Kann ein Spieler alles verändern? Auf den ersten Blick scheint es so. Am 2. Dezember 2014 hat Martin Gerber die Arena in Fribourg mit einer Ellenbogenblessur verlassen.
In den Wochen ohne Martin Gerber geraten die Kloten Flyers in eine tiefe Krise. Sie sind vom 9. Rang (punktgleich mit Biel) bis auf den 11. und zweitletzten Platz abgerutscht. Sie wechselten den Trainer und holten einen neuen Ersatzgoalie (Schwendener) und einen neuen ausländischen Stürmer (Andersson). Es nützte nichts.
Nun ist in Bern Martin Gerber, 40 Jahre alt, ins Tor zurückgekehrt. Und die Kloten Flyers haben gleich einen grandiosen Triumph gefeiert. 5:1 auswärts gegen den Tabellenführer!
Für Trainer Sean Simpson spielte Martin Gerber bei diesem wundersamen Sieg eine zentrale Rolle. «Er hat Ruhe ins Spiel gebracht und uns Sicherheit gegeben.» Seine Mannschaft habe nicht anders gespielt als in den letzten Partien. «Wir waren auch in den letzten Spielen gut organisiert. Ich behaupte, dass wir mit Martin Gerber vier oder fünf Spiele mehr gewonnen hätten. Wir haben ja so oft nur mit einem Tor Differenz verloren.»
Das Argument, Martin Gerber habe doch gar nicht so viel zu tun gehabt, lässt der WM-Silberschmied nicht gelten. «Seine Präsenz ist auch in der Kabine wichtig und er flösst seinen Vorderleuten durch seine ruhige Art Selbstvertrauen ein.»
Die Aussagen vom Trainer zeigen primär einmal die Wirkung vom «Gerber-Voodoo». Also die magische Wirkung von seinem Charisma, seiner Präsenz. So wie einst alleine die Anwesenheit von Napoleon auf dem Schlachtfeld die Wirkung von 40'000 Soldaten gehabt haben soll, so spielten die Klotener in Bern so als seien sie ein bisschen grösser und schwerer und schneller. Nur weil Martin Gerber wieder im Tor stand.
Wir verneigen uns vor Sean Simpson und Martin Gerber so tief wie wir es bei dem kalten Wetter im sperrigen Wintermantel vermögen. Aber der tüchtige Trainer von Kloten überschätzt die Kraft vom «Gerber-Voodoo». Bei einem zweiten Blick zeigt sich nämlich: Der alte Löwe verbrachte bei seinem Comeback einen geruhsamen Abend. Seine Vorderleute dominierten die Partie mit 25:19 Torschüssen.
Mit ziemlicher Sicherheit hätte es auch mit Janick Schwendener oder mit dem nach Langnau abgeschobenen Jonas Müller locker zum Sieg gereicht. Martin Gerber spielte gut, weil auch seine Vorderleute gut waren. Die Wechselwirkung zwischen Mannschaft und Torhüter.
Auf der Gegenseite spielte der letzte Mann auch eine wichtige Rolle. Die Niederlage wäre für den SCB eigentlich noch kein Grund zur Sorge. Die Berner bleiben vorerst Leader. Aber Torhüter Marco Bührer könnte noch zur tragischen Figur beim grossen Titelfavoriten werden.
Drei von fünf Treffern gehen auf sein Konto. Seine Fangquote war miserabel (80 Prozent). Spielte er so schwach, weil seine Vorderleute nicht bei der Sache waren? Oder verunsicherte der Meistergoalie von 2004 und 2010 und 2013 seine Mitstreiter? Auch hier: Die Wechselwirkung zwischen Mannschaft und Torhüter.
Bern gegen Kloten war eines von diesen kuriosen Spielen, die in der letzten Phase in der Qualifikation einen Strich durch alle Prognosen und Sportwetten machen: Der Favorit, arrogant und sorglos in der Spitzengruppe von der Liga und schon die Playoffs im Kopf, ist gegen den Aussenseiter, der bissig um den letzten Playoff-Platz kämpft, nicht so recht bei der Sache.
Ab Mitte Januar ist es für einen entschlossenen Krisenclub oft einfacher, gegen einen nachlässigen Titanen zu spielen als gegen die heissen Mitbewerber um die Playoff-Qualifikation. Und so ist es keine Überraschung, dass am Freitag auch die direkten Gegner von Kloten um den 8. Platz gewonnen haben: Biel gegen Davos (4:1) und Fribourg in Lausanne (2:1).
Die Geschichte von dieser Saison muss also wegen ein bisschen «Gerber-Voodoo» noch nicht umgeschrieben werden. Für Kloten hat sich nichts verändert. Nach wie vor verharren die Zürcher auf dem 11. Platz und der Abstand auf den 8. Rang bleibt gleich (7 Punkte).
Der historische 5:1-Triumph in Bern könnte sich am Ende als Pyrrhussieg erweisen. Als ein Sieg, der nichts nützt. Kloten steht als Sieger nicht besser da als der Besiegte. So wie die Karthager nach dem Sieg von Cannae über die Römer (216 v. Chr.) und die Österreicher nach dem Sieg von Caporetto über die Italiener (1917). Es waren überraschende und überwältigende und triumphale Siege und am Ende waren die Karthager und die Österreicher trotzdem die grossen Verlierer.
Aber noch sind die Kloten Flyers nicht ganz verloren. Sie dürfen fest mit den sechs Gratispunkten aus den beiden Partien gegen die Lakers rechnen. Die Hockeygötter haben den sorgengeplagten und tapferen Bandengenerälen als Gegengewicht zu den Mühseligkeiten beim Ringen um den letzten Playoffplatz vier Trösterli gegeben: Die Hoffnung und den Schlaf und das Lachen und die Spiele gegen die Lakers.