Alles geht schief. Alles läuft gegen Ambri. Gegen den SC Bern setzt es am Samstag die siebte Niederlage in Serie ab (1:4). Die Schiedsrichter gewähren Ambri nicht ein einziges Powerplay. Aber sie verhängen neun Strafen gegen Ambri. Der SCB nützt sie für die entscheidenden Treffer.
So geht es am Montag in Zürich gegen die ZSC Lions weiter. Schon vier Ausschlüsse hat Ambri im Hallenstadion heil überstanden. Es steht nach wie vor 0:0.
Und dann endet Ambris zweites Powerplay in diesem Spiel mit einem Gegentor: Sven Andrighetto trifft in der 31. Minute in Unterzahl zum 1:0.
Das Ende? Die achte Niederlage hintereinander? Nein, der Anfang vom Ende für die ZSC Lions. Ambri gewinnt 3:2. Zwei Tore erzielt der britisch-kanadische Doppelbürger Brendan Perlini (24). Seine beiden ersten Treffer im 7. Spiel für Ambri.
Erst ist er ein Unglücksrabe. Sein Fehlpass ermöglicht Sven Andrighetto das Unterzahltor. Einmal kann Brendan Perlini allein gegen Lukas Flüeler ziehen – und vergibt kläglich.
Aber Trainer Luca Cereda findet die richtigen Worte. «Er kam völlig niedergeschlagen auf die Spielerbank zurück. Ich zeigte auf die Matchuhr und sagte ihm: Kein Problem, du hast noch genügend Zeit, um alles wieder gutzumachen.»
Und so kommt es: der sanfte und erstaunlich flinke Riese (191 cm/96 kg) macht alles wieder gut. Beim zweiten Alleingang lässt er Lukas Flüeler keine Chance und trifft zum 1:1 (50:02). Sein zweiter Treffer zum 3:1 (58:08) wird am Ende der Siegestreffer sein. Maxim Noreaus Anschlusstreffer zum 3:2 kommt zu spät (59:16).
Die Bedeutung des richtigen Wortes zum richtigen Zeitpunkt war schon zu biblischen Zeiten bekannt. Der grosse Jesaia sagte: «Gott der Herr hat mir eine Zunge gegeben, dass ich wisse, mit den Müden zur rechten Zeit zu reden.»
Ambris Trainer hat im Hallenstadion zur rechten Zeit mit seinem müden und verzagten Stürmer gesprochen. Entscheidend sind die richtigen Worte nicht nur in diesem Spiel, sondern während der ganzen Krise der letzten Wochen.
Ambri fehlen inzwischen zehn Spieler wegen Verletzungen. Mit Verteidigungsminister Michael Fora auch der einzige Internationale. Immer wieder fällt auch einer der ausländischen Stürmer aus. Aber die Tapferen der Leventina haben nie resigniert. Nie aufgegeben. Nie nach Ausreden gesucht. «Es ist einfach, Ausreden zu finden» sagt Luca Cereda. «Aber nur Lösungen bringen uns weiter.»
Die Lösung ist eine bewundernswerte Leistungskultur. Mut, Disziplin und Leidenschaft. Eine intensive Spielweise. Die Beharrlichkeit, sich auch durch eine Serie von Niederlagen – Lausanne 0:6, Biel 3:4, Lausanne 1:2 n.P, Lausanne 2:3 n.V, Davos 3:5, Gottéron 1:3 und Bern 1:4 – nicht vom Weg abbringen zu lassen.
Das gelingt nur, wenn der Trainer die richtigen Worte findet. Beim Training. Im Rahmen der Teamsitzungen. Bei Einzelgesprächen – und im richtigen Augenblick des Spiels wie soeben am Montag Im Hallenstadion gegen die ZSC Lions. Und wer nicht aufgibt, wird von den Hockeygöttern belohnt. Jannik Fischers 2:1 nach exakt 56 Minuten – sein zweiter Treffer in 135 Qualifikationspartien für Ambri – ist ein Eigentor von ZSC-Verteidiger Tim Berni.
Unter Sportchef Paolo Duca (39) und Trainer Luca Cereda (39) – sie stehen in ihrer vierten Saison – hat Ambri zu seinen Ursprüngen zurückgefunden. Die wahre Seele Ambris zeigt sich in der Krise. Konkret an der Art und Weise, wie sieben Niederlagen in Serie verarbeitet werden.
Einen Trainer und einen Sportchef, die tief in der eigenen Kultur verwurzelt sind und die Eishockey dort leben, wo sie gross geworden sind, haben wir eigentlich nur in Ambri. Seit Präsident Filippo Lombardi Paolo Duca und Luca Cereda ins Amt eingesetzt hat, funktioniert Ambri wieder.
Ausländische Trainer und ausländische Sportchefs waren in der Leventina oft nur Gäste und hatten kein Interesse an der lokalen Hockeykultur. Transferumsatz mit befreundeten Agenten lag ihnen manchmal mehr am Herzen als die Ausbildung junger Spieler. Sie konzentrierten sich darauf, zu gewinnen, und so lange wie möglich den Job zu behalten. Funktionierte es nicht, mussten sie weiterziehen wie Nomaden des modernen Sportes. Erst mit einem einheimischen Sportchef und einem einheimischen Trainer ist Ambri wieder Ambri geworden.
In der zweiten Februar-Hälfte liegt die Mannschaft in der Tabelle immer noch vor Meister Bern und hat nach wie vor Chancen auf einen Playoff-Platz. Das ist das eigentliche Wunder dieser Saison.