Die «Hockey-Traumfabrik» Gottéron ist heute sozusagen ein hybrides Hockey-Unternehmen: Einerseits sind Emotionen der Sauerstoff der Sportabteilung. Andererseits bewahrt die Ruhe und Sachlichkeit des Managements Gottéron davor, in finanzielle Schwierigkeiten zu geraten. Was ja seit dem Aufstieg von 1980 schon einige Male der Fall war. Für den Pragmatismus der Führung steht Präsident Hubert Waeber.
Der erfolgreiche Unternehmer aus der Autobranche (grösster Opel-Händler der Schweiz) drischt nicht das leere Stroh der Ausreden. Natürlich ist er enttäuscht. Aber Ausreden, um diese Enttäuschung ein wenig zu mildern, akzeptiert er nicht. «Wir haben vor einem Jahr die Qualifikation auf dem zweiten Platz abgeschlossen und den Halbfinal erreicht. Diese Saison war das Minimalziel die direkte Qualifikation für die Playoffs und der Halbfinal.»
Ein einziger Sieg mehr in 52 Runden hätte genügt. Einfach Pech gehabt? «Nein», sagt der Präsident, seit 2019 im Amt. «Wir haben unser Ziel nicht erreicht. Es war von allem Anfang an klar, dass es eine sehr ausgeglichene Meisterschaft wird.»
Wirtschaftlich kommt Gottéron nach dem Scheitern gegen Lugano in den Pre-Playoffs mit einem blauen Auge davon. «Wir haben nur so viel Geld ausgegeben, wie wir eingenommen haben» bilanziert der Vorsitzende. «Den sechsten und siebten Ausländer haben wir erst nach entsprechenden Mehreinnahmen engagiert.»
Budgetiert waren die Erträge aus 26 Heimspielen in der Qualifikation und zwei weiteren in den Playoffs. Im Falle dieses Minimalbudgets wäre ein Plus von 300 000 Franken in der Kasse geblieben. Nun ist es bei einem Heimspiel in den Pre-Playoffs geblieben. Der Präsident sagt, das sei zu verkraften. Die Einnahmen seien dafür in verschiedenen anderen Bereichen etwas höher als budgetiert.
Gottéron erreichte mit 99,04 Prozent die höchste Stadionauslastung der Liga. 8 922 Frauen, Männer und Kinder kamen pro Heimspiel. So viele wie noch nie. Trotz sechs Heimniederlagen in Serie gegen Zug, Davos, die ZSC Lions, Kloten, Lausanne und die Lakers zwischen dem 21. Januar und 18. Februar. Negativ-Rekord der gesamten Klubgeschichte.
Die wirtschaftlichen Folgen sind also verkraftbar. Die Zusatzeinnahmen bei einem Weiterkommen bis in den Final oder gar den Final wären für zusätzliche Investitionen in verschiedenen Bereichen verwendet worden. Der Präsident sagt:«Die müssen nun vorerst zurückgestellt werden.»
Im wirtschaftlichen Bereich ist keine Korrektur notwendig. Die nächsten Tage sind der sportlichen Analyse gewidmet. In Einzelgesprächen mit den Spielern und dem sportlichen Führungspersonal soll herausgefunden werden, warum es nicht funktioniert hat. Der Aufarbeitungsprozess wird ein wenig vereinfacht, weil Christian Dubé Sportchef und Trainer ist. So braucht es nicht separate Sitzungen einerseits mit dem Sportchef und andererseits mit dem Trainer.
Seit dem verlorenen Final von 2013 (gegen den SCB) hat Gottéron noch zwei Playoff-Serien gewonnen. In den acht Jahren der «Ära von Christian Dubé» eine einzige. Im letzten Frühjahr gegen Lausanne. Diese verheerende Bilanz hat der Hexenmeister der Kommunikation verbal immer wieder ausgebügelt.
Seit 2015 verantwortet Christian Dubé die Zusammenstellung der Mannschaft und seit dem 4. Oktober 2019 ist er auch Trainer. Mit der Zielsetzung, nach den 1990er Jahren (mit Slawa Bykow und Andrej Chomutow) und den frühen 2010er Jahren den dritten Anlauf auf den Gewinn der Meisterschaft zu wagen.
