Geduld gehört nicht zu den herausragenden Eigenschaften der KHL-Manager. Neun Runden, neun Punkte, drittletzter Platz. Zu wenig. Sean Simpson und sein Assistent Colin Muller sind beim Playoff-Halbfinalisten Jaroslawl gefeuert worden.
Sean Simpson ist zum ersten Mal in seiner Karriere entlassen worden. Seit 1992 hat er bloss vier Arbeitgeber gehabt: Zug, die ZSC Lions, die Anschutz-Gruppe (in der DEL) und der Schweizerische Eishockeyverband. 22 Jahre, vier Arbeitgeber, nie entlassen: Kein anderer Trainer der westlichen Welt hatte diese Kontinuität in seinem hockeytechnischen Lebenslauf. Das macht die Entlassung in Jaroslawl ungewöhnlich.
Allerdings ist die Erklärung gar nicht so spektakulär: Sprachprobleme. Oder moderner: Kommunikationsschwierigkeiten. Sean Simpson ist mit seinem Assistenten Colin Muller (50) nach Russland gereist. Beide der russischen Sprache nicht mächtig. Das mag auf den ersten Blick kein Problem sein. Erstens gibt es immer Übersetzer und zweitens ist die Hockeysprache so international, dass eigentlich überall verstanden wird, was der Trainer will. Auch wenn er nicht die Landessprache spricht.
Sean Simpson verdankt seine grandiosen internationalen Erfolge – Champions Hockey League, Victorias Cup mit dem ersten Sieg eines Schweizer Teams gegen eine NHL-Mannschaft, WM-Silber mit der Schweiz – auch seinem taktischen Geschick. Das von ihm perfektionierte, aktiv-aggressiv gespielte 1-3-1-Defensiv-System war zuletzt auch der Schlüssel zum WM-Silber von 2013. Aber es ist ein Spielsystem, das nur dann funktioniert, wenn sich alle beteiligten Spieler daran halten.
Alle Teams von Sean Simpson haben sich durch defensive Stabilität ausgezeichnet – ausser Jaroslawl. Hier, in der KHL ist es ihm zum ersten Mal nicht gelungen, das Spiel zu ordnen. Jaroslawl hat in der laufenden Meisterschaft am zweitmeisten Gegentore kassiert. Sean Simpson ist also taktisch gescheitert. Es ist ihm nicht gelungen, den Spielern sein System zu vermitteln. Und das führen durchwegs alle russischen Gewährsleute auf Sprachprobleme zurück. Zumal die KHL als taktisch wildeste wichtige Liga gilt. Über den Willen zum Defensivspiel beklagen sich die westlichen Coaches seit Jahren.
Die Frage ist nun, wann Sean Simpson, so er denn will, für einen neuen Klub arbeiten darf. Um sein Gehalt muss er sich keine Sorgen machen. Die Liga garantiert den ausländischen Coaches anderthalb Jahreslöhne und Sean Simpson hat einen Zweijahresvertrag.
Eine Besonderheit ist allerdings die schleppende Abwicklung der Formalitäten und die Neigung der Klubs, die Coaches, die sie ja weiterhin bezahlen beziehungsweise abfinden müssen, nicht einfach freizugeben und wenn möglich für andere Aufgaben einzusetzen. In der Vergangenheit haben diese besonderen Umstände dazu geführt, dass entlassene KHL-Coaches in der Regel bis zum Saisonende keinen neuen Klub übernommen haben. Aber eben: In der Regel. Es kann auch Ausnahmen geben und deshalb können die «Krisencoaches» in der NLA nicht beruhigt sein. Sean Simpson hat seinen Wohnsitz nach wie vor in der Schweiz.
Sean Simpsons Agent Dani Giger sagt, er rechne mit einer zügigen Erledigung. Abgeschlossen sei alles allerdings erst, wenn die entsprechenden Zahlungen erfolgt sind. «Und bis dahin bleibt Sean Simpson in Jaroslawl. Erst dann kehrt er in die Schweiz zurück.» Die Anwälte haben Sean Simpson bis zur definitiven Erledigung ein striktes Redeverbot auferlegt.