Im heutigen WM-Viertelfinal trifft die Hockey-Nati im Nachbarduell auf Österreich. Im Vorfeld des Spiels fällt bei uns im Büro auch mal der Satz: «Ein wenig würde ich es den Österreichern schon gönnen …» Ausgerechnet Österreich, der sonst so grosse Rivale von uns in jeder Sportart. Man stelle sich eine solche Aussage im Skifahren vor. Vor der Abfahrt in Kitzbühel sagen die Österreicher: «Einen Dreifachsieg würde ich den Schweizern heute schon gönnen.» Unvorstellbar! Doch warum mögen wir den östlichen Nachbarn im Eishockey so?
Bereits im letzten Jahr begeisterten die Österreicher an der Weltmeisterschaft, als sie im letzten Drittel gegen Kanada ein 1:6 aufholten und dann doch noch in der Verlängerung am grossen Favoriten scheiterten. Als beim nächsten Spiel in der letzten Sekunde gegen Finnland der Siegestreffer gelang, spielten sich die Österreicher auch in mein Herz. Es schmerzte tatsächlich ein wenig, dass am Ende der Viertelfinal verpasst wurde. Bis anhin ein unbekanntes Gefühl bei mir, wenn es um Österreich und Sport geht.
Schaue ich beispielsweise während der Olympischen Spiele auf den Medaillenspiegel, achte ich nicht darauf, auf welchem Platz die Schweiz steht, sondern ob mein Heimatland vor Österreich klassiert ist. Doch im Eishockey ist es schon fast ein Miteinander. An der Bande steht mit Roger Bader ein Schweizer Trainer und mit Dominic Zwerger (Ambri), Bernd Wolf (Kloten), Benjamin Baumgartner (SCB) und Vinzenz Rohrer (ZSC Lions) spielen vier Akteure der National League bei den Österreichern, welche seit Juniorenzeiten in der Schweiz aktiv sind und teils auch perfekt Schweizerdeutsch sprechen. Deshalb kann man sich doch schon fast ein wenig mit dem Nachbarn freuen.
Auch ist Österreich im Eishockey der ewige Aussenseiter, seit 31 Jahren wurde an einer WM kein Viertelfinal mehr erreicht und bis vor wenigen Jahren waren sie eine klassische Liftmannschaft. Dennoch waren die Spiele gegen Österreich viel spezieller als gegen andere Abstiegskandidaten wie Kasachstan, Ungarn oder Slowenien. In den Duellen gegen die Schweiz war die Rollenverteilung klar, trotzdem hatte die Hockey-Nati in den letzten Jahren an Weltmeisterschaften gegen das ÖEHV-Team stets Mühe und verlor beispielsweise vor zehn Jahren im Penaltyschiessen. Auch im letzten Jahr setzte sich die Schweiz nach einem 1:3-Rückstand nur knapp mit 6:5 durch.
Als kleiner Junge besuchte ich im Sommer oft meine Verwandten, welche ich in Klagenfurt habe (ja, ich bin zu einem Viertel Österreicher), und zur gleichen Zeit war immer direkt am Wörthersee eines der wichtigsten Beachvolleyballturniere des Jahres. Ich kann garantieren, nie war die Stimmung so aufgeladen und gleichzeitig angespannt, wie wenn ein Schweizer Duo auf Österreich traf. Doch im Eishockey waren wir in den letzten Jahren immer der zu klare Favorit, wenn es gegen Österreich ging, als dass es zur grossen Feindschaft wie in anderen Sportarten reichte. Wahrscheinlich fühlen sich die Deutschen ähnlich, wenn es im Fussball zum Aufeinandertreffen von Deutschland und der Schweiz kommt.
Doch wie wäre es dann, wenn uns die Österreicher heute tatsächlich besiegen würden? Würden wir es ihnen wirklich gönnen? Nein, am Ende ist und bleibt es unser ganz grosser Konkurrent, welcher in (fast) jeder wichtigen Sportart mit uns Schweizern ungefähr auf einem Niveau ist. Nur weil wir momentan im Skifahren klar besser sind, heisst es nicht, dass wir ihnen nun in einem anderen Sport den Vortritt lassen müssen. Ebenfalls ist klar, das Team von Cheftrainer Bader darf auf keinen Fall unterschätzt werden, ansonsten endet der Traum von der Goldmedaille schneller, als Marco Odermatt die Lauberhornabfahrt in diesem Jahr fuhr.
Aber es schmerzt vielleicht ein bisschen weniger, als die Viertelfinal-Niederlagen gegen den anderen grossen Rivalen Deutschland.