Liegt es am Trainer? An den Ausländern? Am Sportchef? Nein, es liegt an der ganz besonderen Kultur dieses grossen Hockey-Unternehmens. Lugano hat viel zu viel Geld. Seit Jahren lässt sich das Management dazu verführen, in den Transfer-Edelboutiquen die besten Artikel mit den grössten Preisschildern einzukaufen. Was teuer ist, muss gut sein.
Aber Eishockey ist der letzte wahre Mannschaftsport. Es ist verhältnismässig einfach, mit unbeschränkten finanziellen Mitteln eine Spektakel-Mannschaft für die Qualifikation einzukaufen. Aber es ist unendlich viel schwieriger, eine Mischung aus den richtigen Spielertypen zusammenzustellen. Eine Mannschaft, die Meisterschaften gewinnen kann. Selbst die klügsten Leute scheitern oft an dieser Herausforderung.
Finisce il campionato per il Lugano!
Le analisi diranno forse, come e perché non si è riusciti a superare lo stadio dei quarti di finale.
— HC Lugano (@H_C_Lugano) 12. März 2015
Erstaunlich ist bei Lugano nicht das Scheitern an und für sich. Scheitern gehört zum Sport. Entscheidend ist, was das Management nun aus diesem neusten Misserfolg lernt.
Es war nicht falsch, Patrick Fischer zum Cheftrainer zu machen. Er ist ein charismatischer Bandengeneral. Aber als Trainer fehlt ihm die «Fronterfahrung». Im Pulverdampf der Playoffs hat er nun zweimal hintereinander die Übersicht verloren. Ihn deswegen zu feuern, wäre falsch. Er hatte das Pech, im Viertelfinal zum zweiten Mal hintereinander gegen Chris McSorley antreten zu müssen. Der Kanadier ist einer der besten Coaches ausserhalb der NHL. Zauberlehrling Patrick Fischer musste sich zweimal dem grossen Magier beugen. Es ist letztlich eine logische Pleite.
Patrick Fischer wird aus dem Scheitern gegen Servette lernen und ein besserer, ein guter Coach werden. Viel wichtiger ist, dass auch Sportchef Roland Habisreutinger gewillt ist zu lernen. Er hat zwei wichtige Spieler geholt, die Chris McSorley nicht mehr wollte. Dabei gibt es ein ungeschriebenes Gesetz: Hände weg von einem Spieler, den Chris McSorley nicht mehr will.
Chris McSorley hat die beiden Nationalstürmer Julian Walker und Juraj Simek ziehen lassen. Walker hat in den Playoffs nach bestem Wissen und Gewissen gespielt. Er gehörte nicht zu den Versagern – aber ein Held war er auch nicht. Simek war hingegen in den Playoffs ein Ausfall. Er hat in sechs Playoff-Partien einen einzigen Skorerpunkt gebucht.
Bei Servette ist die Mannschaft, ist das System immer wichtiger als der einzelne Spieler. Deshalb holt Chris McSorley aus einem Minimum ein Maximum heraus. Zu einem Titel hat es zwar noch nie gereicht und in die Playouts musste er auch schon zweimal (2006, 20102). Aber dafür schaffte er schon dreimal das Halbfinale (2004, 2014, 2015) und zweimal das Finale (2008, 2010).
Wenn Chris McSorley einen Spieler nicht mehr will, dann ist dieser Spieler entweder im Verhältnis zu seiner Leistungsfähigkeit zu teuer, nicht dazu in der Lage, in einem System zu spielen oder er geht davon aus, dass dieser Spieler seine Zukunft hinter sich hat. Julian Walker und Juraj Simek passen durchaus in dieses Schema.
War es ein Fehler, Damien Brunner zu holen? Nein. Ein Schweizer Spieler wie Damien Brunner kann tatsächlich das entscheidende Stück in einem Meister-Puzzle sein. Eine Beurteilung ist nach dieser Playoff-Serie nicht fair: Er war nicht fit.
Aber Damien Brunner und Juraj Simek stehen für Luganos Problem: Zu viel Geld. Die Versuchung, laufend nachzurüsten ist gross. Und ebenso die Gefahr, nicht jene Spieler einzukaufen, die ins System passen sondern jene, die den grössten Namen und das grösste Preisschild haben auch. Nun zeigt sich: Damien Brunner und Juraj Simek haben in einer späten Phase der Saison die Hierarchie im Team und damit die Chemie verändert. Aber die Mannschaft nicht besser gemacht.
Lugano könnte aus seiner Geschichte lernen. Beim «Grande Lugano», das 1986, 1987, 1988 und 1990 den Titel holte und 1989 und 1991 im Final stand, war das System, war die Mannschaft immer wichtiger als der einzelne Spieler. Erst als der Magier John Slettvoll ob seiner Allmacht und seiner Erfolge im hockeytechnischen Sinne grössenwahnsinnig wurde, war es mit der Herrlichkeit zu vorbei.
Sportchef Roland Habisreutinger war einst ein mittelmässiger Hockeyspieler und ein exzellenter Spieleragent. Er hat viele Verbindungen in die grosse, weite Hockeywelt. Aber er ist kein Stratege. Er kauft ein, was ihm aufgetragen wird und er hat nicht die Autorität, um in Lugano eine Strategie zu bestimmen. Den Weg weisen Präsidentin Vicky Mantegazza, eine Milliardärin, und Trainer Patrick Fischer. Es bringt also nichts, Roland Habisreutinger zu feuern.
Es wäre falsch, jetzt in Lugano alles über den Haufen zu werfen. Es hat im Laufe dieser Saison vielversprechende Ansätze gegeben. Wenn Patrick Fischer die Chance bekommt, aus den Fehlern zu lernen, dann wird aus dem charismatischen Kommunikator vielleicht doch noch ein grosser Hockey-Stratege. Ein Chris McSorley im Westentaschenformat. Erst wenn er im Frühjahr 2015 zum dritten Mal hintereinander wie ein Zauberlehrling scheitern sollte, ist es Zeit, über seine Entlassung nachzudenken.
Aber wir sollten uns auch bewusst sein: Es gibt gegenwärtig nur fünf Trainer, die Lugano zu einem Meisterteam trimmen, eine ähnliche Rolle wie einst John Slettvoll spielen könnten und sich von der Präsidentin nicht dreinreden liessen: Arno Del Curto, Chris McSorley, Kevin Schläpfer, Heinz Ehlers und Ralph Krueger. Alle fünf sind nicht erhältlich. Also kann Lugano keinen Meistermacher einkaufen. Es bleibt daher eigentlich nur eine Möglichkeit: Patrick Fischer zum Meistertrainer auszubilden oder zu hoffen, er werde sich zu einem Meistertrainer entwickeln.
Und so erkennen wir Luganos Tragik: Es ist trotz unbeschränkter finanzieller Mittel einfach nicht möglich, einen Meistertrainer zu finden. Grosse Trainer sind grosse Trainer, weil sie nicht nur aufs Geld achten. Sondern darauf, ob sie bei einem Hockeyunternehmen auch Erfolg haben können.
Wir sollten uns beim Management in Lugano bedanken. Für das Spektakel, das uns während der Qualifikation geboten worden ist. Und dafür, dass es uns erneut erspart bleibt, über die Osterfeiertage über den Gotthard ins Tessin reisen zu müssen. Ich freue mich dafür schon auf das Spektakel im nächsten September, Oktober, November, Dezember, Januar und Februar.