«House Cleaning» (Frühjahrsputz) nennen die Nordamerikaner den Neubeginn nach einer Krise. Dabei wird in der Regel das ganze Führungspersonal ausgewechselt. Eigentlich die logische Voraussetzung für einen Neuanfang. Allerdings ist die Neubesetzung von Führungspositionen im nordamerikanischen Profisport einfach: Es gibt genug Kandidaten. Bei uns ist die Suche nach fähigem Führungspersonal im Eishockey schwierig.
Am 21. April 2023 ist Marc Lüthi vom Thron des Präsidenten herabgestiegen, um bei seinem SCB ein «House Cleaning»“ zu veranstalten. Er feuerte General Manager Raëto Raffainer und seither managt er den SCB wieder selbst.
Um es ein wenig boshaft zu sagen: Bei seinem Gang durch die SCB-Büros hatte er bei seinem «House Cleaning» jemanden übersehen. Wahrscheinlich, weil Sportchef Andrew Ebbett grad nicht da war oder sich hinter der Türe aufgehalten hat. Der Kanadier war die rechte Hand von Raëto Raffainer. Freundlich, fleissig und loyal. Er durfte bleiben. Obwohl er ein wichtiger Teil der Führungscrew war, die dem SCB die grösste sportliche Krise seit dem Wiederaufstieg von 1986 beschert hatte.
Nun verlässt Andrew Ebbett den SCB per Ende Saison. Die offizielle Version: Martin Plüss, ab 1. Mai der neue Gesamtverantwortliche Sport («Obersportchef») habe diesen Personalentscheid getroffen. Das ist bei Lichte besehen natürlich Unsinn. Es ist der Entscheid von Marc Lüthi. Beim SCB wird kein Personalentscheid von dieser Bedeutung ohne die Zustimmung bzw. die Anordnung von Marc Lüthi getroffen.
Nun bestimmen künftig mit «Obersportchef» Martin Plüss und «Untersportchef» Patrik Bärtschi zwei Zürcher mit dem Segen von Marc Lüthi, was beim SCB sportlich geht.
Der SCB wird damit im sportlichen Bereich sozusagen zur «Berner Zeitung» des Berner Sportes. Die grösste Tageszeitung im Bernbiet steht längst unter Zürcher Herrschaft: Herausgeberin ist das Stadtzürcher Medienunternehmen Tamedia, das zur TX Group gehört. Das letzte Wort bei allen Personalentscheiden in den Redaktionsstuben der «Berner Zeitung» und bei der publizistischen Ausrichtung haben Zürcher.
Zürcher machen nun – zumindest sportlich – zum ersten Mal auch den SCB. Warum eigentlich nicht? Der SCB wird sportlich unter Zürcher Führung funktionieren. Kompetenz ist wichtiger als die Herkunft. Auch Sven Leuenberger, der Architekt der letzten SCB-Meisterteams ist kein Berner. Der heutige ZSC-Sportchef ist hockeytechnisch in Uzwil gross geworden.
Martin Plüss und Patrik Bärtschi kennen aus eigener Erfahrung als Spieler den SCB und die Berner Mentalität. Zürcher mit den Eigenschaften, die in Bern an Zürchern nicht so geschätzt werden, sind weder Martin Plüss noch Patrik Bärtschi. Beide haben ihre Hockey-Wurzeln in Kloten und Patrik Bärtschis Vater Urs ist Adelbodner. Zudem hat Patrik Bärtschi als Sportchef Kloten in die höchste Liga zurückgeführt und nach dem Wiederaufstieg stabilisiert, ehe er des Amtes enthoben worden ist. Er darf nur jetzt nicht den gleichen Fehler machen wie zuvor in Kloten: Er unterschätzte, dass der Vorsitzende Mike Schälchli in wichtigen Angelegenheiten das letzte Wort hatte. So wie Marc Lüthi in Bern das letzte Wort hat.
Selbstsicherheit und Mut zum hartnäckigen fachlichen Widerspruch gegenüber Marc Lüthi sind für Martin Plüss und Patrik Bärtschi von zentraler Bedeutung. Aber beide dürfen nicht vergessen, dass beim SCB niemand grösser ist als Marc Lüthi. So wie in der Katholischen Kirche niemand wichtiger ist als der Papst. Neben fachlicher Kompetenz sind bei Martin Plüss und Patrik Bärtschi also auch Diplomatie und ein wenig politische Schlauheit gefragt.
Sportlich ist der SCB bereits wieder auf Kurs. Andrew Ebbett darf für sich in Anspruch nehmen, dass er mit Jussi Tapola den richtigen Trainer verpflichtet hat. Zu viele Fehler bei der Rekrutierung der Ausländer sind ihm letztlich zum Verhängnis geworden. Um wieder um den Titel zu spielen, braucht es kurzfristig bloss ein paar transfertechnische Handgriffe: die richtige Besetzung aller sechs Ausländerpositionen.
Aktuelle
Note
7
Ein Führungsspieler, der eine Partie entscheiden kann und sein Team auf und neben dem Eis besser macht.
6-7
Ein Spieler mit so viel Talent, dass er an einem guten Abend eine Partie entscheiden kann und ein Leader ist.
5-6
Ein guter NL-Spieler: Oft talentierte Schillerfalter, manchmal auch seriöse Arbeiter, die viel aus ihrem Talent machen.
4-5
Ein Spieler für den 3. oder 4. Block, ein altgedienter Haudegen oder ein Frischling.
3-4
Die Zukunft noch vor sich oder die Zukunft bereits hinter sich.
Die Bewertung ist der Hockey-Notenschlüssel aus Nordamerika, der von 1 (Minimum) bis 7 (Maximum) geht. Es gibt keine Noten unter 3, denn wer in der höchsten Liga spielt, ist doch zumindest knapp genügend.
5,2
09.22
5,2
09.23
5,2
01.24
Punkte
Goals/Assists
Spiele
Strafminuten
Er ist
Er kann
Erwarte
Mittelfristig wartet auf Martin Plüss als «Obersportchef» eine weitaus schwierigere Aufgabe als zusammen mit seinem «Untersportchef» Patrik Bärtschi ein paar Transfergeschäfte zu tätigen: die personelle Reorganisation der SCB-Nachwuchsabteilung. Aber das ist wiederum eine andere Geschichte.
Ebbet geht, Bärtschi kommt und Tapola macht weiterhin die Ansagen welche Spieler er gerne hätte. Von daher ändert sich also nichts...ausser...dass Tapola schon von Anfang an dabei ist wenn es um Transfers für die nächste Saison geht.
Darum bin ich zuversichtlich dass besonders bei den Imports ein Schritt nach vorn gemacht wird.