Die besten «Bessermacher» der Liga – die erstaunliche Entwicklung der SCL Tigers
Transfers sind teuer – und riskant. Der Transfer-Irrtum gehört nun mal zur DNA dieses unberechenbaren Spiels. Die gefährlichste Kombination: viel Geld und zu wenig Sachverstand (die Emmentaler sagen dazu: Geld und Geist). Sie hat den Kantonsrivalen SCB sportlich in die Bredouille gebracht.
Das obere Emmental ist wirtschaftlich nicht stärker als die Leventina. Trotzdem ist es den Langnauern gelungen, eine der modernsten Infrastrukturen unseres Hockeys aufzubauen, und sie sind auch dazu in der Lage, ein konkurrenzfähiges Team zu finanzieren. Weil ihr Präsident Peter Jakob seit seiner Amtsübernahme 2009 klug, geduldig und beharrlich seine Vision eines Ausbildungsklubs umsetzt: die Entwicklung junger Spieler in einem massgeschneiderten Umfeld mit einer modernen Infrastruktur. Er ist als Visionär für die SCL Tigers, was Walter Frey für die ZSC Lions war.
Mit dem weit in der Hockey-Welt herumgekommenen Pascal Müller hat er inzwischen auch den Sportchef gefunden, der ohne Untersportchef arbeitet und diese Vision umsetzt. Das Traumziel, einmal ohne ausländische Spieler auszukommen, wird Peter Jakob zwar nie erreichen. Das weiss er auch. Kein Team in der höchsten Liga kann bei sechs erlaubten Ausländern ohne ausländisches Personal konkurrenzfähig sein. Aber ein wenig bremsen ist schon möglich.
Nach der Verletzung von Verteidigungsminister Juuso Riikola (31) fassten die Langnauer einen Grundsatzentscheid: Nein, wir holen keinen weiteren zusätzlichen Ausländer. Bereits vor dem Saisonstart war der schwedische Stürmer André Petersson (35) ausgefallen und für ihn kam als Ersatz Cal O’Reilly (39). Sein befristeter Vertrag ist nach der Rückkehr von Petersson nicht verlängert worden. Der Kanadier galt zwar nach den Verhältnissen auf dem aktuellen Ausländermarkt als günstig. Aber ehrlich gerechnet kostete er die Langnauer mit allen Nebenkosten halt doch knapp 45'000 Franken – im Monat!
Mindestens so viel Geld hätte auch ein ausländischer Ersatzverteidiger gekostet. Also setzen die Langnauer auf ihre eigenen Talente. Tim Mathys (20) und Nik Lehmann (18) haben in der Verteidigung früher als geplant ihre Chance erhalten. Beide hatten zwar die Saisonvorbereitung mitgemacht, waren aber zunächst für Einsätze beim Partnerteam Chur vorgesehen. Mathys bekam bis zu seiner Verletzung fast 17 Minuten Eiszeit und Lehmann absolvierte in einzelnen Partien bereits ein Pensum von einer Viertelstunde.
Die Langnauer werden zwar im Falle von Verletzungen auch künftig hin und wieder einen Ersatzausländer verpflichten. Von unkontrollierten Einkäufen wie etwa in Bern (bereits acht Ausländer permanent auf der Lohnliste) sind sie aber weit entfernt.
Aktuelle 
 Note
- 7 - Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht. 
- 6-7 - Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist. 
- 5-6 - Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen. 
- 4-5 - Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling. 
- 3-4 - Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich. 
- Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend. 
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
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                        Erwarte 
Am meisten Geld sparen die Emmentaler mit ihrem konsequent nachgelebten Konzept des Bessermachens. Einerseits durch Transfers von Spielern, die von der Konkurrenz übersehen oder als «hoffnungslose Fälle» taxiert worden sind. Und andererseits durch den Aufbau einer Infrastruktur und Zusammenstellung eines Trainerteams, das junge Talente und ihre Agenten zur Überzeugung bringt, im Emmental besser werden zu können. Und dann von dort aus erst das grosse Geld bei den Titanen suchen.
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Dario Rohrbach (27) hat erst durch den Wechsel im Januar 2022 von Ajoie nach Langnau sein Glück gefunden. Er ist im Emmental Nationalstürmer mit WM-Aufgebot geworden und lässt ab nächster Saison in Bern sein Talent mit Vertrag bis 2030 vergolden.
Brian Zanetti (22) ist unter Thierry Paterlini in zwei Jahren vom Junior zum dominanten NL-Verteidiger gereift und dürfte nach seiner Rückkehr nach Lugano trotz bäumigem Lohn noch nicht ganz glücklich geworden sein.
