Kevin Schläpfer und die Chance, der Marc Lüthi von Basel zu werden
Am Ende bleibt von mehr als zwei aufwühlenden Jahrzehnten voller Emotionen, Dramen, Irrungen und Wirrungen, Auf- und Abstiege, weniger Triumphe und vieler Niederlagen bloss eine klingeldürre Medienmitteilung in der Länge von 127 Worten. Der Basler Sport-Öffentlichkeit wird mitgeteilt, dass sich Olivier Schäublin (47) dazu entschieden hat, seinen Vertrag als CEO beim EHC Basel nicht zu verlängern und den Klub nach 21 Jahren zu verlassen. Im Detail: Wenn er das Arbeitsverhältnis nicht vor Ende Jahr gekündigt hätte, wäre der Vertrag automatisch um drei Jahre verlängert worden.
Der leise Abschied stört Olivier Schäublin nicht. «Ich habe ja die Medienmitteilung selbst redigiert und vom Verwaltungsrat genehmigen lassen. Mehr gibt es nicht zu sagen.» Dieser schon fast melancholische Abschied in einem so emotionalen Sport-Business wie dem Hockey erklärt die Persönlichkeit des scheidenden CEO und des EHC Basel und markiert den Beginn einer entscheidenden Phase der Basler Hockeykultur. Entweder geht es in den nächsten drei Jahren aufwärts Richtung höchste Liga oder es droht ewige Stagnation.
Olivier Schäublin ist ein Berner Landei aus dem beschaulichen Städtchen Burgdorf mit weniger als 20'000 Einwohnenden. Er wechselt 1999 von Visp nach Basel, weil hier eine neue Hockey-Arena gebaut worden ist und eine aufregende Ära beginnen könnte. «Ich fand das eine coole Herausforderung und so bin ich nach Basel gekommen.»
Er erlebt so ziemlich alles: Als Verteidiger mit bescheidenem Kultstatus den kurzen Höhenflug mit dem Aufstieg, Abstieg und Wiederaufstieg und als Neuling in der höchsten Liga unter Kent Ruhnke auf Anhieb die Playoff-Qualifikation. Aber auch den Niedergang, der im Juni 2014 im Konkurs gipfelt.
Aber auch im Laufe von mehr als 20 Jahren hat er den Zugang zu den Seelen und Geldspeichern der Baslerinnen und Basler auch als Geschäftsführer (und Geldbeschaffer) nie ganz gefunden. Er sieht das zwar nicht so, seufzt allerdings: «Um aus einem Gönner, der 5000 Franken gibt, einen Sponsor für 50'000 Franken zu machen, sind in Basel 5 Jahre Arbeit erforderlich …» Viel mehr als 100'000 Franken bezahle sowieso kein Sponsor.
Olivier Schäublin ist in seiner leisen, beinahe ein wenig verschrobenen Art so etwas wie die Eishockey-Antwort auf den kauzigen, aber letztlich doch erfolgreichen Ermittler Inspektor Columbo. Mit Charisma. Aber einem etwas zerknitterten. Nun wählt er den Weg in die Privatwirtschaft. «Dafür ist jetzt Zeit und Basel braucht frischen Wind.» Was er machen wird, weiss er noch nicht («Ich habe ein paar Optionen»). Die Chancen, dass Basel sein Lebensmittelpunkt bleibt, beziffert er mit 60 Prozent und wenn alle Stricke reissen sollten, dann kann er wohl bei seinem Freund, dem berühmten ehemaligen NHL-Profi Mark Streit, in dessen boomender Uhrenfirma Norqain Unterschlupf finden. «Das ist zwar nicht meine Absicht. Aber ja, warum nicht?»
Das ist die sachliche Geschichte über einen stillen Schaffer. Es gibt aber auch eine etwas emotionalere Sichtweise. Olivier Schäublin ist letztlich der Verlierer eines Machtkampfes gegen seinen Sportchef Kevin Schläpfer (55), seit 2023 sein Untergebener.
