – gottseidank! - nach wie vor handgestrickt ist.
Zu viel Professionalität – wie in der NHL – kann der Unterhaltung auch abträglich sein. Das extreme Streben der NHL nach einem guten Image, nach Korrektheit in allen Dingen und Lagen, die «Disziplinierung» aller Beteiligten – kaum jemand macht noch polemische Aussagen – trägt die DNA der Langeweile in sich.
Wer Hockey auch als Teil der Unterhaltungskultur versteht, kommt in der National League eher auf seine Rechnung als in der NHL.
Kommt dazu: Die TV-Produktion – also die Qualität der vom Schweizer Fernsehen SRF hergestellten TV-Bilder - ist in der National League besser als in der NHL.
Keine Frage: Der Erlebniswert ist bei NHL-Partien durch die «Verpackung» höher und für europäische Besucher, die nicht oft die Gelegenheit haben, die NHL live zu erleben, beeindruckend.
Wer Hockey und Drama rund um das unberechenbare Spiel auf der rutschigen Unterlage mag, braucht des Hockeys wegen nicht nach Boston oder Montréal zu fliegen. Aber eigentlich ist es inzwischen fast unsinnig, die NHL mit der National League zu vergleichen: Es handelt sich inzwischen bei NHL-Hockey und NL-Hockey schon fast um zwei verschiedene Sportarten.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
5,2
09.22
5,2
09.23
5,2
01.24
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
Erwarte