Der letzte Auftritt im grossen Bieler Drama hat erneut Damien Brunner. Vor fast einem Jahr, am 9. April 2021, scheitern die Bieler in den Pre-Playoffs gegen die Lakers. Nach dem 1:3 in Rapperswil-Jona ist die Saison zu Ende. Wütend tritt Damien Brunner mit dem Schlittschuh in die Garderobentüre und verschwindet mit Donnerhall von der Bühne.
Es ist ein unerwarteter Gefühlsausbruch nach einem schmählichen offensiven Scheitern. Die Bieler haben die Lakers in den zwei Partien mit 72:54 Torschüssen dominiert. Aber nur zwei Treffer erzielt. Für einen hat Damien Brunner gesorgt.
Ein vorwitziger Zaungast wagt eine Prognose: In einem Jahr, im Frühling 2022, wird Damien Brunner die Garderobetüre nach dem letzten Spiel der Saison entweder schonen oder ganz zerstören.
Er hat sie geschont. Obwohl er Grund gehabt hätte, die Garderobentüre im Hallenstadion vollständig zu demolieren: Die Bieler sind erneut kläglich offensiv gescheitert. Nach 2019 (mit einem 0:1 im 6. Spiel ist gegen den SCB der Finaleinzug verpasst worden) und 2021 gegen die Lakers zum dritten Mal hintereinander (2020 sind die Playoffs wegen der Pandemie ausgefallen).
Aber diesmal steht er Red und Antwort. Selbstkritisch. Auch in der bitteren Enttäuschung ein Musterprofi. Er sagt, dieser Viertelfinal hätte niemals über sieben Spiele gehen dürfen. «Spätestens im 6. Spiel hätten wir alles klar machen müssen.» Er redet sich den Frust von der Seele. «Wir sind selbst schuld. Wir hatten so viele Chancen.» Das Versagen im Powerplay sei unentschuldbar. Die Bieler haben aus 16 Minuten Powerplay im 6. und 7. Spiel nicht einen einzigen Treffer herausgeholt und schliesslich das alles entscheidenden zweiten Tor im 7. Spiel zum 0:2 in Überzahl kassiert. Kurz und gut, Damien Brunner hat recht, wenn er sagt: «Diese ZSC Lions hätten wir einfach schlagen müssen.»
Wenn offensive Titanen wie Damien Brunner, Luca Cunti, Mike Künzle, Gaëtan Haas, Michael Hügli, Toni Rajala, Tino Kessler und Fabian Hofer im 6. und im 7. Spiel nur zwei Tore zustande bringen, dann verkommt die defensive Mühsal zur brotlosen Kunst. Es nützt die beste Abwehr nichts, wenn vorne niemand die Tore erzielt. Wer ein Spiel gewinnen will, muss ein Tor mehr als der Gegner erzielen. Das ist praktisch unmöglich, wenn ab Spiel drei in fünf Partien noch fünf Treffer produziert werden – und einer davon ins leere Tor.
Das offensive Versagen kann Damien Brunner nicht erklären. Dass ZSC-Goalie Jakub Kovar ab Spiel drei überragend war, lässt er nicht als Ausrede gelten: «Wir haben versagt.» Was er übrigens verschweigt: Er war nicht fit. Eine Muskelverletzung hat seine Explosivität und Beweglichkeit eingeschränkt. Er konnte nur vier der sieben Partien bestreiten und erzielte bloss ein Tor. Wäre Biel mit einem gesunden Damien Brunner in den Halbfinal gestürmt? Ja.
Wie wir es auch drehen und wenden: Biel hat vorne versagt. Nicht hinten. Die Bieler haben ab Spiel zwei in fünf Partien nur noch neun Gegentreffer kassiert. Zwei ins leere Tor. Macht also bloss 1,4 vom Gegner herausgespielte Gegentore pro Spiel. Das reicht bei weitem, um eine Playoff-Serie zu gewinnen. Das sind sogar meisterliche defensive Werte.
Häufig wird die alte Weisheit zitiert, wonach die Offensive Spiele, die Defensive aber Meisterschaften (oder Playoff-Serien) entscheide. Diese Weisheit ist für einmal falsch. Sie muss andersherum lauten: Die Offensive, die selbst die stärkste Defensive zu überwinden vermag, gewinnt eine Playoffserie. So ist es jedenfalls in diesem Drama zwischen den ZSC Lions und Biel.
Die Bieler sind charmante taktische Schablonisten: Die läuferische und spielerische Brillanz täuscht oft darüber hinweg, wie gut ihre Defensive nach finnischem Rezept über alle drei Zonen organisiert ist. Eine gute Abwehr ist zwar unerlässlich, aber sie hilft gegen dieses Biel nicht weiter: Entscheidend war am Samstag in der 6. Partie in Biel und nun im 7. Spiel im Hallenstadion nicht die Fähigkeit der ZSC Lions, möglichst keine Tore zuzulassen. Sondern ihre Kunst, Biels gute Verteidigung zu knacken.