Nun ist es so, dass beide diese Version klafterweit von sich weisen, ja sich dagegen geradezu verwahren. «Wir haben uns in den letzten anderthalb Jahren verstehen gelernt und gut zusammengearbeitet», sagt der scheidende CEO. Und Kevin Schläpfer in der ihm eigenen Art: «Ich und Machtkampf? Nehmen Sie sich zusammen, bevor Sie so etwas sagen.»
Und doch: Der freundliche, leise und schon fast scheue, introvertierte und in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommene Berner und der extrovertierte, charismatische und temperamentvolle populäre Baselbieter Kevin Schläpfer – ein extremerer Gegensatz zwischen dem Geschäftsführer und dem Sportchef – also den zwei wichtigsten Führungspersönlichkeiten eines Sportunternehmens – ist gar nicht denkbar. Auch wenn er es nicht bestätigen mag: Olivier Schäublin hat gespürt, dass es für ihn neben dem Sportchef keine Zukunft gibt und hat die Konsequenzen gezogen. Der Schatten von Kevin Schläpfer ist zu gross geworden.
Was zur zentralen Frage führt: Warum nicht Kevin Schläpfer zum CEO, zum «Mister Basel», zum «Marc Lüthi des Basler Hockeys» machen? Nicht nur Romantiker hoffen auf diese Lösung. «Nein, nein, nein, das interessiert mich nicht. Ich bin kein Manager-Typ», wehrt sich der im Amt eigentlich unterforderte Sportchef gegen diese Idee. Räumt aber letztlich doch ein, dass er für Basel schon etwas bewegen könnte. «Im Idealfall kommt ein Geschäftsführer, der meine Stärken und Schwächen kennt und mich unterstützt, so wie jahrelang Daniel Villard in Biel.»
Aber Basel hat keinen Daniel Villard und wird keinen bekommen. Die Zeit drängt. Wenn Olivier Schäublin Ende Saison sein Büro räumt und das Licht löscht, muss der neue Geschäftsführer installiert sein.
Kevin Schläpfer ist kein Mann des Büros, der Budgetplanung, der Organisation. Aber Basel wird keinen Geschäftsführer mit dem Charisma und der Popularität Schläpfers finden – und der erst noch breitesten Basler Dialekt spricht. Die Frage geht an Olivier Schäublin: «Könnten Sie sich Kevin Schläpfer als Nachfolger vorstellen?» Er denkt kurz nach und sagt entspannt: «Ja, warum nicht?» Man müsste ihm eben das Personal zur Seite stellen, das seine «Büro- und Administrations-Scheu» kompensiert. Und eher lässt sich fleissiges Büropersonal als eine charismatische Führungskraft wie Schläpfer finden. Kommt dazu: Auch als Geschäftsführer würde Schläpfer genug Zeit bleiben, um die Transfergeschäfte zu erledigen. Den Job des Sportchefs könnte er mit einem Administrator ersetzen, der dafür sorgt, dass alle Lizenzen fristgerecht gelöst und die Trainingszeiten gebucht sind.
Aber da ist noch etwas: Wenn Kevin Schläpfer Geschäftsführer werden sollte, dann darf er definitiv nicht mehr als Trainer an die Bande. «Nehmen Sie sich zusammen und hören Sie auf, mir immer anzudichten, ich wolle wieder Trainer werden», sagt er dazu und lacht. Definitiv nichts zu lachen wird im Falle eines Falles der neue CEO haben. Die neue Person wird nie aus dem Schatten des flamboyanten Sportchefs heraustreten können. Was auf Dauer mit dem Ego einer Führungspersönlichkeit schwer vereinbar ist. Und Kevin Schläpfer sagt, er denke nicht daran, seinen Vertrag aufzulösen, der automatisch weiterläuft, wenn er bis Ende Saison keine Kündigung einreicht. Das ist gut so. Basel braucht Kevin Schläpfer.
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