Ein Hockey-Abend wie in der NHL. Wie in Montreal. Und eine Schmach, die uns besser erklärt als ein Sieg, warum der SCB wieder ein grosses, arrogantes Hockeyimperium geworden ist.
1:8 (0:0, 0:5, 1:3) gegen den EHC Kloten. Fast auf den Tag genau die schlimmste Heimpleite seit 21 Jahren. Am 18. November 1995 hatte der SCB gegen den EV Zug 1:8 verloren. Na und?
Noch in der vergangenen Saison hätte so ein Resultat im November eine tiefe Krise ausgelöst. Zweifel. Unsicherheit. Polemik. Forderungen nach einer Trainer-Entlassung. Weil der SCB im letzten November eben noch kein grosser SCB war.
Aber am Samstag beim 1:8 gegen Kloten haben wir einen wahrlich grossen SCB erlebt. Ein Hauch von NHL wehte durch die grösste Arena ausserhalb der besten Hockey-Liga weltweit. Noch nie ist auf helvetischem Eis die Rückennummer eines Spielers so stil- und glanzvoll zurückgezogen worden, wie vor der Partie gegen Kloten jene von Torhüter Marco Bührer. So eine Zeremonie ist keine Selbstverständlichkeit. Denken wir nur an das Theater um den Abschied von Reto von Arx in Davos.
Marco Bührer selbst hat dieses Spiel für die Zeremonie gewählt, weil er seine Karriere in Kloten begonnen hat. Er kommt mit seiner Frau und seinen beiden Kindern aufs Eis. Unter den Klängen des Berner Marsches wird sein Dress mit der Nummer 39 hochgezogen. Er bedankt sich bei seinen Mitspielern, bei den Fans und dann sagt er: «Ich bin nun weg» und verlässt das Eis.
Dumm nur, dass anschliessend noch ein Spiel zu absolvieren ist. Der EHC Kloten, nach einem 0:7 am Vorabend gegen Zug auf Wiedergutmachung aus, ist der perfekte Gegner für einen grossen Abend. Im Stolz verletzt, bissig, flink, mit einem gut strukturierten Spiel und starken Leitwölfen (Hollenstein, Shore, Santala). Und Torhüter-Saurier Martin Gerber (42) – fünf Jahre älter als der verabschiedete Marco Bührer – steigert sich nach dem einer Fangquote von 82,50 Prozent gegen Zug auf 97,30 Prozent. Er dürfte der mental robusteste Spieler der Liga sein. Er lässt sich von keinem Rückschlag beirren. Klotens Sportchef Pascal Müller schliesst eine einjährige Vertragsverlängerung mit dem Stanley Cup-Sieger von 2006 nicht aus.
Die grossen, stolzen Berner, ob der Zeremonie um ihren Kultgoalie in der eigenen Grösse und Bedeutung bestätigt, spielen mit einer Überheblichkeit, als seien sie die Montreal Canadiens. Schliesslich haben sie die letzten neun Partien gewonnen. Sie sind überzeugt davon, dass spielerische Mittel bei weitem reichen. Sie bringen keine Intensität ins Spiel, verlieren immer wieder den Puck in der Vorwärtsbewegung und werden immer häufiger ausgekontert. Einmal sogar in Überzahl zum 0:2.
Am Ende steht es also 1:8. Trainer Kari Jalonen hatte Torhüter Leonardo Genoni nach dem 0:5 zum ersten Mal in Bern vom Eis geholt und durch Joël Aebi ersetzt. Na und? Es ist eine ruhmreiche Niederlage. Der SCB ist trotz diesem 1:8 gross, mächtig und stark und bleibt nach Verlustpunkten an der Tabellenspitze.
Während des ganzen Spiels sind keine Pfiffe gegen das eigene Team zu hören. Das Publikum bleibt gut gelaunt, es ist ein gelungener Abend mit der feierlichen Zeremonie und einem Resultat, das noch lange Stammtischgespräch sein wird. Nach der Schlusssirene feiern die Fans mit einer Welle noch einmal Marco Bührer, der mit der Mannschaft ein allerletztes Mal aufs Eis zurückkehrt. Anschliessend übergeben die Spieler in der Kabine ihrem ehemaligen Goalie (von 2001 bis 2016) noch ein Geschenk. Marco Bührer treibt zurzeit keinen Sport mehr und steckt in der Ausbildung zum eidgenössischen Buchprüfer. Aber er hat sich bereits ein neues sportliches Ziel gesetzt: Er will Marathon laufen. «Wann, lasse ich offen.» Der einzige Bezug zum Eishockey sind zwei Auftritte pro Monat im Studio des TV-Senders Teleclub und gelegentliche SCB-Matchbesuche. Er hat eine lebenslängliche SCB-Dauerkarte.
Ein Blick zurück sagt, dass dieses 1:8 kaum Auswirkungen haben wird. Damals, nach dem 1:8 gegen Zug im November 1995 verloren die Berner zwar die nächste Partie in Rapperswil 3:5, reagierten dann aber mit einem 7:1 in Lausanne und gewannen schliesslich die Qualifikation.
Trainer Kari Jalonen ist nach der Partie ganz entspannt: «Ich habe nach dem Spiel in der Kabine gesagt: Vergesst dieses Spiel. Es geht weiter.» Er habe bei der heraufziehenden Niederlage kein Time-Out genommen, weil es nichts genützt hätte. «Vielleicht hätte es ein wenig geholfen, wenn ich 15 Time-Outs hätte nehmen können.» Aber er könne den Zusammenbruch verstehen. «Wir haben in den letzten Wochen in der Meisterschaft und in der Champions League sehr viel Energie gebraucht.» Da kann man nur sagen: Zum Glück ist der SCB schon in der ersten Runde aus dem Cup geflogen.
Kari Jalonen bedauert, dass seine Jungs aus der feierlichen Zeremonie keine positiven Energien gewinnen und das Spiel für Marco Bührer gewinnen konnten. Und sagt schliesslich lächelnd: «Aber Kloten hat dieses Spiel sicherlich gut getan.»
Gelassen und freundlich sein nach der höchsten Heimpleite seit 21 Jahren – das ist wahrlich nur bei einem grossen, mächtigen und ein bisschen auch arroganten Hockeyunternehmen möglich. Beim SCB, Ausgabe Herbst/Winter 2016.
Zu Scherwey: Völlig unnötig bei einem solchen Spielstand einen solchen Ckeck auszupacken. Zum Glück traf er den Kopf nicht.