Drei, die fürstlich dafür bezahlt sind, Tore dann zu erzielen, wenn es zählt – und nicht im Rahmen von offensiven Folkloreveranstaltungen gegen Langnau oder Ajoie – haben die ZSC Lions ins Halbfinale getragen: Denis Hollenstein mit zwei Treffern in den letzten sieben Minuten am Samstag in Biel, Sven Andrighetto im 7. Spiel mit dem erlösenden 1:0 und Denis Malgin in Unterzahl (!) zur endgültigen Entscheidung. Sein 2:0 ist der statistische Siegestreffer, der die ZSC Lions in den Halbfinal gebracht hat. Denis Hollenstein, Sven Andrighetto und Denis Malgin – wenn teure Stars ihr Geld wert sind.
Biel hat diesen dramatischen Final also in der Offensive verloren. Für Damien Brunner gibt es wenigstens einen Trostpreis: Er ist weiterhin einer der besten und teuersten Stürmer unserer Hockeygeschichte, der noch nie Meister geworden ist. Nicht mit Zug, nicht mit Lugano und noch immer nicht mit Biel. Wer noch nie Meister war, hat wenigstens im Sommer etwas, wovon es sich zu träumen lohnt.
Nun treten die ZSC Lions am Freitag in Fribourg zum ersten Spiel im Halbfinal an. Als Favoriten. Aus drei Gründen. Erstens kommt ein Titan, der in sieben Spielen durchs Viertelfinale taumelt, sehr oft weit. Bis ins Finale. Manchmal sogar bis zum Titelgewinn. Wie die ZSC Lions, die 2014 nach einem mühseligen Viertelfinal (4:3 gegen Lausanne) Meister werden und ein Jahr später nach einem 4:3 gegen Biel immerhin den Final erreichen. 2013 müssen sogar Meister SC Bern und Finalist Gottéron im Viertelfinal sieben Partien bestreiten.
Das ist aber bloss Statistik. Was auch für die ZSC Lions spricht: Trainer Rikard Grönborg ist zwar ein weltmeisterlicher taktischer Schablonist. Aber auch in seinem dritten Amtsjahr ähnelt die Ordnung im ZSC-Spiel in zu vielen Phasen mehr an ein Strickmuster aus einer Modezeitschrift als einer klaren spielerischen Linie. Das ist eine boshafte, bösartige Analyse. Aber es gibt eben auch eine andere Sichtweise: Wenn eine Mannschaft mit so vielen brillanten Einzelspielern immer wieder aus einem taktischen Schema ausbricht, dann wird sie unberechenbar und verwirrt die gegnerische Abwehr.
Gottéron hatte in der Qualifikation die beste Abwehr (124 Gegentreffer, 6 weniger als die ZSC Lions). Aber es wird erneut sein wie gegen Biel: Nicht die Defensive wird entscheiden. Sondern die Offensive. Die Zürcher sind in der Qualifikation vorne besser (169 Tore, 10 mehr als Gottéron). Das ist ein Hinweis darauf, dass sie über Stürmer verfügen, die dann, wenn es eng, rau, hektisch und wichtig wird, Spiele zu entscheiden vermögen: Beispielsweise Sven Andrighetto, Denis Malgin und Denis Hollenstein.
Aber halt: Gottéron hat Chris DiDomenico, David Desharnais, Killian Mottet und Julien Sprunger! Ja, das ist richtig. Aber werden sie auch dann noch tanzen, wenn es eng, rau, hektisch und wichtig wird? Wenn die ZSC Lions rumpeln? Wenn sie hinter Chris DiDomenico her sind wie der Teufel hinter einer armen Seele? Nein, dann werden sie nicht mehr tanzen.
Und noch etwas: Gottéron hat in der Qualifikation je zweimal gegen die ZSC Lions gewonnen und verloren. Gewonnen haben sie zweimal gegen Ludovic Waeber. Nun aber steht Jakub Kovar im Tor.
Wenn Denis Malgin, Sven Andrighetto und Denis Hollenstein ihr Geld erneut wert sind wie im 6. und 7. Spiel des Viertelfinals, dann erreichen die ZSC Lions den Final.
Dann muss ich sagen, dass Ihr Euch genial geschlagen habt und es mir echt ein wenig leid tut, dass Ihr draussen seid ! Ihr wart wirklich extrem hartnäckige und zähe Gegner und hättet es eigentlich verdient, auch im HF zu spielen. Ich ziehe wirklich den Hut vor Euch.
Dann an alle ZSC Spieler. Spielt doch bitte ab dem ersten Spiel so wie im letzten Drittel gestern Abend. Dann klappts von Anfang an und schont unsere Nerven. Ihr könnt es doch. Also zeigt es auch.
Hast du auch vor der Serie gegen Lausanne geschrieben und sie waren hinter ihm her... Was ist passiert?? 11 Scorerpunkte in 5 Spielen. Das ist passiert.