Hol dir jetzt die beste News-App der Schweiz!
- watson: 4,5 von 5 Sternchen im App-Store ☺
- Tages-Anzeiger: 3,5 von 5 Sternchen
- Blick: 3 von 5 Sternchen
- 20 Minuten: 3 von 5 Sternchen
Du willst nur das Beste? Voilà:
» Hier gibt's den Liveticker der Partie zum Nachlesen.
Die Meinungen nach dem 0:2 gegen Italien waren schnell gemacht. «Belgien ist halt doch nur der ewige Geheimfavorit», hiess es einhellig nach dem missglückten EM-Auftakt. Zwölf Tage später sieht allerdings alles ganz anders aus.
Zwar brillierten die «Rode Duivels» auch in ihren zwei restlichen Gruppenspielen gegen Irland und Schweden nie richtig, mit zwei Siegen erreichte das Team von Marc Wilmots aber doch noch souverän den Achtelfinal. Hier folgte gegen Ungarn dann die grosse Wende.
Unwiderstehlich kanterten die Belgier die vom Tempo weitgehend überforderten Ungarn mit 4:0 nieder. Der beste Mann auf dem Platz? Der zuvor scharf kritisierte Eden Hazard. Der 25-jährige Tempodribbler vom FC Chelsea bereitete das 2:0 vor und erzielte das 3:0 gleich selbst. Und das alles innerhalb von 94 Sekunden.
Noch beeindruckender als sein Sololauf vor dem 3:0 war die Vorlage zum 2:0 durch den eben erst eingewechselten Michy Batshuayi. Wie sich Hazard den Ball mit dem Aussenrist in den freien Raum vorlegte, er an den verdutzten Verteidigern vorbeisprintete und den freien Batshuayi bediente, war schlicht und einfach fantastisch. Da staunte sogar der verletzte Captain Vincent Kompany.
EDEN HAZARD 🙊🙊🙊🙊
— Vincent Kompany (@VincentKompany) 26. Juni 2016
Mit einer solchen Leistungsexplosion hatten bei Hazard höchstens die allergrössten Optimisten gerechnet. Der 1,73 Meter kleine Mittelfeldspieler gilt zwar seit Jahren als das grösste Versprechen des belgischen Fussballs, halten konnte er dieses aber zuletzt nur selten. Monatelang steckte er in einer scheinbar nie mehr enden wollenden Formkrise. In 42 Spielen für den FC Chelsea hatte er in der abgelaufenen Saison lediglich sieben Tore erzielt.
Bald wurde er zum Gespött der Fans, doch sein Formschwäche hatte ihre Gründe. Erst zwangen ihn Hüftprobleme zu einer längeren Pause, dann war er überfordert von der Verantwortung, die er mitten im beispiellosen Chelsea-Absturz hätte übernehmen sollen. «Ich habe stets nur Höhen gekannt und plötzlich war alles anders», versuchte Hazard nach der Saison zu erklären.
Mit José Mourinho, der eine Woche vor Weihnachten bei den «Blues» entlassen wurde, überwarf sich der Belgier schon im Frühjahr komplett. Der portugiesische Startrainer warf seinem Schützling vor, er sei egoistisch und vernachlässige die Defensivarbeit. Er sei keiner, der sich auf dem Platz für seine Teamkollegen aufreissen würde. Mit dieser Kritik kam Hazard nicht klar, reagierte eingeschnappt und zeigte, warum er längst als verwöhntes Talent mit streitbarem Charakter gilt.
Auch zu Beginn der EM eckte Reizfigur Hazard an. Der 25-Jährige, der bei den «Rode Duivels» nicht nur die Nummer 10 trägt, sondern auch den verletzten Vincent Kompany als Captain vertritt, riss sich nach dem 0:2 gegen Italien wutentbrannt die Binde vom Arm und lief schnurstracks in die Kabine. Mehrmals winkte ihn Trainer Marc Wilmots zu sich, doch der linke Flügel hatte keine Lust auf Streicheleinheiten und untergrub damit – absichtlich oder nicht – in aller Öffentlichkeit die Autorität seines Trainers.
Irlands Co-Trainer Roy Keane sagte, was viele dachten: «Er benimmt sich wie ein kleines Kind.» Doch die kleine Provokation vor dem Direktduell verpuffte, weil Wilmots alles daran setzte, die Wogen schnellstmöglich zu glätten. Kein Wunder: Viel zu wichtig ist Hazard für das Spiel seiner Mannschaft.
Kommt er einmal in Fahrt, ist er dank seiner Schnelligkeit, Wendigkeit und Ballkontrolle kaum zu stoppen. Im Achtelfinal deutete er erstmals an dieser EM an, zu was er wirklich fähig sein kann. Auch wenn es ihm die Ungarn mit ihrer offenen Spielanlage in der Schlussphase etwas gar einfach machten, war das ziemlich beeindruckend.
Doch Belgien hat nicht nur Hazard, sondern noch weit mehr zu bieten. Die ganze Mannschaft hat an dieser EM eine tolle Entwicklung durchgemacht: Die Innenverteidigung um Abwehrchef Toby Alderweireld wirkt trotz der Abwesenheit von Kompany und Nicolas Lombaerts immer stabiler, der defensive Spielgestalter Radja Nainggolan hat seine Rolle gefunden und der Dreizack mit Kevin De Bruyne, Romelu Lukaku und Hazard wirbelt mittlerweile fast nach Belieben.
Ein weiterer Trumpf ist die Breite des Kaders, kann Wilmots doch auf eine extrem stark besetzte Bank zurückgreifen. Läuft es einem seiner Superstars nicht, wartet draussen schon der nächste, der die entstandene Lücke fast 1:1 zu füllen vermag.
Nach Startschwierigkeiten ist Belgien seinem Ruf als Titelanwärter also erstmals gerecht geworden, doch der Weg soll noch weiter gehen. Die linke Tableau-Hälfte ist offen: Im Viertelfinal geht es gegen Wales, im Halbfinal würden Portugal oder Polen warten. Nach der Galavorstellung gegen Ungarn und mit einem Eden Hazard in Topform scheint plötzlich wieder Vieles möglich. Sogar der seit langem prognostizierte ganz grosse Coup. Aus dem ewigen Geheimfavoriten ist endlich ein richtiger Favorit geworden.