Gottéron ist diese Saison auch wegen der Arbeit des Sportchefs gescheitert: Die Ausländer erzielten gerade mal 66 Tore. Bei Servette sind es 99. In diesem Bereich eilt der Präsident seinem Sportchef zu Hilfe und sagt: «Es schien ein Vorteil zu sein, dass wir unsere Mannschaft früh zusammengestellt hatten. Aber dann kam der Krieg in der Ukraine und auf einmal waren sehr gute Ausländer zu günstigen Preisen zu haben. Aber wir hatten unsere Ausländer schon und wir konnten von dieser Marktsituation nicht profitieren.»
Nun ist Christian Dubés Mannschaft überaltert. Torhüter Reto Berra ist 36 und nach wie vor «nur» ein guter, aber kein grosser Goalie. Raphael Diaz ist 37, Killian Mottet 32 und Julien Sprunger 37. Alle mit weiterlaufenden Verträgen. Aber es ist nicht ausgeschlossen, dass Julien Sprunger trotzdem an Rücktritt denkt. Der neue, alte Hoffnungsträger Chris DiDomenico ist auch schon 34. Der Präsident freut sich über seinen Zuzug: Er bringe die Emotionen zurück, die diese Saison fehlten. Probleme fürchtet er nicht. «Es gab während seiner ersten Saison bei uns nie Schwierigkeiten.»
He's back! #88 pic.twitter.com/IQCQ4Jzfol
— Fribourg-Gottéron (@FrGotteron) March 5, 2023
Gottéron hat eigentlich alles, um eine Meisterschaft zu gewinnen: die neue Arena, das Geld, die tiefgreifende Vernetzung in Politik und Wirtschaft und eine treue Fanbasis. Kurzum: Es ist eine grosse, reiche Hockeykultur.
Aber die sportliche Führungsstruktur mit Christian Dubé in der Doppelrolle als Trainer und Sportchef leistet sich heute kein Klub mehr in einer ernstzunehmenden Liga. Zu komplex sind die Herausforderungen im Büro, in der Kabine, auf dem Eis und an der Bande.
Erst im letzten Juni hat Präsident Hubert Waeber eine vorzeitig Vertragsverlängerung mit dem «doppelten Christian» bis 2025 abgesegnet. Christian Dubé hat im September gesagt: «Wenn ich spüre, dass es nicht mehr funktioniert, dass ich nicht mehr der richtige Mann bin, dann gehe ich.» Die nächsten Tage werden zeigen, ob er Präsident Hubert Waeber den Gefallen tut, ihm den bisher heikelsten Entscheid der Amtszeit abzunehmen.
Mag sein, dass Christian Dubé bei der anstehenden Saisonanalyse seine Position gegenüber dem Präsidenten behaupten kann. Aber Autorität und Akzeptanz im Sportchef-Büro, in der Kabine und auf dem Eis hat arg gelitten. Und nun kommt auch noch Chris DiDomenico.
Trotzdem sportlichen Scheitern wird das Geschäftsjahr mit dem budgetierten Minimal-Reinertrag von rund 300 000 Franken enden. Dieser Betrag könnte in ein Buyout von Christian Dubé investiert werden. Es wird eine Güterabwägung sein: Was ist grösser: Der sportliche Schaden, der womöglich mit einem Verbleib von Christian Dubé in seiner Doppelrolle oder auch nur in einem der beiden Ämter entstehen kann - oder das Risiko, keine geeigneten Nachfolger im Sportchef- und im Trainer-Büro zu finden?
Gottéron steht auf dem 7. Platz der Qualifikation exakt in der Mitte der Tabelle. Nur einen Punkt hinter Meister Zug. Ein einziger Sieg hat in 52 Runden gefehlt, um das erste Saisonziel (6. Platz) zu erreichen. Ein Sieg mehr in der Qualifikation und niemand würde jetzt Christian Dubé öffentlich infrage stellen und diese Zeilen würden noch nicht geschrieben.
So dünn ist das Eis, auf dem ein Präsident, ein Trainer und ein Sportchef stehen. Es ist eine Kunst, auf so dünnem Eis beim Krisenmanagement kühlen Kopf zu bewahren und nicht einzubrechen.