SCB-Manager Marc Lüthi (59) musste handeln. Ob nun Alex Chatelain für die völlig missglückte Saison verantwortlich ist oder nicht, spielt gar keine Rolle: Der Druck auf den Sportchef ist viel zu gross geworden.
Um der grössten Fangemeinde ausserhalb der NHL und all seinen Werbekunden zu zeigen, dass nun ein sportlicher Ruck durch den SCB geht und dass die miserablen Leistungen Konsequenzen haben, blieb ihm gar nichts anderes übrig als den Sportchef auszuwechseln.
Und weil er zu seinen Mitarbeitern loyal ist, bekommt Alex Chatelain einen neuen Job: Er ersetzt Lars Leuenberger – er wird Assistent des neuen, noch zu bestimmenden Cheftrainers – in der Position eines «strategischen Sportchefs».
So weit, so gut. Bei der Wahl des neuen Sportchefs ging es diesmal beim SCB natürlich in erster Linie um Kompetenz und Eignung für das hohe Amt. Aber eben auch um einen möglichst grossen Werbeeffekt. Um zu zeigen, dass nun alles besser wird.
Im Idealfall kommt beides zusammen: Kompetenz und Werbeeffekt. Und genau das ist bei Florence Schelling der Fall.
Wir leben zwar offiziell in Zeiten der Gleichberechtigung. Aber inoffiziell tun sich die meisten Branchen nach wie vor schwer mit Frauen in Führungspositionen. Noch immer heisst es zu oft: Oh, eine Frau ist Chefin! Statt: Na und, ist doch normal. Das gilt erst recht für die Männerwelt des Eishockeys mit einer ausgeprägten «Macho-Kultur.» Bis gestern gab es weltweit keinen Profi-Hockeyklub, der die Leitung der Sportabteilung einer Frau überlässt.
Mit der Anstellung von Florence Schelling ist Marc Lüthi ein genialer Schachzug gelungen. Die ehemalige Nationaltorhüterin hat im Quadrat mehr internationale Kontakte und praktische Sporterfahrung als ihr Vorgänger. Sie hat sich in Nordamerika und in Schweden in den besten Frauenligen der Welt durchgesetzt und die Schweizerinnen beim olympischen Turnier von 2014 in Sotschi zur historisch-sensationellen Bronze-Medaille gehext.
Als U18-Nationaltrainerin war sie nicht mehr genehm, weil sie – wie Gewährsleute berichten – mit ihrer starken Persönlichkeit das traute Leben im «Bundesamt für Hockeywesen» störte.
Oder in einem Satz höflich gesagt: Die neue Sportchefin ist fachlich mindestens gleich gut wie ihr Vorgänger. Und um es unhöflich zu sagen: Sie ist fachlich ganz klar besser.
Dazu kommt der Werbeeffekt, der beim Hockey-Konzern SC Bern nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Denn kein anderes Hockeyunternehmen generiert so viele Werbeeinnahmen und hat ein so zahlreiches Publikum. Da kommt es auf die Aussenwahrnehmung eben auch an.
Obwohl in Zeiten der Gleichberechtigung eine Sportchefin eigentlich kein Medienereignis sein sollte, ist sie eben doch ein Medienereignis. Ja, Florence Schelling wird mehr Medienpräsenz auf allen Kanälen, in Zeitungen und Zeitschriften bekommen als Marc Lüthi. Das will etwas heissen. Der SCB-Manager ist jetzt schon der meistfotografierte und -interviewte Mensch der Stadt Bern.
Wird sich Florence Schelling durchsetzen? Ist es nicht gar waghalsig, ausgerechnet beim SC Bern ins Hockey-Business einzusteigen? Nein. Ist es nicht. Ganz im Gegenteil.
Der SCB ist administrativ die bestfunktionierende Sportfirma im Land. Hier kann sich Florence Schelling auf ihre Aufgabe als Chefin der Sportabteilung konzentrieren. Es ist einfacher, in Bern die Sportabteilung zu führen, als in Langnau oder Ambri oder bei den Lakers. Und so oder so wird Erfolg erwartet – das ist bei den vermeintlich Kleinen nicht anders als bei den Grossen der Branche.
Dass es Marc Lüthi mit der Gleichberechtigung ernst meint, zeigt sich daran, dass Florence Schelling den gleichen Anfangslohn hat wie Alex Chatelain beim Amtsantritt. Er ergänzt: «Sie verdient sogar etwas mehr als damals Sven Leuenberger in seiner ersten Saison. Aber das war vor mehr als zehn Jahren, als das Lohnniveau generell noch tiefer war.»
Das Risiko des Scheiterns ist bei Florence Schelling nicht grösser, als es bei jedem anderen Sportchef wäre. Aber der Gewinn ist jetzt schon um ein Vielfaches höher. Allein schon deshalb, weil der SC Bern Geschichte schreibt.
Oder, um es salopp und politisch nicht ganz korrekt zu sagen (wofür ich um Verzeihung bitte): Wäre Florence Schelling mit ihrer Kompetenz, Sporterfahrung, ihrem Kommunikationstalent, ihren Sprachkenntnissen und ihrem Durchsetzungsvermögen ein Mann, dann wären alle des ehrlichen Lobes voll und würden analysieren: der beste SCB-Sportchef der Geschichte.
Apropo Wandel der Geschlechter:
Ich freu mich schon auf die Schlagzeile:
Francine Jordi wird Stadionspeakerin in Langnau! 😉
Und jetzt viel wichtiger: Blibet gsund!💚🙏🍀
Und bitte jetzt keine faulen Sprüche von wegen starkes vs. schwaches Geschlecht. Die sind sowas von Gestern
Viel Glück und gutes Gelingen