Zug kann Meister. Das «Trauma SC Bern» ist inzwischen überwunden. Die Jahre der Zweifel und des Spottes sind vorüber. Aber es war ein langer, schwieriger und auch teurer Prozess. Bis zum heiss ersehnten Titelgewinn im letzten Frühjahr spielten die Zuger jahrelang im Herbst und manchmal noch im Januar oder Februar meisterlich auf. Besiegten die Titanen und die Titelverteidiger. So wie Biel jetzt.
Aber die spielerische Herrlichkeit zerbrach immer wieder am rauen defensiven Realismus der Playoffs. Wenn Eishockey mehr gearbeitet und berechnet als gespielt und zelebriert wird. Die Zuger hatten 23 Jahre lang auf den zweiten Titelgewinn gewartet. Es war in Zug einfacher, ein neues Stadion zu bauen als ein neues Meisterteam.
Biel wartet inzwischen 38 Jahre. Die letzte Meisterfeier ging 1983 über die Bühne. Ob die Bieler Meister werden können, ist inzwischen, wie jahrelang in Zug, nicht mehr eine Frage des Talentes. Spätestens mit dem samstäglichen 4:2 gegen Zug haben sie ein meisterliches Potenzial offenbart.
Sie spielten jederzeit und in allen Bereichen auf Augenhöhe mit dem Meister. Auch in heiklen Phasen blieben sie ihrem Lauf- und Tempohockey treu. Und am Ende triumphierten sie gegen einen starken Meister und einen überragenden Leonardo Genoni. Und dem sensiblen Joren van Pottelberghe tut es sicherlich wohl und gut, dass er in dieser Partie die bessere Fangquote hatte als der grosse Leonardo Genoni. Obwohl er «nur» gleich gut, aber nicht besser war.
Auf die Frage eines neutralen Beobachters, was der Mannschaft nun im Hinblick auf die Playoffs im nächsten Frühjahr noch helfen würde, mag die Antwort sein: drei weitere gute Stürmer und einer davon sollte ein dominanter Center sein. Damit die Offensive noch ausgeglichener wird.
Diese Verstärkungen hat Biel schon: Gegen Zug fehlten verletzungsbedingt Jere Sallinen, Gaëtan Haas und Fabio Hofer. Drei der wichtigsten Stürmer. Gaëtan Haas ist gar als Captain der offensive Leitwolf.
Die Bieler sind also dazu in der Lage, Ausfälle zu kompensieren. In der Schlussphase, als es darum ging, den Vorsprung über die Zeit zu retten, bewährten sich die «Indianer» wie Elvis Schläpfer (20), der Sohn des ehemaligen Trainers Kevin Schläpfer. Im Powerplay schickte Trainer Antti Törmänen zeitweise seine dritte Linie aufs Eis. Es ist die Kadertiefe, die ein Meisterteam braucht.
Für die Zuger war es die vierte Niederlage in den letzten sechs Spielen. Sie verloren in Lugano (2:3 n.V) und auf eigenem Eis sogar gegen Aufsteiger Ajoie (2:3 n.V). Sie mussten gegen die Lakers als Verlierer vom Eis (1:3) und gaben gegen Servette in der letzten Minute einen Zweitorevorsprung aus den Händen (5:4 n.V).
Noch vor einem Jahr hätte eine solche Serie zu eifriger Kritik oder gar Polemik geführt, die Dämonen des Zweifels geweckt und die Überzeugung gefestigt, dass es wohl wieder nicht reicht. Nun kann die Reaktion eher ein «na und?» sein. Der Meister darf es sich leisten, die Qualifikation zu nützen, um sein Spiel nach reger Transfertätigkeit zu justieren, ohne an der Seele Schaden zu nehmen. Zumindest solange es noch Blätter in den Bäumen hat. Die Partie in Biel war einfach eines von 52 Qualifikationsspielen. Vorerst nicht mehr. Aber auch nicht weniger.
Für Biel hingegen ist die Bedeutung dieses Triumphes über den Meister von kaum zu überschätzender Bedeutung. Meisterliche Selbstsicherheit gibt es nur durch die Tat. Durch Siege auf dem Eis. Nicht durch Sitzungen und Einzelgespräche mit Mentaltrainern. Eine Heimpleite gegen Langnau (1:4) oder eine Niederlage in Ambri (0:4) ist völlig unerheblich, wenn dafür ein überzeugender Sieg gegen den Meister die Tauglichkeit des Systems und der Spielphilosophie unter Beweis stellt.
Daran sehen wir Biels Entwicklung. Noch vor sechs Jahren ging es darum, mit Siegen gegen Ambri oder Langnau den Liga-Erhalt zu sichern. Ein Triumph über einen Titelanwärter war schön, zählte aber wenig in Hinblick auf das Saisonziel Liga-Erhalt.
Nun ist Biel ein Spitzenteam geworden: Ausrutscher gegen Langnau und Ambri mögen ärgerlich sein, spielen aber keine Rolle mehr. In der Qualifikation müssen sich System und Spielphilosophie im Hinblick auf das Saisonziel Meistertitel gegen den Titelverteidiger bewähren.
Der Tabellenführer ist also gut genug, um Meister zu werden. Ja, die Gelegenheit könnte im nächsten Frühjahr einmalig günstig sein. Weil die Zeit der gefährlichere Gegner ist als Zug, die ZSC Lions, Gottéron oder ein aus den sportlichen Ruinen auferstandener SCB.
Wie lange sind beispielsweise Luca Cunti (32), Damien Brunner (35), Beat Forster (38) und Robin Grossmann (34) noch dazu in der Lage, ihr bestes Hockey zu spielen? Die Verträge von Spielern im besten Alter – Mike Künzle (27), Yannick Rathgeb (25) oder Fabio Hofer (30) – laufen aus. Als wichtiger Zuzug auf nächste Saison steht erst Verteidiger-Talent Luca Christen (23, von Langenthal) fest.
Der Erfolg der Mannschaft treibt die Preise der einzelnen Spieler in die Höhe. Ein gutes Team zusammenzuhalten, ist wegen der Teuerung schwieriger, als eines aufzubauen. Sportchef Martin Steinegger hat durch geschickte Transfers aus einer Mannschaft einen Titelkandidaten gemacht, der noch vor sechs Jahren um den Ligaerhalt zittern musste.
Er ahnt die Problematik, wenn er sagt: «Wir werden nicht alle auslaufenden Verträge verlängern können.» In diesem einfachen Satz steckt die ganze Dramatik der Bieler Hockeykultur beim Warten auf den nächsten Titel seit 1983. Es ist auch in Biel offensichtlich leichter, ein neues Stadion als ein neues Meisterteam zu bauen.
Zug hat das neue Stadion im Sommer 2010 bezogen und ist elf Jahre später Meister geworden. Biel zügelte erst vor sechs Jahren im Sommer 2015 ins neue Stadion.
Ici c'est Bienne ❤💛