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Hockey-WM: Eismeister Zaugg analysiert das Schweizer 6:0 IM Viertelfinal

epa12126207 Jonas Siegenthaler, Switzerland, left in action with Marco Kasper, Austria, right during the quarter-final match between Switzerland and Austria at the IIHF Ice Hockey World Championships  ...
Ein Duell auf Augenhöhe war dieser Viertelfinal nicht.Bild: keystone
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6:0! «Kaffeehaus-Hockey» und die Schweizer dulden keine Hockey-Romantik

Die tapferen Österreicher bescheren der Schweiz nicht einmal einen Operetten-Viertelfinal. Es war nur eine Opera Buffo des Hockeys. Die Schweizer spielten kein Spiel. Sie führten eine Operation durch. Kühl. Klinisch. Ohne Erbarmen. Ohne Sinn für ein bisschen Hockey-Romantik.
22.05.2025, 19:1922.05.2025, 19:19
klaus zaugg, herning
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Der Chronist kann für einmal nicht mit einer profunden Analyse aufwarten. Denn so ziemlich zu allen Erkenntnissen und allem Lob aus diesem Spiel gehört der Nachsatz: «…aber es war halt nur gegen die Österreicher.» Selbst Leonardo Genonis historische Leistung – er ist der erste Schweizer Torhüter, der in einem WM-Viertelfinal keinen Treffer zugelassen hat – ist unter diesen speziellen Voraussetzungen lediglich eine Randnotiz bleibt. Ungefähr wie ein «zu null» mit Zug auf eigenem Eis gegen ein ersatzgeschwächtes Ajoie im Januar.

Also geht es mehr um eine hin und wieder etwas spöttische und blumige Erzählung über die Darbietung, die mehr ein bunter Hockeyabend als ein WM-Viertelfinal war. Dazu passt: Wegen einer Panne fiel 40 Minuten lang ungefähr ein Drittel der Lichtstärke aus. Aber es war immer noch hell genug, um den Österreichern heimzuleuchten.

Und auch das passt: Nur 2621 Fans waren gekommen und nützten den Platz in der nicht einmal zu einem Viertel gefüllten Arena lange vor Spielschluss zu einer Polonaise. Also zu diesem Tanz, bei denen sich eine wandernde Menschenschlange bildet, indem eine Person vorausgeht und dann jede weitere sich an den Schultern der vor ihr gehenden festhält.

Switzerland's forward Damien Riat, left, vies for the puck with Austria's defender Gregor Biber, right, during the IIHF 2025 World Championship quarter final game between Switzerland and Aus ...
Erneut bescheidener Zuschaueraufmarsch in Herning.Bild: keystone

Ach, es hätte einer dieser Abende werden können, an denen der härteste Puck ein weiches Herz hat: Österreich, gut wie nie und dirigiert von einem Bandengeneral aus Winterthur, fordert die übermächtige Schweiz heraus. Ach, es hätte ein Drama oder doch wenigstens eine Hockey-Oper werden können. Aber es war nur eine Opera Buffa. Eine komische Oper.

Die Schweizer traten so auf, wie es sich für einen Titanen des Welthockeys gehört: Konzentriert, nüchtern, pragmatisch, präzis, geradlinig und unsentimental. Ohne Sinn für Romantik. Jeder Spielzug ein Gedicht, jeder Check ein Manifest, jeder Schuss eine Ode an Wilhelm Tell.

Patrick Fischer, right, head coach of Switzerland national ice hockey team, gestures next to Jan Cadieux Jan, left, assistant coach of Switzerland national ice hockey team, during the IIHF 2025 World  ...
Patrick Fischer hat seine Spieler perfekt eingestellt.Bild: keystone

Das Bewusstsein, wie schmählich ein Versagen gegen diesen Gegner gewertet würde, dass es die blamabelste Pleite der gesamten, immerhin schon neun Jahre andauernden Amtszeit von Patrick Fischer wäre, führte dazu, dass die Schweizer noch keine Partie hier in Herning so entschlossen und grimmig begonnen hatten. Und so war es vorbei, bevor es richtig angefangen hatte.

Schon nach 25 Minuten hatten sie fünf Tore erzielt. Nie zuvor hatten sie in einem Viertelfinal mehr als vier Treffer erzielt. Sie zogen zeitweise unbehelligt ihre Kreise – und trafen. Wieder und wieder. Der Puck fand seinen Weg ins Netz, als hätte er eine Generalabsolution zum Durchmarsch erhalten.

