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Gewinnen die Bieler am Freitag nach 60 Minuten, dann sind sie in jedem Falle schon vorzeitig in den Playoffs. Auf Kosten der von WM- Silberschmied kommandierten Kloten Flyers, den Finalisten von 2014 und Fribourg-Gottéron, dem Finalisten von 2013. Es wären für Trainer Kevin Schläpfer nach 2012 und 2013 die dritten Playoffs in vier Jahren.
Der Rohstoff des Trainer-Ruhmes ist immer der erste Platz. Nur wer im Mannschaftssport Meisterschaften gewinnt, kann Trainer des Jahres werden. Die Tapferen, die ihre Männer vor dem Abstieg bewahren wie es Kevin Schläpfer in Biel 2009 und 2010 in allerhöchster Not getan hat, werden ebenso vergessen wie jene, die Aussenseiter zu aussergewöhnlichen Erfolgen führen. So wie es wiederum Kevin Schläpfer mit der Playoff-Qualifikation von 2012 und 2013 geschafft hat. Und was ihm mit ziemlicher Sicherheit auch 2015 gelingen wird.
Keine Frage: Kevin Schläpfer ist inzwischen ein grosser Trainer. Nur hat er nicht die Anerkennung, die er eigentlich verdienen würde. Das hängt auch damit zusammen, dass er in Biel einen «kleinen» Klub coacht. Nach wie vor wird er in vielen Kreisen nicht ganz ernst genommen, weil er noch nie bei einem grossen Klub (SC Bern, Lugano, ZSC Lions oder wenigstens Zug) an der Bande stand. Er hat in seiner ganzen Trainerkarriere bisher «nur» für Biel, nur in der Provinz gearbeitet und ist daher so etwas die Eishockey- Antwort auf Klaus Schlappner oder Volker Finke.
In diesem Zusammenhang ist es überaus reizvoll darüber zu spekulieren, was wohl geworden wäre, wenn Kevin Schläpfer letzte Saison SCB-Nottrainer geworden wäre. Es gab tatsächlich Gedankenspiele in dieser Richtung und bevor Guy Boucher verpflichtet wurde, hatte SCB-General Marc Lüthi ernsthaft daran gedacht, Biels Trainer aus dem laufenden Vertrag zu holen. Die ganze Aktion blieb erstens geheim und kam zweitens gar nie aus den Startlöchern. Kevin Schläpfer lehnte von allem Anfang an ab, auch nur über einen möglichen Ausstieg aus dem Vertrag zu reden. Erstens könnte er einen Vertragsbruch mit seinem Charakter nicht vereinbaren und zweitens weiss er sehr wohl, was er Biel zu verdanken hat.
Wer ist denn eigentlich Kevin Schläpfer? Wir kennen die Daten seiner Biografie, des Stürmers aus dem legendären «Kamber-Clan». Die Karriere hat beim EHC Zunzgen-Sissach begonnen. Kevin Schläpfers Schicksal: zu wenig gut für die NLA und fast zu gut für die NLB und eine Tour de Suisse. Basel, Lugano, Zug, Olten, Lausanne, Langnau, Chur, Biel und Langenthal und dann als Sportchef und Trainer schliesslich wieder heim nach Biel. Die beste Beschreibung seiner Persönlichkeit finden wir in der Weltliteratur. Georg Friedrich Kersting hat einmal seinen Freund, den Dichterfürsten Theodore Fontane porträtiert – es ist zugleich das beste Porträt, das es bis heute über Kevin Schläpfer gegeben hat.
«. . . ein gar prächtiger Kerl, der mit seinem scharfen Verstand, hellem Geist und glühender Phantasie weit über mir steht, er liebt auch das Schöne und die schnelle Pferdekutsche und strebt nach dem Guten, aber sonst ein kurioser Kauz. Um Wissenschaft kümmert er sich gar nicht, Charakter habe ich noch nicht viel bemerkt. Er verteidigt nicht selten die niederträchtigsten Maximen, aber nicht eigentlich, weil sie die seinen seien, sondern weil es ihm Gelegenheit gibt, seinen Scharfsinn glänzen zu lassen. Von Natur aus sehr sanft und gutmütig, kommen da bisweilen sehr jugendlich aussehende Widersprüche zum Vorschein, wie überhaupt sein geistiger Habitus, sehr Schönes, Edles, aber auch manches Unreife zeigt. Eitelkeit ist seine Hauptschwäche.»
Ja, ungefähr so würde heute ein Dichter, der nichts über Eishockey-Trainer weiss und mit Kevin Schläpfer nach einem aufwühlenden Spiel ins Gespräch käme, den Baselbieter wahrscheinlich beschreiben. Kevin Schläpfer mag solche pathetischen Worte ganz und gar nicht. Es stört ihn auch nicht, dass er wahrscheinlich nie Meister und Trainer des Jahres wird. Vielleicht braucht er gerade diesen ewigen Kampf als Aussenseiter, und er wäre nicht mehr der Kevin Schläpfer, den wir kennen, wenn er einmal ganz oben stehen sollte.
Der Beruf des Trainers ist für ihn nicht alleine das Streben nach dem Sieg. Es ist für ihn eine Berufung. Er sagt, er wüsste nicht, was aus ihm geworden wäre, hätte ihm Biel nicht die Chance geboten, Trainer zu werden. Er habe persönlich eine schwierige Zeit durchgemacht (Scheidung, Tod seines Vaters) und die Arbeit als Trainer in Biel sei schon immer so intensiv gewesen und sei es immer noch, dass er bei dieser Arbeit vorübergehend alles ausblenden könne, was ihn sonst beschäftige und belaste.
Am ehesten lässt sich Kevin Schläpfer mit Arno Del Curto vergleichen. Beide haben diese bedingungslose Leidenschaft für den Trainerberuf und beide verstehen es, ein Maximum aus einem Spieler herauszuholen. Aber beide wissen auch, dass der Erfolg nur dann möglich ist, wenn alle mitziehen. Im Sinne des Neuen Testamentes: «Wer nicht für mich ist, der ist wider mich» (Matthäus 12, Vers 30). So wie sich Arno Del Curto von Spielern trennt, die nicht mehr mitziehen, so ist auch Kevin Schläpfer konsequent. Er hat sich beispielsweise im Herbst 2011 fristlos von Verteidiger Mario Scalzo getrennt. Der Kanadier hatte seinem Trainer offen widersprochen.
Arno Del Curto ist im Sommer 1995 in Davos Trainer geworden, weil der bisherige Amtsinhaber Mats Waltin zu viel Geld für die Vertragsverlängerung verlangte. Der Engadiner hat diese Chance genutzt und hat den HCD in die Spitzengruppe der Liga und zu fünf Meistertiteln geführt. Auch Kevin Schläpfer ist in Biel unter anderem deshalb zum Cheftrainer befördert worden, weil er viel weniger kostete als die ausländischen Bandengeneräle. Und auch er hat seine Chance genützt. Mit der neuen Arena hat der EHC Biel ab nächster Saison ganz neue wirtschaftliche und damit mittelfristig auch viel bessere sportliche Perspektiven.
Es wäre fahrlässig zu wetten, dass Kevin Schläpfer in Biel nie Meister und nie Trainer des Jahres wird. Und die Geschichte unseres Eishockeys bleibt unvollendet, wenn wir keine Antwort auf die Frage bekommen, was wäre, wenn Kevin Schläpfer einen grossen Klub coachen würde.