Ambris Renaissance hängt mit einer ganz besonderen Personalentscheidung zusammen: Präsident Filippo Lombardi hat seinen Kabinen-Leitwolf Paolo Duca im Frühjahr 2017 direkt zum Sportchef befördert. Obwohl der Captain erst 36 war. Der charismatische Sportchef steht heute für die Wiederauferstehung des wahren Ambri und für eine kluge Personalpolitik.
Soeben hat der Verwaltungsrat des HC Lugano Sportdirektor Roland Habisreutinger seines Amtes enthoben. Der kluge Opportunist hat sich seit 2009 – also zehn Jahre lang (!) – im Amt gehalten. Obwohl er das grosse sportliche Ziel (der nächste Titel nach 2006) nicht erreicht bzw. in zwei Finals gegen den SC Bern (2016) und die ZSC Lions (2018) knapp verpasst hat. Und ständiger medialer Kritik ausgesetzt war.
Bei aller durchaus berechtigen Kritik an seinen Entscheidungen, seiner Wahl der Trainer und des ausländischen Personals, geht er doch als einer der grossen Sportchefs in die Geschichte unseres Eishockeys ein. Wer sich in Lugano als Deutschschweizer im Amt halten kann, ist ein grosser Hockeypolitiker. Die grossen Parteien müssten ihn eigentlich im Mandat als Berater einstellen.
Wer wird sein Nachfolger? Vicky Mantegazza ist eine kluge Präsidentin mit einem sicheren Gespür für die Vorgänge in der Kabine und die Befindlichkeiten im Umfeld ihres HC Lugano. Sie könnte in Versuchung geraten, Julien Vauclair zum Sportchef zu machen.
Ein profunder Kenner des HC Lugano mit lateinischer Seele pflegte bei Roland Habisreutingers Vertragsverlängerungen mit Julien Vauclair 2013, 2015 und 2018 jeweils zu scherzen: «Oh, jetzt hat der Roli seinen Job schon wieder gesichert. Grande Roli!».
Julien Vauclair hat in den letzten Jahren durchblicken lassen, dass er sich vorstellen könnte, einmal Sportchef zu werden. Roland Habisreutinger wusste also: Solange der Vauclair spielt, kommt niemand in Versuchung, den Verteidiger zum Sportchef zu machen, und ich bleibe im Amt.
Aber nun ist es so weit. Julien Vauclairs Vertrag läuft aus. Er ist eine der ganz grossen Spielerpersönlichkeiten unseres Eishockeys. 1999 und 2006 Verteidigungsminister in Luganos Meisterteams, 2013 WM-Silberheld und im WM-Allstar-Team.
Sein Pech: Er kam ein paar Jahre zu früh. Sonst hätte er eine grosse NHL-Karriere gemacht. Aber als er sein Nordamerika-Abenteuer machte (2001 bis 2004), waren helvetische Verteidiger noch nicht en vogue. Es reichte nur für ein einziges NHL-Spiel bei Ottawa. Es hat jedoch bei weitem für eine grandiose Karriere in unserem Hockey mit mehr als 1000 Meisterschaftspartien und über 150 Länderspielen gereicht.
Der Jurassier aus einer grossen Hockey-Familie (auch seine Brüder Tristan und Geoffrey machten Karriere in der höchsten Liga) ist nicht nur ein charismatischer Spieler. Oft wird vergessen, dass er in Lugano auch ein hoch angesehener, kluger Kabinen-Diplomat und Kabinen-Politiker ist. Sozusagen ein Thomas Borer des Eishockeys. Aber ohne Frauengeschichten.
Am 2. Oktober wird Julien Vauclair 40 Jahre alt. Er hat diese Saison in 44 Qualifikationspartien noch immer 10 Punkte produziert. Aber die Zeit des Rücktritts ist eigentlich gekommen.
Warum also nicht, so wie Paolo Duca, gleich im Büro des Sportchefs Platz nehmen? Er wäre der perfekte Sportchef. Hoch angesehen im helvetischen Hockey, bestens vernetzt in der Hockeywelt und eine Respektsperson in der Tessiner Operetten-Medienwelt. Roland Habisreutinger hat immer wieder polarisiert und Polemik ausgelöst. Vor Julien Vauclair würden sich die Chronistinnen und Chronisten verneigen.
Es gibt keinen Grund, warum der grosse Verteidiger nicht Luganos Antwort auf Paolo Duca werden und Luganos sportliche Ehre wieder in vollem Glanz erstrahlen lassen kann.
Und anders als in Ambri wird es ja am Geld nicht fehlen. Julien Vauclair könnte mit einer vollen «Transfer-Kriegskasse» unser Hockey aufmischen.