Guy Boucher? Richtig, der lächerliche NHL-General, der überall gescheitert ist. In Tampa, zuletzt in Ottawa – und natürlich auch beim SC Bern. Der Kanadier ist deshalb in Erinnerung geblieben, weil er mit seinem taktischen Kontrollwahn das Spiel zu «ersticken» pflegte, bis es fast zum Stillstand kam. Im November 2015 wurden Spieler und Zuschauer durch seine Entlassung erlöst. Er hätte sonst den mit dem SCB zum zweiten Mal hintereinander die Playoffs verpasst.
Nein, ich stelle den Operetten-Coach Guy Boucher, der ausser dem Schweizer Cup noch nie etwas gewonnen hat, nicht auf die gleiche Stufe wie Kari Jalonen. Das wäre eine schlimme Beleidigung und ungefähr so, wie die militärische und historische Bedeutung von Guy Parmelin mit jener von General Henri Guisan gleichzusetzen.
Und doch weht der Geist von Guy Boucher seit der Weihnachtspause durch den Berner Hockeytempel.
Grosse, ruhmreiche Trainer – und ein solcher ist Kari Jalonen – erliegen im fortgesetzten Alter hin und wieder den cäsarischen Verführungen und werden zu taktischen Despoten, die spielerisches Risiko oder gar selbständiges spielerisches Handeln nicht mehr dulden. Aus grossen Trainern werden grosse taktische Monologisten.
Ich verneige mich so tief ich es vermag vor Kari Jalonen. Dreimal hintereinander hat er die Qualifikation gewonnen, im ersten Jahr den Titel und letzte Saison reichte es immer noch zum Halbfinale. Aber seit der Weihnachtspause ist die Entwicklung hin zum Minimalisten-Hockey nicht mehr zu übersehen, im Cup und in der Champions Hockey League ist er schmählich gescheitert.
In der Viertelfinalserie gegen Servette war dieser so stark an Guy Boucher mahnende «Jalonismus», diese «Karikatur» des schönen Eishockeys eine Zumutung für die Zuschauer. Sobald der SCB gegen die «Miserablen» aus Genf – nominell nicht viel besser als die noch «Miserableren» aus Rapperswil-Jona eine Führung herausgearbeitet hatte, wurde sofort auf absoluten Minimalismus umgestellt und zuletzt gelang es nicht einmal mehr, in der Schlussminute ein 2:0 über die Zeit zu bringen. Was zu einem Witz geführt hat: Wie kann der SCB einen Vorsprung noch über die Zeit retten? Durch einen Treffer in der Verlängerung.
Es gibt in diesem Zusammenhang eine beunruhigende Statistik. Die durchschnittlichen Zuschauerzahlen der «Ära Jalonen» im Playoff-Viertelfinale.
Nun ist der Rückgang der höchsten Zuschauerzahlen Europas minimal. Und doch: wenn der Abwärtstrend einmal in Gang kommt – auch in der Qualifikation ist der Schnitt in der gleichen Zeitspanne von 16'399 auf 16'290 zurückgegangen – dann ist er so schwierig zu stoppen wie ein Tanker auf hoher See.
Die Polemik ist noch verfrüht. Alles, was zählt ist das Resultat oben am Videowürfel. Der SCB hat Servette in sechs Partien eliminiert. Und ein mühevoller Viertelfinal gegen die Genfer ist ein gutes Omen, erst recht für einen finnischen Trainer. Im Frühjahr 2013 lag der SCB unter Antti Törmänen gegen Servette sogar mit 1:3-Siegen in Rücklage, kehrte zurück und wurde schliesslich Meister.
Antti Törmänen? Richtig, der ehemalige SCB-Trainer, der bereits in der Saison nach seinem meisterlichen Triumph in Bern entlassen und nach einem kurzen Intermezzo mit Lars Leuenberger durch Guy Boucher ersetz worden ist.
Nun ist Antti Törmänen Coach beim EHC Biel und tritt gegen Kari Jalonen an. Ein überaus reizvolles Duell zwischen zwei Finnen, die in ihrer Hockeyphilosophie gegensätzlicher nicht sein könnten.
In Bern ist dem freundlichen Antti Törmänen der antiautoritäre Führungsstil zum Verhängnis geworden. Er setzte auf Eigenverantwortung, erntete zwar einen Titel aber anschliessend taktische Verwahrlosung, die ihn das Amt kostete. Am Ende dieser Saison verpasste der SCB unter Nottrainer Guy Boucher als erster Meister die Playoffs.
Im Dezember 2017 ist Antti Törmänen geläutert in die Schweiz zurückgekehrt und hat den EHC Biel übernommen. Er führte die Bieler im letzten Frühjahr bis ins Halbfinale (an Lugano gescheitert) und spielt nun gegen den SCB zum zweiten Mal hintereinander um den Finaleinzug. Kein Wunder, ist sein Vertrag in Biel längst bis 2021 prolongiert worden.
Bei Kari Jalonen liegt die Betonung auf «Eishockey arbeiten». Bei Antti Törmänen auf «Eishockey spielen». Berns Trainer setzt auf taktischen Gehorsam, Minimalismus, Coolness und rationelle Spielweise. Biels Chef auf Dynamik, Emotionen, viel offensiver Freiheit und eine spektakuläre Spielweise. Oder noch besser: Kari Jalonen setzt auf die stockkonservativen Werte des Eishockeys von gestern. Antti Törmänen auf das «totale» Eishockey von morgen.
Playoffs bedeuten die Fortsetzung des Eishockeys mit anderen Mitteln. Playoff-Eishockey ist eher das Eishockey des Kari Jalonen als des Antti Törmänen.
Aber da ist noch etwas: das Eishockey von Kari Jalonen ist in Bern nur noch in meisterlicher Form vermittelbar. Die grösste Zuschauermenge Europas will unterhalten sein. Entweder durch Spektakel oder durch die wärmende Sonne des Ruhmes und den Stolz, ein Teil der besten Hockeywelt des Landes zu sein – und dieser Ruhm und dieser Stolz nähren sich aus dem Meistertitel.
Scheitert der SC Bern im ersten innerbernischen Playoff-Halbfinal der Geschichte, läuft Kari Jalonen Zeit in Bern trotz Vertrag für die nächste Saison ab. Die «Jalonen-Gläubigkeit» ist noch so gross, dass es nicht gleich nach dem Ausscheiden gegen Biel zu einer Entlassung kommt. Sondern erst im November, wenn sich der Zuschauerrückgang fortsetzt. Kari Jalonen würfelt gegen den EHC Biel um seinen Job.
Die Serie zwischen den so gegensätzlichen finnischen Trainern entscheiden allerdings zwei Schweizer.
Die Torhüter Jonas Hiller und Leonardo Genoni.
In der Saison 1989/90 gab es bereits ein Playoff-Halbfinale zwischen Bern und Biel welches der SCB mit 3:1 Siegen gewonnen hat.