Im Dezember verkündet der neue Verbandspräsident Stefan Schärer eine baldige vorzeitige Verlängerung mit Nationaltrainer Patrick Fischer bis und mit der Heim-WM 2026. Im Februar wird die angekündigte Prolongation des Mandates, das nach der WM 2024 ausgelaufen wäre, offiziell verkündet. Patrick Fischer ist seit Dezember 2015 Nationaltrainer.
Die kluge und gut gemeinte Absicht von Stefan Schärer: Er geht davon aus, dass nun Ruhe einkehrt und die Diskussionen um den Nationaltrainer aufhören. Doch das ist nicht der Fall. Das Nationalteam hat zum Zeitpunkt der Verlängerung gerade die 11. Niederlage in Serie kassiert. Die Kritik ist heftig. Die vornehme, jeder Polemik abholde NZZ titelt gar: «Ein Bekenntnis zu Patrick Fischer zur Unzeit.»
Die kritischen Stimmen wollen seither einfach nicht mehr verstummen. Trotz einer «Beruhigungspille»: Stefan Schärer beteuert, der Verband habe sich mit einer Ausstiegsklausel für alle Fälle abgesichert. Bloss: Niemand kennt diese Klausel. Sie wird geheim gehalten. Der «Blick» schreibt gar in grossen und fetten Lettern: «Die Ausstiegsklausel bei Fischer bleibt Staatsgeheimnis.»
Sogar Peter Zahner, als Manager der ZSC Lions und Verwaltungsrat des Verbandes der wohl bestinformierte Mann in unserem Hockey-Universum, kennt das Staatsgeheimnis nicht: «Ich habe keinerlei Kenntnis über die Einzelheiten des Mandates von Patrick Fischer.» Patrick Fischer ist beim Verband nicht angestellt. Es handelt sich um ein Mandat, das nicht dem Arbeitsrecht unterliegt. Die Parteien können die Modalitäten frei aushandeln.
Wie brisant die Sache ist, zeigt sich bei einer Medienkonferenz im April: Verbands-Kommunikationsgeneral Finn Sulzer stellt vor der Fragerunde mit Patrick Fischer und Verbandsdirektor Lars Weibel unmissverständlich klar, dass über den Vertrag des Nationaltrainers keine Auskunft gegeben wird. Man möge Fragen zum Thema unterlassen. Es wird nicht gefragt.
Es gibt offensichtlich und zweifelsfrei ein reges Interesse an der Lüftung dieses Hockey-Staatsgeheimnisses. Also waltet der Chronist seines Amtes und enthüllt es: Diese Ausstiegsklausel ist so banal wie für den Verband fatal: Das Mandat mit Patrick Fischer kann nur vorzeitig ohne schmerzhafte Kostenfolge aufgelöst werden, wenn bei der WM 2024 in Prag oder im nächsten Jahr der Viertelfinal nicht erreicht wird. Punkt. So einfach ist es.
Es gibt also keinerlei kritische Beurteilung der WM oder vertiefte Analyse des WM-Auftrittes, wie sie allenthalben auch von den Klub-Sportchefs und auch sonst weitherum angemahnt wird. Viertelfinal ist Viertelfinal. Punkt. Ob es dann für den Halbfinal oder gar den Final reicht, ob der Viertelfinal heldenhaft nach dem 37. Penalty gegen Schweden oder schmählich gegen Deutschland wie im Vorjahr verloren geht, ist einerlei.
Im Papier ist auch bereits festgeschrieben, wie teuer eine vorzeitige Trennung trotz Viertelfinal-Qualifikation wird. Die Kosten sind sechsstellig. Stefan Schärer sagt dazu: «Sie können davon ausgehen, dass wir bei der Ausstiegsklausel eine clevere und faire Lösung gefunden haben.»
