Lausanne ist besser und gewinnt am Sonntagabend verdient 2:1. 38:24 Torschüsse (und 13:7 im Schlussdrittel) dokumentieren die Überlegenheit. Also ist Lausanne nun für die dritte und alles entscheidende Partie auf eigenem Eis Favorit.
Gegen einen «gewöhnlichen» Gegner wäre die Sache klar. Aber der Gegner heisst Ambri. Das erste Spiel hat Ambri in Lausanne trotz klarer Unterlegenheit (18:36 Torschüsse) 2:1 gewonnen. Wenn Trainer Luca Cereda sagt: «Wir leben noch …», ist das nicht einfach ein Spruch. Eher eine Warnung für Lausanne.
Die Frage ist natürlich: Warum hat es Ambri am Sonntagabend im eigenen Stadion nicht geschafft, mit einem Sieg in die Viertelfinals einzuziehen? Ganz einfach: Weil der Gegner sich nicht auf seine spielerische Überlegenheit verlassen hat. Sondern auf Härte, Kampf und Leidenschaft setzte. Kein anderes Team ist im Laufe dieser Saison in der neuen Valascia so hart eingestiegen. Lausanne hat gespielt, als wäre es Ambri.
Die Szene, die alles erklärt: Dominic Zwerger ist zwar ein Schillerfalter. Aber ein robuster (183 cm/93 kg) und er hat sich vier Jahre lang im rauen nordamerikanischen Juniorenhockey behauptet. Aber nun läuft er in den fürchterlichsten Check seiner Karriere: Lausannes Verteidiger-Titan Fabian Heldner (193 cm/95 kg) erwischt ihn kurz nach der blauen Linie. Er wird mit einem Restausschluss in die Kabine geschickt (28:34 Min.).
Der Österreicher mit Schweizer Lizenz wird in den Grundfesten erschüttert und kann die Partie nicht fortsetzen. Nach dem Spiel trottet er mit hängendem Kopf im Kabinengang dem Ausgang zu. Gleichsam als Symbolfigur für das geknickte Ambri. Ob er in der dritten Partie antreten kann, ist offen. «Sehr wahrscheinlich nicht» sagt Sportchef Paolo Duca.
Ambri kann den Fünfminutenausschluss von Fabian Heldner nicht ausnützen. Ein erstes Studium der TV-Bilder zeigt: Der Check ist hart, aber korrekt. Diese Einschätzung wird von den Video-Richtern später bestätigt: Kein Verfahren gegen Fabian Heldner.
Die Härte von Lausanne macht Ambri zu schaffen. Zwar gelingen immer wieder Konter – aber die Abschlüsse sind überhastet und werden von Luca Boltshauser pariert. Nur einmal ist er machtlos: Isacco Dotti kommt von der Strafbank zurück und Brandon McMillan lenkt seinen Pass direkt zum 1:1 ins Netz.
Wenn Trainer Luca Cereda sagt, seine Mannschaft lebe noch, dann auch wegen Torhüter Janne Juvonen. «Er ist unsere beste Transferinvestition in meinen 13 Jahren als Präsident» sagt Filippo Lombardi. Der Finne hat Ambri sieben Siege in Serie (und die Qualifikation für die Pre-Playoffs) beschert und nun seiner Mannschaft auch in der zweiten Partie gegen Lausanne im Spiel gehalten. Er kann nur in Ambri spielen, weil sich sein Team (Jokerit Helsinki) aus der KHL zurückgezogen hat.
Wo und ob Jokerit nächste Saison überhaupt wieder spielen kann und Juvonens weiterlaufender Vertrag in der finnischen Hauptstadt gültig bleibt, ist offen. So oder so hat Janne Juvonen Sportchef Paolo Duca die Augen geöffnet: Nächste Saison dürfte Ambri eine seiner Ausländerlizenzen für einen ausländischen Torhüter einlösen. Bisher hat Ambri für nächste Saison erst einen Ausländer unter Vertrag: Filip Chlapik, den Topskorer der höchsten tschechischen Liga.
Sportchef Paolo Duca sagt, Janne Juvonen sei ein Glücksfall. Er stelle keinerlei Ansprüche, sage nicht viel und konzentriere sich einfach aufs Hockey. Und doch scheint der introvertierte Finne bereits nach kurzer Zeit zu ahnen, zu spüren, was Ambri ist. Eine gute halbe Stunde nach dem Spiel, unsere Unterhaltung ist beendet, macht er sich auf den Weg zurück in die Kabine. Auf einmal hält er inne, schaut sich um und sagt: «Wir sehen uns beim nächsten Heimspiel …»
Es ist, wie es Luca Cereda gesagt hat: «Wir leben noch.» Und wenn es sein Torhüter, sein wichtigster Einzelspieler aus dem hohen Norden, spürt, dann ist es wirklich so.
Das hat für mich nichts mit Leidenschaft zu tun…!