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Es ist bislang die EM der späten Tore. Vor allem für England. Beim 1:1 gegen Russland kassierten die «Three Lions» in der 92. Minute noch den Ausgleich, in der «Battle of Britain» gegen Wales drehten sie den Spiess nun um und siegten dank einem Treffer von Daniel Sturridge ebenfalls in der 92. Minute 2:1.
Die Spieler explodierten, rannten zur Eckfahne, fielen sich um den Hals. Die Freude und die Erleichterung war riesig. Nicht nur bei ihnen. Co-Trainer Gary Neville sprintete von der Trainerbank der Seitenlinie entlang zur Jubeltraube und selbst Roy Hodgson zeigte einen für ihn seltenen Gefühlsausbruch. Beim Aufspringen stiess er sich an der Trainerbank gar leicht den Kopf an.
«Wäre das Gegentor gegen Russland nicht in der Nachspielzeit gefallen, hätte ich nicht so aussergewöhnlich gejubelt», versuchte sich der 68-jährige Cheftrainer der Engländer zu erklären. Doch das brauchte er eigentlich gar nicht, hatte er doch alles richtig gemacht. Mit Sturridge und Jamie Vardy wechselte er in der zweiten Halbzeit die beiden Torschützen ein, die aus dem 0:1 noch ein 2:1 machen sollten. Am Ende suchte er mit vier nominellen Stürmern sein Glück und fand es.
When there is a Vardy there is a party. Well done @vardy7! 🎧#havingaparty #ENG pic.twitter.com/tTp96pHbWL
— Christian Fuchs (@FuchsOfficial) 16. Juni 2016
Hodgson ist sonst eigentlich keiner, der für solche Aktionen bekannt ist. Seine Kritiker werfen ihm trotz seiner durchaus beachtlichen Erfolge immer wieder Konservatismus vor. Dass er zu wenig wage und die talentierten englischen Fussballer zu wenig fördere. Vor dem Bruderduell gegen Wales hatte sich diese Debatte an Jamie Vardy entzündet, der gegen Russland 90 Minuten auf der Bank sass. Diesmal zog Hodgson den Kopf gerade noch aus der Schlinge.
» Da war doch noch was? Genau, Joe Harts Aussetzer bei Gareth Bales Freistoss.
Seine Mannschaft war gegen Wales zwar von A bis Z tonangebend, vom erfrischenden Offensiv-Fussball, wie sie es zu Beginn gegen Russland gezeigt hat, war aber weit und breit nichts mehr zu sehen. Wales liess die Engländer aber auch kommen, griff erst ab der Mittellinie an. Dahinter formierte man eine massive Fünferabwehrkette und machte die Räume dicht. England wirkte hilflos und reagierte mit langen Bällen, womit die Waliser aber keine Probleme bekundeten.
Erst mit den Einwechslungen von Vardy und Sturridge (für Raheem Sterling und Harry Kane) kam Schwung ins englische Spiel. England drückte und drückte, wurde erst mit dem Ausgleich und dann mit dem Last-Minute-Siegtreffer belohnt. Mit vier Punkten auf dem Konto und dem ausstehenden Duell gegen die Slowakei vor Augen ist England plötzlich wieder der grosse Favorit auf den Gruppensieg.
Sogar auf mehr? Was ist von diesen Engländern wirklich zu halten? Wozu sind sie fähig? Reicht es wirklich für den ersten grossen Titel seit 1966, wie viele Anhänger glauben?
Hodgsons Mannschaft hat sicherlich grosses Potenzial. Viele Spieler sind jung – mit 25,8 hat England den tiefsten Altersschnitt aller EM-Teams – , individuell stark und hungrig. Wenn es den Supertalenten Raheem Sterling, Harry Kane, Dele Alli, Adam Lallana und wie sie alle heissen läuft, kann England jede Mannschaft überrollen.
Der klare Chef auf dem Platz ist Wayne Rooney, mit 30 der älteste Mann im Kader. Der Captain ist zwar längst nicht mehr für die Tore zuständig. Mittlerweile spielt er im zentralen Mittelfeld, wo er mit seiner Erfahrung für die nötige Struktur und Stabilität in der Mannschaft sorgt.
Was in diesem Turnier bisher aber fehlt, sind die Überraschungsmomente, die Rhythmuswechsel. Gelingt es nicht von Anfang an, die gegnerischen Abwehrreihen zu durchbrechen, fehlt es an zündenden Ideen, wie sie der junge Rooney oder Michael Owen in ihrer Blütezeit hatten. Dann wirken Englands Supertalente taktisch zu limitiert. Mehr als temporeicher Einbahnstrassen-Fussball scheint es in ihrem Verständnis nicht zu geben.
Nichtsdestotrotz kann England an dieser EM viel erreichen, auch der Titel liegt im Bereich des Möglichen. Dazu muss sich Hodgsons Mannschaft aber in einen Rausch spielen, ein Feuer innerhalb des Teams entfachen. Der späte Siegtreffer gegen Wales war der erste kleine Schritt in die richtige Richtung, ein glanzvoller Sieg gegen die Slowakei wäre der nächste.