In der zweiten Hälfte mahnte das Spiel dann phasenweise an eine gepflegte Partie «Kaffeehaus-Hockey»: Nicht mehr viel Speed und wenn doch einmal einer durchstartete, dann mit der stoischen Gelassenheit eines Oberkellners, der gerade die dritte Melange an den Tisch bringt.

Warum waren die Österreicher chancenlos? Immerhin waren sie in den Gruppenspielen tapfere Sieger gegen die Slowakei und strahlende Helden gegen Lettland.

Nun sind sie ein Opfer zu grosser Erwartungen geworden. Noch nie in der Neuzeit waren sie bei einer WM auf höchstem Niveau so im Rampenlicht gestanden wie vor diesem Viertelfinal gegen die Schweiz. Der rauschhafte Sieg gegen Lettland (6:1) im letzten Gruppenspiel hatte die Segel ihrer Zuversicht gebläht. Selbstvertrauen ist wie ein Baum, der eine starke Krone und viel Früchte trägt – aber bei zu hohem Wuchs im Gegenwind umso schneller stürzt. Der Baum der Zuversicht, des Optimismus und des Selbstvertrauens war bei den Österreichern zu hoch gewachsen.

Roger Bader, head coach of Austria national ice hockey team, reacts, during the IIHF 2025 World Championship quarter final game between Switzerland and Austria, at the Jyske Bank Boxen, in Herning, De ...
Roger Bader hat mit Österreich trotz klarem Viertelfinal-Aus die Erwartungen übertroffen.Bild: keystone

Noch haben Roger Baders Männer nicht gelernt, mit hohen Erwartungen umzugehen. Sie haben das Eis letztlich nicht als gewöhnliche Verlierer verlassen. Sondern wie die letzten tapferen Ritter einer untergehenden Ära, in der Hockey-Romantiker noch glaubten, dass David an einer WM manchmal wirklich gegen Goliath gewinnt. Ihren Fans bleibt als Trost die unauslöschliche Wiener Überzeugung: «Verlorn hobn’s nur, weil’s ned g’wonnen hobn.» Und mit einem Seufzer werden sie wie der grosse Wiener Kabarettist Helmut Qualtinger sagen: «A echter Österreicher und Roger Bader gehen net unter. Er rutscht bloss aus – aber elegant.»

P.S. Zum ersten Mal in der Geschichte haben die Schweizer nach einem Final mindestens den Halbfinal erreicht. Nach der Silber WM von 2013 reichte es 2014 nicht einmal für den Viertelfinal und nach der Silber-WM von 2018 folgte ein Jahr später das «Aus» im Viertelfinal gegen Kanada.

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Levimi
22.05.2025 19:59registriert März 2014
Ein riesen Kompliment an den Eismeister. Man kann von seinen Analysen halten was man will. Aber immer unglaublich schnell, meiner Meinung nach fundiert und mit schriftstellerischem Talent. Auch als Romanautor wäre er sicher eine grosse Nummer. Danke Klaus, für Deine Analysen, Insiderinfos und humorvollen Beiträge. Also ich bin definitiv ein Zaugg-Fan.
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Optimus_Maximus
22.05.2025 20:11registriert Juni 2023
Ich habe von den Österreichern einiges mehr erwartet. Das war ein zahmer Auftritt der Ösis.
Die Schweiz hat die Aufgabe souverän gemeistert. Gut gemacht!
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    Deshalb flog ZSC-Ösi Rohrer gegen die Schweiz raus – wie hättest du entschieden?
    Im Viertelfinal der Eishockey-WM gerieten der Schweizer Sandro Schmid und Österreichs Vinzenz Rohrer kurz vor Ende des ersten Drittels aneinander. Infolgedessen musste der 20-jährige Österreicher unter die Dusche.

    Die Schweiz führte in ihrem WM-Viertelfinal gegen Österreich bereits nach einer knappen Viertelstunde deutlich. Und als wäre die 0:3-Hypothek für die Österreicher nicht schon genug schlimm, kam es für den krassen Aussenseiter noch dicker. In der letzten Minute des ersten Drittels leistete sich Vinzenz Rohrer, der ansonsten in der National League bei den ZSC Lions unter Vertrag steht, einen folgenschweren Crosscheck.

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