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Roche verlangt für Ocrevus in den USA massiv mehr – hat Trump recht?

KEYPIX - epa12095092 Various prescription drugs are stocked on a shelf at a pharmacy in Los Angeles, California, USA, 12 May 2025. Today, US President Donald Trump signed an executive order that aims  ...
Medikamente in einem Regal in Los Angeles.Bild: keystone
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Roche verlangt für seinen Blockbuster in den USA massiv mehr – hat Trump doch einen Punkt?

Die US-Konsumenten bezahlen für neue patentgeschützte Medikamente rekordhohe Preise. Das steckt dahinter.
06.08.2025, 13:4706.08.2025, 13:54
Pascal Michel / ch media
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Das Multiple-Sklerose-Mittel Ocrevus spülte dem Basler Pharmakonzern Roche letztes Jahr 6,7 Milliarden Franken in die Kasse. Das Medikament ist besonders in den USA gefragt, wo Roche damit Marktführer ist – und satte Preise durchsetzen kann. Eine Durchstichflasche kostet in den USA um die 20’000 Franken. Das ist jedenfalls der bekannte Listenpreis, darauf gibt es Rabatte in unbekannter Höhe. Dennoch dürfte das Medikament massiv mehr als in der Schweiz kosten. Gemäss der Spezialitätenliste des Bundesamts für Gesundheit beträgt der offizielle Preis hierzulande 5770 Franken.

Der Kassenschlager von Roche ist kein Einzelfall. Regelmässig zeigen Untersuchungen, dass die US-Konsumenten massiv mehr für Arzneimittel hinblättern müssen als Patienten im Rest der Welt. Laut einer Studie der Denkfabrik Rand liegen die US-Preise für neue patentgeschützte Medikamente mehr als viermal höher als in 33 vergleichbaren OECD-Ländern.

Diese Zahlen stören die US-Präsidenten seit Jahrzehnten. Bereits Bill Clinton versuchte in den 1990er-Jahren, das komplexe amerikanische Preissystem umzubauen – und scheiterte.

Jetzt nimmt Donald Trump einen neuen Anlauf. Das bekommen auch die Schweizer Konzerne Roche und Novartis zu spüren. Wie gewohnt vermischt der US-Präsident verschiedenste Dinge, um schnelle Resultate zu erzwingen: Er versucht, die Preissenkungen mit seinen Zoll-Drohungen durchzubringen. Das ist jedenfalls eine Erklärung dafür, wie Donald Trump auf den willkürlichen Schweizer Zollsatz von 39 Prozent gekommen sein könnte. Offenbar möchte er an der grössten Schweizer Exportbranche ein Exempel statuieren. Die Branche selbst ist von den drohenden Zöllen allerdings noch ausgenommen.

Preisexzesse sind zum grossen Teil hausgemacht

Während die Empörung über den Zoll-Hammer riesig ist, stellt sich die Frage: Hat Trump nicht einen Punkt? Schröpfen die Pharmakonzerne nicht tatsächlich massiv Gewinn ab auf Kosten der US-Konsumenten? Ein Blick auf die genannten Zahlen zeigt, dass Trumps Furor für einmal eine faktische Grundlage hat. Nur: Schuld an den Preisexzessen ist hauptsächlich das ineffiziente amerikanische Gesundheitssystem, nicht europäische «sozialistische» Länder, die laut Trump zu tiefe Preise zahlen. Ökonomisch vorwerfen kann man auch Multis wie Novartis und Roche wenig: Sie geschäften in einem System, das Trumps Vorgänger vor Jahrzehnten gebaut haben – und maximieren ihren Profit darin.

Die rekordhohen US-Preise resultieren aus einer Reihe falsch gesetzter Anreize. Zunächst gibt es keine staatliche Behörde, die Preise verhandelt. Ebenso fehlt es an Preisobergrenzen, die bei gewissen Verkaufsvolumen greifen. Stattdessen verhandeln sogenannte Pharmacy Benefit Manager (PBM) direkt mit den Herstellern über Rabatte. Sie verwalten private wie staatliche Versicherungsmodelle und fungieren als Bindeglied zwischen den Versicherern und Apotheken. Diese Zwischenhändler holen im Auftrag der Versicherer zwar hohe Rabatte heraus, weshalb die Preisgestaltung sehr undurchsichtig ist. Die Anreize dieser Akteure sind ein zentraler Grund für die horrenden Preise. Die PBMs erhalten von den verhandelten Medikamentenpreisen jeweils einen gewissen Prozentsatz. Je höher der verhandelte Rabatt, desto höher ist die Provision der Mittelmänner. Sie haben also ein grosses Interesse daran, das aktuelle Prozedere beizubehalten.