Dario Allenspach (23) kam in Zug nicht weiter und zügelte im Sommer 2024 nach Langnau. Der teuflisch schnelle Flügel verdoppelte im Emmental seine Torproduktion gleich auf zehn Treffer. Am 26. September ist er gegen Biel beim Bully vom Stock von Johnny Kneubühler (29) so unglücklich im Gesicht getroffen worden, dass er einen Monat lang nicht einmal trainieren konnte. Nun ist er zurück und hat ein kleines Stück Hockey-Romantik geschrieben: Mit dem Siegestreffer gegen Zug (Schlussresultat 4:2) hat er soeben das erste Saisontor erzielt. Sportchef Pascal Müller hat den Vertrag bereits vorzeitig um ein Jahr verlängert und sagt: «Er hat das Potenzial zum Nationalstürmer und für ähnliche Skorerwerte wie Dario Rohrbach.» Also möglicherweise der neue Dario Rohrbach.
Auch Noah Meier (23) ist erst ab 2023 im Emmental doch noch ein NL-Verteidiger geworden. Bei den ZSC Lions galt er früh als «Jahrzehnttalent», konnte aber die Erwartungen nie erfüllen.
Sogar bei den Ausländern funktioniert das Konzept des «Bessermachens»: Santtu Kinnunen (26), bei den ZSC Lions letzte Saison in der Rolle des Ersatzausländers, erweist sich als Rolex vom internationalen Transferwühltisch: Er hat nach 20 Partien bereits so viele Skorerpunkte beigesteuert (14) wie letzte Saison in 38 Spielen bei den Zürchern.
Teure Transfers können sich die Langnauer nicht leisten. Also kommen auf nächste Saison wieder zwei Talente, die im Emmental besser bzw. zu NL-Spielern werden können: Nach zwei Jahren Schweden wechselt Verteidiger Gian Meier (19) nicht zurück nach Zürich, sondern zu den SCL Tigers. Der ehemalige Zuger Junior Arno Nussbaumer (22) erhofft sich nach zwei Jahren bei Ajoie in Langnau den nächsten Karriereschritt.
Der spektakulärste Erfolg mit der «Bessermacherei» ist Pascal Müller und Thierry Paterlini bei den Torhütern gelungen. Stéphane Charlin (25) – ein schlampiges Genie, dem niemand mehr eine Chance geben mochte – ist in Langnau zum Nationaltorhüter gereift und im Sommer als Krösus mit Vertrag bis 2028 nach Genf zurückgekehrt. Nach seinem Wegzug gab es in Langnau intensive interne Diskussionen. Erneut ein Goalie-Experiment wagen oder mit einem ausländischen Torhüter auf sicher gehen?
Die Visionäre haben sich durchgesetzt. Nicht zuletzt, weil sie mit dem Schweden William Rahn seit 2023 einen exzellenten Torhütertrainer und mit Martin Gerber einen Mann im Dorf haben, der das Handwerk der letzten Männer bestens kennt und sein Wissen gerne weitergibt.
Also haben sie als Ersatz für Stéphane Charlin als zweiten Torhüter neben Luca Boltshauser ein vergessenes, in der Zweitklassigkeit bei Visp gelandetes Talent geholt. Robin Meyer (25) ist drauf und dran, sich erstmals in der höchsten Liga durchzusetzen.
Bisheriger Höhepunkt: Der ehemalige Zuger Junior hexte gegen Zug den Sieg heraus (4:2) und war mit einer Fangquote von 92,00 Prozent besser als WM-Silberheld Leonardo Genoni (85,71 Prozent). Meyer hat bei 8 Einsätzen schon mehr Siege (5) herausgeholt als Boltshauser in 12 Spielen (4) und weist mit 92,79 Prozent die bessere Fangquote auf. Aus Rücksicht auf Boltshausers zerbrechliches Selbstvertrauen wird er offiziell die Nummer 1 bleiben. «Nein», widerspricht Thierry Paterlini, «wir haben nun zwei Nummer-1-Goalies.»
Kritiker mögen trotz allem monieren, dass nicht jedem Talent das Ausbildungs-Reizklima im Gotthelf-Land behagt. So zieht Livio Langenegger (27) im Sommer 2021 hoffnungsfroh von Zug nach Langnau, kann sich aber nicht durchsetzen (25 Spiele/4 Assists). Eine der ersten Amtshandlungen des neuen Sportchefs Pascal Müller ist es, den Vertrag mit Langenegger im Frühjahr 2022 nicht mehr zu verlängern. Also einer, der in Langnau nicht besser geworden ist? Falsch. Nach einem Umweg über Visp kehrt Langenegger im Sommer 2023 heim nach Seewen in die MyHockey League. Dort ist er inzwischen ein charismatischer Leitwolf und Captain, hat im letzten Frühjahr den Titel gefeiert und dominiert die höchste Amateur-Liga mit Seewen auch in der laufenden Saison. Soeben hat er als überragender Einzelspieler die Spitzenpartie gegen Huttwil mit zwei Treffern – den zweiten zum 4:3 in der Verlängerung – entschieden.
Ganz offensichtlich profitiert inzwischen jeder ein wenig von einer Lehrzeit in Langnau.
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