Clever und fair gilt für beide Seiten. Patrick Fischers Mandat ist tatsächlich von einer international tätigen, im Kanton Zug ansässigen Agentur ausgearbeitet worden, die als cleverste der Branche gilt. Aber auch als fair. Stefan Schärer präzisiert zur Abfindung im Falle einer Trennung zur Unzeit:
Die Schweizer haben hier in Prag die Viertelfinals bereits erreicht und werden auch im nächsten Jahr bei der WM dieses Ziel erreichen. Wenn Patrick Fischer nicht freiwillig das Handtuch wirft (was er kaum tun wird), gibt es folglich für den Verband keine Möglichkeit einer kostenlosen vorzeitigen Trennung. Das ist gut so. Denn Patrick Fischer hat inzwischen zwei Jobs. Er ist Nationaltrainer und Nationaldiplomat.
Mag sein, dass er kein gestrenger taktischer Zuchtmeister und schlauer Bandengeneral ist wie einst Ralph Krueger, der aus den Spielern der heimischen Liga eine defensive Betonmaschine schmiedete, die sich bei der WM meistens in die Viertelfinals zu mauern vermochte. Aus der NHL rückte schon damals hin und wieder Verstärkung nach: in der Regel aber nur Mark Streit, Jonas Hiller, David Aebischer oder Martin Gerber. Wobei Mark Streit bei weitem nicht die Kragenweite von Roman Josi hatte.
Heute ist die Situation eine gänzlich andere. Sportlich ist es ein Gewinn, aber für Patrick Fischer eine Mühsal, dass die Schweizer für die Russen in die sog. «Euro Hockey Tour» nachgerückt sind. Dort müssen sie sich bei vier Turnieren mit den Tschechen, Finnen und Schweden messen, die in den eigenen Ligen über ein ungleich grösseres Potenzial verfügen.
So haben die Schweizer diese Saison 13 Niederlagen aneinandergereiht, die erst noch alle vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen live in alle Stuben übertragen worden sind. Logisch also, dass es am Nationaltrainer heftige Kritik gibt. Keine Frage: Kein anderer Nationaltrainer hatte zwischen November und April einen so schwierigen Job.
Ralph Krueger hatte es zwischen 1997 und 2010 besser: Er durfte vor einer WM weitgehend im medialen Windschatten gegen das Operettenteam aus der Slowakei und Titanen wie Norwegen, Lettland, Italien, Frankreich oder Weissrussland und manchmal gegen den Erzrivalen Deutschland fleissig üben.
Inzwischen haben die Schweizer die NHL erobert. Roman Josi und Nico Hischier führen ihre NHL-Teams gar als Captain und Kevin Fiala sowie Nino Niederreiter zählen zu den besten Stürmern der Welt. Nicht weniger als sieben (!) NHL-Profis sorgen dafür, dass das WM-Team in Prag nicht einmal annähernd mit dem nationalen Verliererteam des Novembers, Dezembers und Februars vergleichbar ist. Wir haben heute eigentlich zwei Nationalmannschaften: eine echte für die WM und eine fürs Operettenhockey zwischen November und April.
Patrick Fischers diplomatischer Kunst, seinem Gespür für modernes Hockey, seinem Charisma und Charme ist es zu verdanken, dass unsere NHL-Stars nach dem Ende ihrer NHL-Saison alles daransetzen, bei der WM anzureisen. Für ihre Karriere ist die WM unbedeutend.
Wie hoch Patrick Fischers unbezahlbares kommunikatives und diplomatisches Talent einzuschätzen ist, mag sich daran zeigen, dass es Ralph Krueger und auch sein Nachfolger Sean Simpson seinerzeit nicht einmal schafften, alle Spieler aus unserer Liga für das Nationalteam zu begeistern. Natürlich wäre es gut, wenn Patrick Fischer auch noch Ralph Kruegers taktisches Geschick und seine coachingtechnische Schlauheit hätte. Aber dann wäre er schon lange ein hochrangiger Bandengeneral in der NHL und würde Dollar-Millionen verdienen.
Die Niederlagenserie an der Euro-Trophy war aber definitiv ein graus zum zuschauen!