Ob Preissenkungen bei den Patienten ankommen, ist fraglich

Zwar hat auch der US-Präsident erkannt, dass diese Akteure die Preise in die Höhe treiben. Erst im Mai hat er angekündigt, die Mittelmänner «auszuschalten». Vermutlich hat er seither erkannt, dass sich daran schon frühere Regierungen die Zähne ausgebissen hatten. Deshalb versucht er jetzt, mit maximalem Druck die Konzerne zu Konzessionen zu zwingen. «Er versucht sich an einer Revolution im US-Gesundheitssystem», sagt Stefan Schneider, Pharma-Analyst bei der Bank Vontobel. Dass er mit dieser Strategie Erfolg haben wird, bezweifelt der Experte: «Solange die Preisverhandlungen in den USA so funktionieren, werden auch erzwungene Preissenkungen nicht bei den Patienten ankommen.»

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Steht vor einer Herkulesaufgabe: Donald Trump.Bild: keystone

Das dürfte ein Grund sein, weshalb sich die Pharmaindustrie mit vorauseilenden Konzessionen zurückhält. Sie sagt sich: Warum sollen wir freiwillig einen Preisnachlass gewähren, der dann anderweitig abgeschöpft wird? Ein weiterer Punkt ist der Schweizer Handelsbilanzüberschuss, den Donald Trump offenbar derart stört. Hier würde sich tatsächlich wenig ändern, selbst wenn die Pharma mehr Rabatte gewähren würde. «Niedrigere Medikamentenpreise in den USA würden den Handelsüberschuss der Schweiz mit den USA nicht wesentlich verringern», sagt eine Roche-Sprecherin auf Anfrage. Denn entscheidend für die Handelsbilanz seien die Transaktionswerte beim Export, nicht der Endverkaufspreis im Zielland.

Die grosse Frage ist, um was Donald Trump also wirklich geht. Stört er sich hauptsächlich am beträchtlichen Handelsbilanzüberschuss der Schweiz? Bestraft er die Schweiz, weil die beiden Schwergewichte Roche und Novartis exemplarisch für die Preisexzesse in den USA stehen? Oder vermischt er mehr oder weniger willkürlich alles miteinander?

Wie bindend sind Pharma-Deals?

Für Letzteres spricht, dass Donald Trump die Pharmamultis noch vor zwei Monaten in Schutz nahm, ihre Milliardeninvestitionen lobte und seinen «grossartigen Respekt» für die Firmenchefs ausdrückte. Im nächsten Moment wetterte er über dieselben Firmen und wirft ihnen vor, amerikanische Familien abzuzocken. Mittlerweile hat der Republikaner den Firmen bis Ende September Zeit gegeben, um Preissenkungen freiwillig umzusetzen.

Es ist somit denkbar, dass Donald Trump nach Ablauf dieser Frist den grossen Pharma-Hammer auspackt. Dann wird sich zeigen, ob dieser auch Länder trifft, die bereits spezifische Pharmazölle ausgehandelt haben. Für Medikamentenexporte aus der EU gelten 15 Prozent. Dieser Satz ist laut EU fixiert, unabhängig davon, was Trump an der Pharma-Front noch zusätzlich beschliesst.

Es ist allerdings offen, ob das der US-Präsident auch so sieht. Er hat bisher mit seiner erratischen Handelspolitik zur Genüge bewiesen, dass er es mit seinen Deals nicht so genau nimmt. Es ist deshalb möglich, dass Trump die europäischen Pharmafirmen nochmals spezifisch attackiert. Wie unberechenbar Trump agiert, zeigte sich erneut am Dienstag: Da kündigte der Republikaner längerfristig einen Pharmazoll von 250 Prozent an – und drohte der EU plötzlich mit 35 Prozent Zoll. (aargauerzeitung.ch)

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155 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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stevensplace
06.08.2025 14:02registriert März 2020
Sorry wenn ich mich wiederhole...

Man muss sich ein für alle mal klarmachen, dass das amerikanische Gesundheitssystem nach einer einzigen Devisen funktioniert. Um es krass auszudrücken:

Zahle oder stirb, und zwar völlig unabhängig von den Preisen der Schweizer Pharmamultis. Da ändern auch Zölle nichts daran, an der erpresserischen Raffgier, des deregulierten US Systems.
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Tokyo
06.08.2025 13:58registriert Juni 2021
in den USA herrschen doch nach Ansicht der Republikaner der totale freie Markt. Sprich der Hersteller kann verlangen was er dafür kriegt..
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madu
06.08.2025 15:01registriert Juni 2020
Wie würden die Amis wohl reagieren, wenn die Pharma angeblich wegen logistischen Problemen, heissbegehrte Medis und Diagnostikas über ein paar Monate nicht mehr in die USA liefern?
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