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«Läck du, schon noch gross dieses Stadion!» Bruno Nägeli sagt es mehr zu sich selber, als er die Hände in die Hüften stemmt und seinen Blick über die markante Fassade der Allianz Arena schweifen lässt. «Hier werde ich bald öfter parkieren», denkt sich Nägeli und er kann sich ein Grinsen nicht verkneifen.
Es ist noch keine zwei Monate her, da sah der 46-jährige Junggeselle seine Zukunft eher in Münsterlingen als in München. Nägeli chauffiert die Fussballer des FC Zürich durchs Land und während der Chauffeur mit seinen Fahrkünsten Spieler und Staff begeistert, präsentieren sich die FCZ-Stars in schlechter Verfassung.
Kaum anzusehen für Nägeli, der im frühen Juniorenalter selber für den Stadtklub spielte. Nägeli war laut eigener Aussage «ein umsichtiger Regisseur mit Abschluss-Qualitäten, ein klassischer Zehner».
Diejenigen, die den jungen Nägeli spielen gesehen haben, bescheinigen ihm rückblickend indes höchstens 4.-Liga-Niveau und nach einer komplizierten Zehennagelprellung war der Traum von einer grossen Karriere ohnehin geplatzt. Also setzte er auf seine zweite Leidenschaft, schwere Maschinen.
Nägeli lernte Lastwagen-Chauffeur und fuhr fortan jeden Morgen Gemüse von Chiasso auf den Engrosmarkt beim Zürcher Hardturm, im Gotthardtunnel schob er stets die längst ausgeleierte Kassette mit Jonny Hills «Ruf Teddybär 1-4» ins Radiogerät. Irgendwann hatte er die Tomaten, den Gotthard und Jonny Hill satt und weil er ein ziemlich leutseliger Typ ist, sattelte Nägeli vom Lastwagen- zum Car-Chauffeur um. «Ich erzählte den Pensionärinnen, die ich in den Schwarzwald fuhr, jedes Mal die gleichen Witze, das merkt nämlich niemand», verrät die Frohnatur ein Berufsgeheimnis.
Als 2011 der alte FCZ-Chauffeur in Pension ging, bewarb sich Bruno Nägeli sofort und bekam den Job. «Meinen Traumjob», wie er mehrmals betont. Er war zurück bei seiner alten, der ersten grossen Liebe.
Ancillo Canepa weiss dies alles längst. Bei den vielen gemeinsamen Auswärtsfahrten nach Sion, Bern oder Vaduz sitzt der Präsident des FC Zürich immer zuvorderst. Und weil er der Chef ist und alles bezahlt, muss er sich auch nicht an das kleine Schild halten, das in Nägelis Führerstand darauf hinweist, dass man sich während der Fahrt nicht mit dem Chauffeur unterhalten soll.
«Der Bruno ist eigentlich wirklich ein Guter», nickt Canepa anerkennend, als man ihn auf Nägeli anspricht. Dabei ist Canepa nicht gut auf den Chauffeur zu sprechen; dass er seine Aussage um ein «eigentlich» ergänzt, ist kein Zufall. Nägeli wird seinen Schlüssel in der Winterpause abgeben und einen neuen Car in Empfang nehmen. Er hat ab dem 1. Januar einen neuen Arbeitgeber: den FC Basel.
With @FC_Basel at the baptism for our new bus called "Bebbibus". Looking forward to drive with it thru Switzerland pic.twitter.com/agdUnxCTUa
— Marc Janko (@JankoMarc) 28. September 2015
Der Schweizer Branchenleader, der zuletzt sechs Mal in Folge Schweizer Meister geworden ist, will sich auch neben dem Rasen immer weiterentwickeln. Deshalb hat sich der FCB intensiv um Nägeli bemüht, schliesslich sind seine Fahrkünste in Super-League-Kreisen längst legendär. «Er schafft es auch immer wieder, irgendwo noch eine Kiste Bier hervorzuzaubern, wenn wir beim Fressbalken eine Rauchpause einlegen», sagt ein FCZ-Spieler, der lieber anonym bleiben will.
«Natürlich habe ich nächtelang mit einer Entscheidung gerungen», erinnert sich Nägeli an die Tage, nachdem er das Angebot erhalten hatte: «Wer verlässt schon seine Liebe?» Ausserdem möge er die Autobahn A2 nicht besonders, er wisse auch nicht genau, weshalb. «Mit dem Belchentunnel verbindet mich schon seit langer Zeit eine Art Hassliebe.»
Trotz der 3,2 Kilometer langen Röhre zwischen Eptingen und Hägendorf fasst Nägeli schliesslich doch den Entschluss, zum FC Basel zu wechseln. In der Südkurve wurde der Transfer schlecht aufgefasst, «viele Fans haben mich angepöbelt. Einer hat einen Kaugummi an die Car-Tür geklebt», erzählt Nägeli. Mit dem Eiskratzer habe er ihn rasch wieder entfernt. «Man kann mir doch nicht vorwerfen, ein Verräter zu sein!», sagt er bestimmt und mit lauter Stimme. Sein Schnauz vibriert, man merkt: Einfach hat er es sich wirklich nicht gemacht mit seinem Entscheid.
«Die internationalen Reisen haben den Ausschlag gegeben», erklärt sich Nägeli. «Mit dem FC Zürich hätte ich vielleicht auch neue Destinationen kennengelernt: Schaffhausen, Locarno oder Wohlen. Wobei ich da schon an Testspielen war, ein grausames Loch, immer neblig und kalt.» Mit dem FC Basel hingegen würden aufregende neue Spielorte locken. «Die spielen in Spanien, Holland oder England. Auch wenn die Mannschaft dorthin fliegt, würde mir unterwegs kaum langweilig. Ich habe in irgendeiner Kiste im Estrich immer noch meine Kassette vom Teddybären», grinst Nägeli.
Auf dem Weg nach München lief im Car keine Musik. Es herrschte eine konzentrierte Atmosphäre, letzte Sitzungsdetails wurden besprochen. Eine grössere Delegation des FC Zürich begab sich gemeinsam mit Präsident Canepa auf die Reise zur Allianz Arena, um sich dort mit Vertretern des TSV 1860 München zu treffen. «Sie haben interessante Ansätze im Marketingbereich», lässt sich Canepa zitieren. Doch mehrere Quellen aus dem Klub-Umfeld bestätigen, dass sich der FCZ bei 1860 Informationen darüber einholte, wie der Alltag in der Zweitklassigkeit ist. «Die haben richtig Angst, dass sie tatsächlich noch schlechter sind als Vaduz und Lugano», verrät ein Insider.
Bruno Nägeli könnte das egal sein. Sollte der FC Zürich im Mai 2016 tatsächlich absteigen, wird er nach dem nächsten Meistertitel des FC Basel wohl bereits Bierflecken aus dem Teppich entfernen. Aber ganz kalt lässt ihn das Schicksal seines Noch-Arbeitgebers nicht: «Der FCZ wird immer einen Platz in meinem Herzen haben. Und selbstverständlich werde ich meinem Nachfolger die Verstecke im Car zeigen, damit die Spieler auch weiterhin während der Rauchpause beim Fressbalken zu ihrem Bier kommen.»