Es dürfte die extremste Leistungsschwankung der Neuzeit sein: Langnau gewinnt gegen Rekordmeister und Spengler-Cup-Sieger Davos am Dienstag 7:0 und verliert 72 Stunden später am Freitag in Zürich 0:1. Aber eigentlich ist es gar keine Leistungsschwankung. Sondern eine Resultatschwankung. Gegen ein verunsichertes Davos gelingt den Langnauern ein Konter-Spiel in Vollendung. Die perfekte, effiziente Offensivleistung. Gegen die ZSC Lions mit einer starken Nummer 2 (Robin Zumbühl) brillieren die Emmentaler bei einem Torschuss-Verhältnis von 22:41 gegen eines der besten Teams Europas mit klugem, diszipliniertem, tapferem Schablonen-Hockey. Die perfekte Defensivleistung. Gegen die Zürcher auswärts nur einen Gegentreffer zuzulassen ist sportlich so wertvoll wie die sieben Tore gegen Davos.
Bis in die Schlussminute haben die SCL Tigers Chancen, doch noch den Ausgleich und mindestens einen Punkt zu holen. Aber Robin Zumbühl lässt sich bei seinem ersten NL-Einsatz in dieser Saison nicht bezwingen. Das ist bemerkenswert: Die grösste Herausforderung für einen Goalie ist ein Spiel hinter einer permanent überlegenen Mannschaft. Es ist schwierig, bei wenig Arbeit «heiss» zu bleiben und die Konzentrationsfähigkeit zu bewahren. Auch Robin Zumbühl hat den Stresstest bestanden.
Die SCL Tigers sind defensiv stabiler geworden. Sie haben den defensiven Stresstest gegen die ZSC Lions bestanden. Wohl biegen sie sich unter dem permanenten gegnerischen Druck. Aber sie brechen nicht. Die kurzzeitige defensive Panik im Schlussdrittel korrigiert der Trainer mit einem Time-out.
«Wir hatten ein defensives Gewissen», fasst Trainer Thierry Paterlini in seiner ruhigen, bestimmten Art die Partie zusammen. Wo er recht hat, da hat er recht: Die Langnauer schirmen ihren Goalie-Titanen Stéphane Charlin geschickt ab und so kommt es zu einer gegenseitigen taktischen «Befruchtung»: Der Torhüter macht die Verteidigung besser und die Verteidigung macht den Torhüter besser. Kommt dazu: Wer sich bei 22:41 Abschlussversuchen nur drei Strafminuten zu Schulden kommen lässt, hat eine gute Balance zwischen Intensität und Disziplin, Tapferkeit und Verstand.
Aber die Balance zwischen Offensive und Defensive stimmt gegen die ZSC Lions nicht. Ein einziger Treffer – ein unhaltbarer Kunstschuss von NHL-Draft Vinzenz Rohrer (sein viertes Saisontor) – bringt die Entscheidung. Mag sein, dass die ZSC Lions auf der Suche nach der Magie ihres Spieles sind. Zu vieles ist berechenbar, zu weniges ist bei so viel Talent genial, kreativ und überraschend. Aber das ist bei einem Titelverteidiger im September oft der Fall. Weil die Zürcher fleissig und hartnäckig und nie arrogant sind, reicht es am Ende doch zu drei Punkten: Sie haben die Langnauer vom Eis gearbeitet. Dieses 1:0 ist das Musterbeispiel eines «Arbeitssieges».
Langnaus Schablonen-Hockey hat also den Stresstest bestanden. Also kein Grund zur Polemik. Oder gibt es für den Boshaften doch einen? Ja, Langnaus «Schönwetter-Finnen» haben schon zum dritten Mal versagt. Kein Treffer beim 1:3 in Bern, nur einen durch Saku Mäenalanen beim 2:6 in Zug und nun erneut kein Tor in Zürich. Aber zwei beim 4:2 gegen Gottéron und drei beim 7:0 gegen Davos.
Auf den Punkt gebracht: Ohne Tore durch die Finnen kann Langnau nicht gewinnen. Captain Harri Pesonen und der eigenwillige Kunstschütze Aleksi Saarela waren bisher «Schönwetterspieler»: Ihr Spiel ist noch zu wenig intensiv. Ein bisschen tanzen gegen ein nachlässiges Gottéron und ein nachlässig-miserables Davos. Aber wo waren die beiden, als in Bern und Zürich der Sieg zum Greifen nah war und ihre Tore dringend erforderlich gewesen wären? Eben.
Thierry Paterlini ist klug und geht auf eine entsprechende polemische Frage nach dem «Schönwetterhockey» seiner Finnen gar nicht erst ein. Er sagt, es gehe nun darum, eine bessere Balance zwischen einer offensiven und einer defensiven Spielweise zu finden. Wo er recht hat, da hat er recht. Nun wartet mit der Heimpartie gegen das «ewige» Schlusslicht Ajoie die ultimative Herausforderung. Wollen die Emmentaler bis zum Schluss der Saison wenigstens um das Play-In mitmischen, dann dürfen sie im September gegen Ajoie, das defensiv schwächste Team der Liga (4 Spiele/23 Tore) keinen Punkt verlieren. Punkt.
PS: Saku Mäenalanen war gegen Davos ins Sandwich von HCD-Verteidiger Klas Dahlbeck und seinem Mitstreiter Claudio Cadonau geraten und musste die Partie mit blutiger Nase vorzeitig beenden. Inzwischen ist klar: Eine Gehirnerschütterung hat er nicht erlitten, aber er war noch so durchgeschüttelt, dass er richtigerweise geschont und gegen die ZSC Lions noch nicht eingesetzt worden ist. Sportchef Pascal Müller holte aus Basel Matthias Rossi zurück, der aufs Matchblatt, aber nicht zum Einsatz kommt. Vielleicht hätten die Langnauer mit Saku Mäenalanen den Ausgleich geschafft. Vielleicht auch nicht. Vor allem seine Pässe und seine physische Präsenz in der gegnerischen Zone fehlten. Thierry Paterlini geht davon aus, dass er den Finnen am Dienstag gegen Lugano wieder einsetzen kann.